• Pascal Sprenger, Partner |

Mit der finalen Fassung der Finanzdienstleistungsverordnung FIDLEV werden viele der offenen Fragen präzisiert. Für die Umsetzung der Verhaltensregeln haben die Finanzinstitute zwei Jahre Zeit.

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 6. November 2019 das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und das Finanzinstitutsgesetz (FINIG) zusammen mit den Ausführungsverordnungen FIDLEV und FINIV per 1. Januar 2020 in Kraft gesetzt. Die finale Version enthält einige Präzisierungen welche Diskussionen adressieren, welche während der Vernehmlassung stattgefunden haben.

Keine Überraschungen?

Betrachtet man das Gesetzgebungsverfahren rund um das FIDEG mit einiger Distanz, so könnte man versucht sein zu sagen: "Keine Überraschungen". Die formelle Inkraftsetzung der Gesetze durch den Bundesrat war Formsache. Und nach den Vorab-Informationen des Staatsekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) vom September zu den Verordnungen und insbesondere der Übergangsfristen decken sich mit den nun erlassenen, finalen Verordnungstexten.

Finanzintermediäre wie Banken oder Vermögensverwalter müssen die regulatorischen Vorgaben jedoch in die Praxis umsetzen. Dies ist – das zeigen unsere laufenden Projekte - mit viel Detailarbeit verbunden. Vor diesem Hintergrund sind die nun erlassenen Verordnungen mit den erfolgten Präzisierungen für die tatsächliche Umsetzung von grosser Relevanz, da einige der bestehenden Unschärfen präzisiert und Unklarheiten ausgeräumt werden.

Die Reise geht jedoch weiter: In den kommenden zwei Jahren, welche den Finanzintermediären für viele Themen als Übergangsfrist zugestanden worden ist, werden sowohl FINMA mit der KKV-FINMA als auch die Branchenorganisationen gefordert sein, ihre Regelwerke und Rundschreiben den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Die Finanzintermediäre sollten daher ihre Umsetzungsprojekte flexibel genug aufsetzen, damit sie auf weitere Präzisierungen reagieren können.

Zur einstweiligen Orientierung haben wir nachfolgend eine Auswahl wesentlicher Präzisierungen aus Sicht von Banken- und Fondsbranche zusammengestellt:

FIDLEV

Allgemeine Bestimmungen

  • Finanzinstrumente: Der neue Art. 3 Abs. 1 FIDLEV hält explizit fest, dass Forderungen auf Konti oder Depots sowie physische Lieferungen von Fremdwährungen, Festgeldern und Edelmetallen nicht als Finanzinstrumente im Sinne des FIDLEG gelten und damit nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Die Verwaltung solcher Werte gilt dementsprechend auch nicht als Vermögensverwaltung.
  • Finanzdienstleistung: Der Terminus "Vermittlung" wurde aus dem Begriff der Finanzdienstleistung "Erwerb und Veräusserung von Finanzinstrumenten" entfernt. Diese Definition war im Vorfeld sehr kontrovers diskutiert worden. "Mit der Präzisierung des Begriffs dieser Art von Finanzdienstleistung wird klargestellt, dass Marktteilnehmer – insbesondere etwa bei der Vermarktung von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen durch in der Schweiz auftretende Vertriebsvertreter an sogenannten Road-Shows – wie bereits heute und entsprechend den Intentionen des Gesetzes […] – Verhaltenspflichten einhalten und sich neu ins Kundenberaterregister eintragen müssen." Somit ist klar, dass in Zukunft auch der "reine" Fondsvertrieb in den Geltungsbereich des FIDLEG fallen wird.
  • Segmentierung juristischer Personen: Der Begriff der "professionellen Tresorerie" ist im FIDLEG zentral, da er bei juristischen Personen eine Grundvoraussetzung ist, um als "per se" professioneller Kunde segmentiert zu werden. Die FIDLEV übernimmt grundsätzlich die Definition gem. FINMA-Rundschreiben 2008/5 "Effektenhändler". Neu wird aber explizit festgehalten, dass die "fachlich ausgewiesene, im Finanzbereich erfahrene Person", welche mit der Verwaltung der Finanzmittel betraut ist, sich auch ausserhalb des Unternehmens befinden kann.

Verhaltensregeln

  • Informations- und Rechenschaftspflichten: Die Pflicht zur Information über die Kosten wurde weiter flexibilisiert. Die bereits bestehende Bestimmung, dass nicht im Voraus oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand genau zu bestimmende Kosten auch annäherungsweise oder in Bandbreiten angegeben werden können, wurde weiter ergänzt. Wenn auch diese Angaben nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand möglich sind, so ist diese Tatsache offenzulegen und auf das Risiko zusätzlicher Gebühren, Steuern oder weiterer Kosten hinzuweisen. Im Vergleich zu den korrespondierenden Bestimmungen aus dem MiFID-Raum, enthält die FIDLEV damit äusserst pragmatische Vorschriften in Bezug auf die ex-ante und ex-post Offenlegung der Kosten.
  • Zeitpunkt und Abgabe des Basisinformationsblatt: Das Basisinformationsblatt kann den Privatkundinnen und -kunden mit deren Zustimmung auch bei Execution only-Geschäften erst nach Abschluss des Geschäfts zur Verfügung gestellt werden kann. Dies vereinfacht die Umsetzung im Retail-Geschäft erheblich.
  • Wann gilt ein Basisinformationsblatt als vorhanden? Von Finanzdienstleistern wird verlangt, dass sie von ihnen vernünftigerweise zu erwartenden Anstrengungen unternimmt, um festzustellen, ob ein Basisinformationsblatt besteht oder nicht, um es dem Kunden abgeben zu können. Dies dürfte in der Regel eine Internetsuche sein.
  • Informationspflichten über Website: In der Vorversion des FIDLEV konnte explizit nur das Basisinformationsblatt (BIB) dem Kunden über eine Webseite zur Verfügung gestellt werden. Diese Möglichkeit wurde nun auf sämtliche Informationspflichten gem. Art. 6-11 FIDLEV ausgedehnt. Dies dürfte eine willkommene administrative Erleichterung bei der Umsetzung der Informationspflichten darstellen.

Basisinformationsblatt

  • Für Finanzinstrumente, die für eine einzelne Gegenpartei besonders geschaffen werden, muss kein BIB erstellt werden.
  • Basisinformationsblatt für kollektive Kapitalanlagen darf auch auf Englisch erstellt werden. Zusammen mit den Bestimmungen bzgl. Gleichwertigkeit von Dokumenten nach ausländischem Recht wird es möglich sein, das UCITS-KIID bzw. das PRIIPs-KID von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen, die in der Schweiz vertrieben werden zu verwenden.

Werbung

  • Die Vorschriften hinsichtlich Werbung für nicht genehmigte oder nicht dem Kundenprofil entsprechende Finanzinstrumente wurden aus der FIDLEV gestrichen. Dies ist insofern überraschend, als damit eine akute Gefahr besteht, dass die spezialgesetzlichen Pflichten im Kollektivanlagengesetz (KAG), namentlich die Genehmigungs- und Vertreterpflicht, ausgehebelt werden.
    Allerdings hält der Erläuterungsbericht folgendes fest: "[…] die Anbieter von Finanzinstrumenten [müssen] sicherstellen, dass die Kunden nur diejenigen Werbedokumente einsehen können, die sie auch erwerben dürfen. Insbesondere bei Werbung im Internet ist über Zugangsbeschränkungen oder Disclaimer sicher zu stellen, dass die Dokumente nicht ohne weiteres für nicht zugelassene Kunden einsehbar sind. Dies entspricht der bisher geltenden Praxis gemäss FINMA-Rundschreiben 2013/9 Vertrieb kollektiver Kapitalanlagen, die künftig generell zur Anwendung gelangen soll."

Übergangsbestimmungen

  • "Best Execution": Für die Bestimmungen in Bezug auf Bearbeitung von Kundenaufträgen (Art. 17 FIDLEG) und Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen (Art. 18 FIDLEG) wurde in der FIDLEV (analog den restlichen Verhaltensvorschriften) eine Übergangsfrist von zwei Jahren festgelegt. Während der Vernehmlassung wurde von SIF argumentiert, die neuen Bestimmungen würden nur die aktuelle Praxis nachvollziehen, weshalb keine Übergangsfrist notwendig sei. Art. 19 (Verwendung von Finanzinstrumenten von Kundinnen und Kunden) wird aber am 1. Januar 2020 in Kraft treten.
  • Keine Regulierungslücke: Insbesondere die Fondsindustrie war über Rechtsunsicherheit während der zweijährigen Übergangsfrist besorgt, da die Verhaltensvorschriften des KAG per 1. Januar 2020 ausser Kraft gesetzt werden, die neuen Vorschriften des FIDLEG, welche diese ersetzen sollten, aber erst am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Die Übergangsbestimmungen in Art. 105 Abs. 2 FIDLEV wurden nun dahingehend angepasst, dass die Verhaltensvorschriften des KAG während der Übergangsfrist weiter Gültigkeit behalten. Ebenfalls wird festgehalten, dass bestehende Vertriebsverträge nach KAG nicht dahinfallen.

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