Im Gespräch mit Prof. Dr. Reto Eberle blickt Frau Prof. Dr. Marlene Amstad, auf das vergangene Jahr zurück. Zu den grossen Herausforderungen für die Branche zählen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beide Themen sind auch für die Aufsicht relevant. Aufgrund der jüngsten Ereignisse hat sich die Risikolandschaft für die Banken und Versicherungen in der Schweiz verändert.

Frau Prof. Amstad betont, dass Stabilität das Fundament für einen zukunftsgerichteten Finanzplatz ist und erläutert, welche zwei Themen im Bereich Nachhaltigkeit für den Finanzplatz relevant sind.


Prof. Dr. Reto Eberle: Frau Professorin Amstad, Sie haben Ihr Amt als Präsidentin des Verwaltungsrats der FINMA am 1. Januar 2021, mitten in der Pandemie, angetreten. Die Übernahme des Vorsitzes eines strategischen Führungsorgans ist per se anspruchsvoll. Was war Ihnen in Bezug auf die Governance der FINMA und des Verwaltungsratsgremiums besonders wichtig?

   

Frau Prof. Amstad: Grundsätzlich gilt für die FINMA dasselbe wie für die beaufsichtigten Institute. Es braucht unabhängige Führungsgremien und funktionierende Kontrollmechanismen, also einen starken Verwaltungsrat und eine starke Geschäftsleitung, die beide ihre Rollen leben.

Tatsächlich war die Pandemie für die Arbeitsweise für viele eine Herausforderung, so auch für uns. Aufsichtsarbeit lebt vom direkten Austausch. Zudem ist auch intern der persönliche Kontakt und Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen ausserordentlich wichtig. Die FINMA war gut vorbereitet und konnte sehr rasch auf digitale Kommunikations- und Arbeitsinstrumente umstellen.

Die Reviews und Kontrollen fanden nun nicht mehr vor Ort, sondern digital statt. Im Verwaltungsrat haben wir uns in dieser Phase zudem bewusst mehr Zeit für die Diskussionen genommen.

Marlene Amstad
chairs

Vom Verwaltungsrat der FINMA zu den Verwaltungsräten der beaufsichtigten Institute - wo sehen Sie die Unterschiede zwischen der Corporate Governance im Allgemeinen und der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance bei Banken und Versicherungen?

Viele Grundsätze der Corporate Governance sind unabhängig von der Branche. Im Falle von Finanzinstituten können Schwachstellen in der Corporate Governance jedoch Folgen haben, die weit über das Institut hinausgehen. Auch daher ist die Finanzbranche besonders reguliert.

So haben die Mitglieder der Leitungsorgane von beaufsichtigten Instituten permanent Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit zu bieten – das ist eine Voraussetzung für die Bewilligung. Damit die Leistungsgremien ihre Rollen als oberste Führungs- oder Kontrollinstanz ausfüllen können, ist wichtig, dass das Gremium gesamthaft breit genug aufgestellt ist. Dazu kommen spezifische Anforderungen, die sich nach der konkreten Geschäftsausrichtung und der Komplexität des Instituts richten.

So spielen die Grösse und Zusammensetzung des Gremiums sowie die Qualifikationen, Erfahrungen und Verfügbarkeit der einzelnen Mitglieder eine wichtige Rolle. Die letztgenannten Kriterien lösen im Aufsichtsdialog erfahrungsgemäss bei konkreten Personalwechseln regelmässig Diskussionen aus.


Unser Fokus liegt auf der Stärkung des Risikomanagements und der Corporate Governance von Instituten.


Im jährlichen Risikomonitor gibt die FINMA einen Überblick über die bedeutendsten Risiken für die Beaufsichtigten. Dazu zählten im November des vergangenen Jahres das Niedrigzinsumfeld, eine mögliche Korrektur am Immobilien- und Hypothekarmarkt, Cyberangriffe oder die Geldwäschereibekämpfung. Die ersten drei Risiken haben sich seit Jahresbeginn besonders akzentuiert. Wie gut waren die Banken (und auch Versicherungen) auf diese Risiken vorbreitet?

  

Alle vier genannten Risiken sind nach wie vor relevant und steigen teilweise, wie Sie sagen. Entsprechend erwarten wir von den Beaufsichtigten, dass sie diese in Bezug auf ihr spezifisches Geschäftsmodell und Risikoprofil angemessen managen.

Es lässt sich aber keine pauschale Aussage machen, wie gut das gelingt. Vielmehr analysiert die FINMA die Risiken mit Blick auf jedes einzelne Institut. Und sie dosiert ihre Aufsichtstätigkeit und -intensität entlang der Risiken der Institute. Wir schauen bei jenen Instituten und in den Bereichen genauer hin, wo wir grössere Risiken sehen und verlangen gegebenenfalls auch Massnahmen.

Das Ziel ist immer, dass die Institute jederzeit stabil sind. Das bedeutet, dass sie entsprechend organisiert sind und Vorkehrungen getroffen haben, beispielsweise im Bereich der Cyber-Sicherheit. Es bedeutet aber auch, dass sie über angemessene Eigenmittel und Liquidität verfügen. Das gilt insbesondere für allfällige Herausforderungen auf dem Immobilien- und Hypothekarmarkt.


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