Seit 2016 leitet Andrea Rytz als CEO die Schulthess Klinik in Zürich. Die Schulthess Klinik ist eine der führenden orthopädischen Kliniken Europas mit rund 1100 Mitarbeitenden, über 9600 Operationen und rund 131‘000 ambulanten Patientenkontakten pro Jahr. Wie wichtig eine gute Unternehmenskultur für die Führung ist und wie sie ihre Aufgabe  als CEO und Verwaltungsratsrätin unter einen Hut bringt, erläutert die sympathische Powerfrau Andrea Rytz im Gespräch mit Prof. Dr. Reto Eberle.


Prof. Dr. Reto Eberle: Sie gelten als sehr innovative Führungspersönlichkeit. Was bedeutet Innovation für Sie und woher nehmen Sie die Anregungen dazu?

   

Andrea Rytz: Das ist eine schwierige Frage zum Einstieg ... Ich würde mich selbst ja nicht als innovativ bezeichnen. In meiner Rolle als CEO lebe ich einen sehr engen Kontakt zu den Mitarbeitenden. Ich höre gerne den Leuten zu und spüre, wo ihnen der Schuh drückt.

Ich komme aus dem Spital, ich habe nie in einem anderen Berufsumfeld gearbeitet. Ich frage mich deshalb ständig: «Wenn ich selbst Mitarbeiterin wäre, was würde mir helfen, was würde mir etwas nützen?». Daraus leite ich dann die Schlüsse für die Weiterentwicklung unserer Prozesse und Strukturen ab.

Ein grosses Thema derzeit sind die Generationen Y und Z. Mit welchen Innovationen können wir die jungen Leute in unseren Betrieb einbinden und ihnen gleichzeitig Raum für Entfaltung geben? Meine Rolle im Innovationsmanagement ist es, Probleme frühzeitig zu erkennen und auch einmal unkonventionelle Lösungen vorzuschlagen.

In der Medizin hingegen kommen die Anregungen zu Innovationen oft von den Chefärzten. Dann gilt es im Gremium zu entscheiden, welche medizinischen Fortschritte und Errungenschaften in der Schulthess Klinik umgesetzt und integriert werden sollen.


Welche Bedeutung haben die Begriffe Nachhaltigkeit und Diversität im betrieblichen Alltag der Schulthess Klinik?

  

Nachhaltigkeit ist in der Tat ein Thema, das im Spitalalltag noch nicht konsequent durchdekliniert ist. Wir machen bottom-up sehr viel, doch von einer umfassenden Sicht auf die Dinge sind wir noch weit entfernt.

Wir haben kürzlich die erste Hürde für eine ISO-14001-Zertifizierung genommen. Dabei mussten wir unter anderem sämtliche Maschinen und Geräte anhand ihres Stromverbrauchs analysieren und aufzeigen, wie wir den Energiebedarf reduzieren können. Das ist eine Riesenübung, denn unser Maschinenpark ist sehr gross.

Wir haben uns des Themas Nachhaltigkeit angenommen und in einer sehr breit geführten Diskussion Ziele definiert, was wir eigentlich erreichen wollen und wie wir dahin gelangen. Gerade auch in der Aussenkommunikation ist es wichtig, dass diese Ziele und Massnahmen keine Lippenbekenntnisse sind, sondern tatsächlich umgesetzt und gelebt werden. Der Antrieb muss aus einem inneren Selbstverständnis herauskommen und nicht vom Regulator oder Gesetzgeber aufgezwungen sein.

Nur ein kleines Beispiel: Eine Analyse unserer Abfallwirtschaft hat ergeben, dass pro Patient/in im Operationssaal eineinhalb 110-Liter-Säcke qualifizierter Abfall entsteht, der zur Wiederverwendung in den Kreislaufprozess zurückgeführt werden könnte. Heute werden diese Materialien undifferenziert als Abfall deklariert und verbrannt. Ein grosses persönliches Anliegen von mir ist aber auch der Umgang mit Lebensmittel in der Klinik. 

Mir ist wichtig, dass wir hauptsächlich regionale Produkte verwenden und die Produzenten kennen. Und ganz viele gute Ideen und Anregungen kommen natürlich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die wir gerne anhören. Diese Dynamik in dem Thema gefällt mir.

Ich muss einen sehr nüchternen und betriebswirtschaftlichen Blick auf die Abläufe im Spital haben.

Andrea Rytz
CEO, Schulthess Klinik


Was ist aus Ihrer Sicht das Erfolgsrezept für eine gute Zusammenarbeit von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat aus?

  

Da spielen sehr viele menschliche Komponenten mit. Wenn sich ein CEO vom Verwaltungsrat gestört fühlt, dann haben wir ein Problem. Das kommt häufiger vor, als man denkt. Dann wird der VR nur als Aufsichts- und Kontrollorgan wahrgenommen und nicht als strategischen und unterstützenden Partner.

Zumindest eine Person im Verwaltungsrat sollte einen guten und direkten Draht zum CEO haben und diesen auch pflegen. Ich finde es wichtig, dass ein CEO auch weiss, wie Entscheidungen im Verwaltungsrat zustande kommen.

Die erfolgreichsten VR-Präsidenten, die ich erleben durfte, haben sehr viel ihrer Zeit für zwischenmenschliche Kontakte und Gespräche eingesetzt. Das Modell des traditionellen Patrons kann in unserer schnelllebigen Wirtschaft wieder etwas bewirken - ich wäre gerne eine solche Patronin.