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BFH: Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein

Mit Urteil vom 19.11.2024 (VIII R 8/22) hat der BFH entschieden, dass der Verlust aus einem auflösend bedingten Forderungsverzicht bereits im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen ist und nicht erst, wenn feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten wird.

Der Kläger war an einer GmbH beteiligt (12,8%) und zugleich Geschäftsführer. Aufgrund dieser Tätigkeit bezog er Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitjahr 2009 gewährte er der Gesellschaft ein nachrangiges Darlehen über 128.000 €.

Noch im Laufe des Jahres 2009 verzichtete der Kläger gegenüber der GmbH auf alle Ansprüche aus dem Darlehensvertrag mit Ausnahme der bereits aufgelaufenen Zinsen. Der Darlehensrückzahlungsanspruch war zum Zeitpunkt des Verzichts annahmegemäß noch zu 34 % werthaltig. Der Kläger erklärte den Verzicht unter der auflösenden Bedingung, dass die GmbH wirtschaftlich und finanziell in der Lage sei, sämtliche Darlehen in vollständiger Höhe aus einem Bilanzgewinn oder einem Liquidationsüberschuss zurückzuzahlen ("Besserungsschein").

Die GmbH erzielte jedoch 2009 wie auch in den Folgejahren Verluste. Im Frühjahr 2012 beendete der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH und in 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

Der Forderungsverzicht des Klägers hat nach Auffassung des BFH nicht zu Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geführt. Sowohl die Gewährung des Darlehens als auch der erklärte Darlehensverzicht gegenüber der GmbH seien vorrangig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen.

Der Kläger habe vielmehr mit dem Verzicht auf die Darlehensforderung einen Verlust aus Kapitalvermögen in Höhe des nicht mehr werthaltigen Teils der Darlehensforderung erzielt. Während der Verzicht auf den werthaltigen Teil der Forderung zu einer verdeckten Einlage führt, führt der Forderungsverzicht in Höhe des nicht mehr werthaltigen Teils zu einem Abtretungsverlust (Einkünfte aus Kapitalvermögen, § 20 EStG).

Der Verlust des Klägers aus dem Verzicht sei auch im Streitjahr zu berücksichtigen. Laut BFH führt auch der Forderungsverzicht unter Besserungsvorbehalt zivilrechtlich zum sofortigen Wegfall der Forderung. Tritt der Besserungsfall ein, lebt die ursprüngliche Forderung wieder auf, der Eintritt der Bedingung entfaltet keine Rückwirkung.

Der Verlust des Klägers aus dem Forderungsverzicht sei darüber hinaus auch nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht unbeachtlich. Bei der Prüfung, ob die im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer anzunehmende Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht im Einzelfall widerlegt ist, ist nach der Rechtsprechung eine Gesamtbetrachtung von Gesellschafterdarlehen und Gesellschafterbeteiligung vorzunehmen. Im vorliegenden Fall sei weder die Erzielung eines positiven Zinsüberschusses von vornherein ausgeschlossen gewesen noch, dass der Kläger aus der GmbH mittel- bis langfristig positive Beteiligungserträge oder einen Veräußerungsgewinn erzielen konnte.

Auch die grds. Nachrangigkeit des § 20 EStG, wonach die Norm nur Anwendung findet, soweit die betreffenden Einkünfte u.a. nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (z.B. Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, § 17 EStG) gehören, stehe der Berücksichtigung des Verlusts nicht entgegen. Diese Nachrangigkeit sei dahin auszulegen, dass § 20 EStG von § 17 EStG nur verdrängt wird, wenn und soweit sich der Verlust im zu beurteilenden Zeitraum bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG auswirkt. Das setzte insbesondere voraus, dass die Tatbestände im selben Veranlagungszeitraum verwirklicht werden. Hier wirke sich der Verlust des Klägers aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung im Streitjahr (2009) nicht i.R.d. Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG) aus, mit der Folge, dass § 20 EStG anwendbar sei.

Fundstelle: BFH-Urteil VIII R 8/22  

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