BFH: Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel (§ 6a GrEStG) auf Anteilsübertragungen im Ausland
Mit Urteil vom 25.09.2024 (II R 36/21) hat der BFH entschieden, dass die sog. Verlängerung der Beteiligungskette auch bei ausländischen Gesellschaften gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt, sofern der Gesellschaft, deren Anteile übertragen werden, ein inländisches Grundstück gehört. Ob es sich bei dem steuerauslösenden Erwerbsvorgang um einen begünstigten Rechtsvorgang im Sinne der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG handelt, sei nach dem hierfür maßgebenden ausländischen Recht zu ermitteln. Die Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG verstoße nicht gegen die Kapitalansammlungsrichtlinie. Zudem verletze die Nichtanwendung des § 6a GrEStG weder die Niederlassungsfreiheit noch die Kapitalverkehrsfreiheit.
Im Streitfall war die in Irland ansässige A Unlimited alleinige Gesellschafterin der ebenfalls in Irland ansässigen B Limited. Letztere war über Zwischengesellschaften an weiteren Gesellschaften beteiligt, die über inländischen Grundbesitz verfügten. Daneben hielt die A sämtliche Anteile an der auf den Britischen Jungferninseln ansässigen Klägerin. Im August 2010 übertrug die A sämtliche Anteile an der B auf die Klägerin, ohne dies der deutschen Finanzverwaltung anzuzeigen. Anlässlich einer Betriebsprüfung im Jahr 2015 kam das Finanzamt zu dem Schluss, dass ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang vorliege und setzte entsprechend Grunderwerbsteuer fest. Dabei lehnte es die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG ab.
Die Klage vor dem BFH hatte keinen Erfolg. Die streitgegenständliche Beteiligungskettenverlängerung unterliege der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG seien nicht erfüllt. Eine Vorlage an den EuGH komme nicht in Betracht. Nach Auffassung des BFH verstößt die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG nicht gegen die Kapitalansammlungsrichtlinie (RL 2008/7/EG vom 12.02.2008). Der Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie sei im Streitfall nicht eröffnet, da nicht eine – vom Wortlaut der Vorschrift verlangte – Einbringung des gesamten Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft, sondern die Übertragung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft Streitgegenstand sei. Besteuert werde nicht der Anteilserwerb oder die Anteilsübertragung, sondern der dadurch bewirkte (fiktive) Übergang des Grundstücks dieser Gesellschaft. Selbst wenn eine Anwendung der Richtlinie unterstellt würde, wäre die Erhebung von Grunderwerbsteuer zumindest nach der Ausnahmevorschrift in Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie zulässig.
Die Anwendung der Steuerbefreiung des § 6a GrEStG scheitere im Streitfall daran, dass keine „entsprechende Umwandlung“ nach § 6a Satz 2 GrEStG gegeben sei. Die Vorinstanz habe unter Anwendung des maßgeblichen ausländischen Rechts festgestellt, dass die Anteilsübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge durch rechtsgeschäftliche Übertragung erfolgt sei. Dieser Vorgang trage keine Merkmale einer Umwandlung nach dem deutschen Umwandlungsgesetz. Die Nichtanwendung des § 6a GrEStG verstößt nach Ansicht des BFH nicht gegen die Niederlassungsfreiheit. Die auf den Britischen Jungferninseln ansässige Klägerin könne sich nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen, da es sich bei ihr um eine Drittstaatengesellschaft handelt. Auch eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit liege nicht vor. Zur Begründung führt der BFH aus, dass die Kapitalverkehrsfreiheit lediglich eine Benachteiligung der ausländischen Gesellschaften und ihrer Anteilseigner verbietet, nicht jedoch eine Besserstellung gegenüber reinen Inlandssachverhalten erfordert. Deshalb fielen im vorliegenden Kontext nur solche ausländischen Vorgänge in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, die einem Umwandlungsvorgang im Sinne von § 6a GrEStG entsprechen. Dies sei jedoch im Streitfall nicht erfüllt. Schließlich sieht der BFH auch keine begründeten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 6a GrEStG und hält daher eine Vorlage an das BVerfG für nicht erforderlich.
Fundstelle: BFH-Urteil II R 36/21
News-Kategorie: Rechtsprechung
Veröffentlichungsdatum: 20.02.2025
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