BFH: Korrektur einer zu Unrecht gebildeten Rücklage iSv § 6b EStG nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs
Der BFH hat mit Urteil vom 2. Juli 2025 (XI R 27/22) entschieden, dass eine in der Steuerbilanz zu Unrecht gebildete Rücklage nach § 6b EStG einen Bilanzierungsfehler begründet, der im Falle einer verfahrensrechtlich nicht mehr änderbaren Veranlagung nach den Regeln des formellen Bilanzenzusammenhangs im ersten offenen Jahr zu korrigieren ist.
Im Streitfall hatte eine GmbH im Jahr 2002 ihren gesamten Immobilienbestand veräußert. Für den dabei erzielten Gewinn bildete sie in ihrer Steuerbilanz zum 31.12.2002 eine gewinnmindernde Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG. Der entsprechende Bescheid wegen Körperschaftsteuer 2002 wurde bestandskräftig. Später vertrat das Finanzamt nach einer Außenprüfung u.a. für das Streitjahr 2003 die Auffassung, dass die Rücklage zu Unrecht gebildet worden sei und löste sie daher gewinnerhöhend auf. Dabei argumentierte das Finanzamt, dass wegen der Bestandskraft der Veranlagung für das Jahr 2002 die Fehlerkorrektur nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs im ersten offenen Jahr (2003) vorzunehmen sei. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG Düsseldorf der Klage statt und verneinte die Anwendung der Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs auf Fälle der Rücklagenbildung nach § 6b EStG, da es sich hierbei nicht um einen Bilanzfehler handele und die Auflösungsgründe ‒ sowohl für rechtmäßig als auch unrechtmäßig gebildete Rücklagen ‒ abschließend in § 6b Abs. 3 EStG geregelt seien.
Die hiergegen von der Finanzverwaltung eingelegte Revision hatte Erfolg. Der BFH hält ‒ entgegen der Auffassung des FG Düsseldorf ‒ bei bilanzierenden Steuerpflichtigen die Anwendung der Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs auf Fälle einer unrechtmäßig gebildeten Rücklage nach § 6b EStG für geboten. Eine zu Unrecht gebildete Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG sei nicht bloß Ausdruck einer falschen bilanziellen Behandlung; es liege vielmehr ein fehlerhafter Bilanzposten vor. Denn auch wenn die stillen Reserven, die in der Rücklage steuerlich verhaftet blieben, der Sache nach Eigenkapital darstellten, sei hierfür in der Steuerbilanz ein eigenständiger Passivposten auszuweisen. Daraus folgt nach Ansicht des BFH, dass eine zu Unrecht gebildete Rücklage nach § 6b EStG, die in der Steuerbilanz des Fehlerjahres aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr berichtigt werden kann, nach den Regeln des formellen Bilanzenzusammenhangs grundsätzlich in der ersten Schlussbilanz richtigzustellen ist, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandkraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften möglich ist. Der Umstand, dass es dadurch bei bilanzierenden Steuerpflichten gegebenenfalls zu einer früheren Gewinnrealisierung als bei nicht bilanzierenden Steuerpflichtigen kommen kann, sei laut BFH verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Fundstelle: BFH-Urteil XI R 27/22
News-Kategorie: Rechtsprechung
Veröffentlichungsdatum: 27.10.2025
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