Phyllis Scholl: Krisen sind tatsächlich Chancen, auch wenn bei der Aussage immer etwas Zweckoptimismus mitschwingt. Krisen zeigen uns die Schwachpunkte in unserem System auf, und das ist die grosse Chance, die wir nutzen sollten. Die letzten Krisen, die wir erlebten, hatten Risikomanager und auch die Regierungen durchaus auf der Liste möglicher Szenarien, aber sie wurden alle mit geringen Eintretenswahrscheinlichkeiten bewertet. Vermutlich hat man deshalb die Vorbereitung auf diese Szenarien vernachlässigt.
Ein gutes Beispiel ist die drohende Energiemangellage in der Schweiz. Nur weil die Wahrscheinlichkeit als sehr tief eingestuft wurde, bedeutet das nicht, dass man sich nicht darauf hätte vorbereiten müssen, gerade weil eine Energiemangellage ein sehr hohes Schadenspotenzial hat. Die vergangenen Jahrzehnte ohne existenzielle Krisen für unsere Gesellschaft haben uns dazu verleitet, die Voraussicht zu vernachlässigen.
Als Erkenntnis daraus müssten wir uns heute überlegen, was mögliche zukünftige Krisenszenarien mit geringer Wahrscheinlichkeit, aber hohem Schadenspotenzial sind. Und gerade auch dafür Vorkehrungen treffen, um existenzielle Krisen möglichst zu vermeiden oder zumindest die Schäden zu mindern.