• Rolf Hauenstein, Partner |

Eine neue Dekade steht uns bevor, und die Welt dreht sich mit einer Geschwindigkeit, die so manche strategische Ausrichtung ins Wanken bringt. Inmitten von Handelsspannungen, technologischer Disruption und aktivistischen Interessenvertretern stehen Unternehmen vor vielfältigen Herausforderungen.

Die Gleichgewichte der globalen Handelsbeziehungen und Warenströme verschieben sich. Zum einen getrieben von einer digitalen Evolution der Wirtschaft und zum anderen ausgelöst durch politische Akzente und Machteinflüsse. Beispielsweise wird ein zunehmender Handel und Konsum über elektronische Wege abgewickelt und viele Dienstleistungen nehmen an sich digitale Formen an. Dies ruft mittlerweile auch Behörden und Organisationen wie die OECD auf den Plan, um selbst nationale Hoheiten wie die Steuerpolitik zu internationalisieren und den neuen Paradigmen einer globalisierten Welt anzupassen.

Was bedeuten generell die grossen Megatrends für Unternehmen in der Schweiz und wie kann bzw. muss der Verwaltungsrat darauf reagieren?

Agilität im Verwaltungsrat

Das oberste Führungsorgan muss agil sein und schnell auf externe Einflüsse reagieren können. Das bedingt unter anderem eine Professionalisierung des Gremiums, eine strategisch sinnvolle Durchmischung der Mitglieder und eine offene Diskussionskultur. Zum Teil wird bemängelt, es gäbe in der Schweiz zu wenig potenzielle Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte mit den notwendigen Erfahrungen. Vielleicht muss man den Fächer nur etwas öffnen und auch Personen mit neuen Kompetenzen und Disziplinen in den Kreis möglicher Kandidaten zulassen. Eine grössere Diversität bezüglich Geschlecht, Alter, Werdegang, Fachausbildung und Herkunft ist hilfreich und erhöht die Flexibilität im Umgang mit exogenen Faktoren. Es gibt keine eigentliche Berufsausbildung zur Verwaltungsrätin oder zum Verwaltungsrat, denn es sind immer noch die Erfahrungen und der Leistungsausweis aus operativen Tätigkeiten, die bei der Auswahl geeigneter Kandidaten/Innen im Vordergrund stehen. Unternehmen, die sich bei der Zusammensetzung des Gremiums öffnen und Mut zu neuen Wegen zeigen, werden bestimmt profitieren.

Cyber-Risiken und Daten-Governance

Eine der grössten Bedrohungen für Unternehmen sind Gefahren und Risiken aus dem Cyberspace. Hacker-Attacken, Computerviren, Betrugs- und Erpressungsversuche gehören mittlerweile schon fast zum Alltag von Unternehmen jeglicher Grösse und aus allen Branchen. Die Weitsicht sich zu schützen und bei Bedarf schnell und richtig reagieren zu können, ist eine der prioritären Führungsverantwortlichkeiten in der heutigen Zeit. "Data Governance" und "operative Belastbarkeit" sind hierzu Schlagworte, mit denen sich ein Verwaltungsrat besser früher als später auseinandersetzt. IT-Kompetenz ist nicht nur eine interne Stabsfunktion oder im besten Fall eine ausgelagerte Dienstleistung, nein, der Verwaltungsrat muss einen direkten Zugang zu IT-Kompetenzen haben oder selbst darüber verfügen.

Stärkeres Auftreten von aktivistischen Aktionären und weiteren Interessenvertretern

Jüngste Beispiele in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte zeigen ein neues Mass an aktivistischen Aktionären und weiteren Interessenvertretern (Stakeholders) besonders im Nachhaltigkeitsbereich. Selbst für kleinere Minderheitsaktionäre und aussenstehenden Interessenvertreter ist es mittlerweile möglich, durch Aufbau von öffentlichem und medialem Druck, Eigeninteressen zu artikulieren und mitunter strategische Ziele der Unternehmensführung abzuwenden oder zu beeinflussen. Institutionelle und andere organisierte Aktionäre sehen den Verwaltungsrat immer häufiger in der Verantwortung für die Performance und die Aktienkursentwicklung. Durch indirekte und direkte Einflussnahme – zum Beispiel durch eigene Vertreter im Verwaltungsrat – werden Interessen auf die Agenda gebracht und durchgesetzt. Es ist daher ebenfalls eine der Prioritäten für das laufende Jahr, die einflussreichen und bedeutenden Aktionäre und weitere relevante Stakeholder sowie deren Bedürfnisse und Anliegen zu kennen, und im Austausch mit ihnen zu stehen.

Neben den grossen globalen Themen stehen die Unternehmen in der Schweiz auch im direkten Einflussbereich regulatorischer Aktivitäten des Gesetzgebers und der demokratischen Institutionen.

So wird die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) in diesem Jahr ein wichtiges Thema sein. Die wesentlich über die EU-Regelung hinausgehende KVI verlangt, dass Unternehmen mit Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz, die international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards sowohl im In- als auch im Ausland respektieren müssen. Dem Schweizer Recht käme also erstmals extraterritoriale Wirkung zu – für ein neutrales Land mehr als bemerkenswert.

Generell wird dem sogenannten "Tone at the top", sprich dem kulturellen und ethischen Vorleben von Führungsprinzipien, eine zunehmend hohe Bedeutung zugesprochen. Nachhaltigkeit, Mitarbeiterzufriedenheit und Transparenz in der Unternehmensführung sind Werte, die schon länger auf der Board-Agenda stehen und auch dieses Jahr nicht an Bedeutung verlieren werden.

KPMG verfolgt die Trends und Herausforderungen in der Schweiz aufmerksam. Im Board Leadership Center, unserem Kompetenzzentrum für Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte, finden Sie regelmässig Thought Leadership zu aktuellen Verwaltungsrats-Themen. So z.B. die aktuelle Publikation On the 2020 Board Agenda, welche von KPMG Global jährlich herausgegeben wird und noch vertiefter auf die in meinem Blog erwähnten Themen eingeht. 

Lesen Sie auch die Publikation: On the 2020 audit committee agenda

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