• Pascal Sprenger, Partner |

An seiner Sitzung von 7. März 2018 beriet der Ständerat die verbleibenden Differenzen zum Nationalrat. Die vorberatende Kommission beantragte dem Ständerat zwar, sich in vielen Punkten dem Nationalrat anzuschliessen, dennoch verbleiben nach der Diskussion einige umstrittene Differenzen:

Kundenkategorien

Der Ständerat möchte die Kundenkategorien abschliessend im Gesetz geregelt haben. Damit sprach er sich erneut gegen eine Delegationsnorm aus (Art. 4 E-FIDLEG), welche den Bundesrat ermächtigt „weitere” Kundenkategorien als „professionelle Kunden“ zu bezeichnen. Der Ständerat befürchtet, dass die Delegationsnorm ein Schlupfloch schaffen würde, das den Kundenschutz verwässern könnte. Andererseits nimmt man so dem Bundesrat auch die Möglichkeit, flexibel auf internationale Entwicklungen zu reagieren.

Prospekthaftung

Der Nationalrat überraschte den Ständerat mit einer verschuldensunabhängigen Haftung (sog. Kausalhaftung) für Fehler in Prospekten. Entgegen dieser Regelung (Art. 72 Abs. 1 E-FIDLEG) möchte der Ständerat, wie bereits der Bundesrat, eine Verschuldenshaftung vorsehen. Die Finanzdienstleister sollen sich entlasten können, wenn sie kein Verschulden trifft.

‘Grandfathering’ für Vermögensverwalter

Im FINIG wurden die Differenzen weitestgehend bereinigt. Der Bundesrat schlug vor, dass bestimmte Typen von Vermögensverwaltern nicht der Bewilligungspflicht unterliegen, sofern sie seit mindestens 15 Jahren ihre Tätigkeit ausüben und keine Neukunden annehmen(sog. Grandfathering-Klausel, Art. 70 Abs. 3 E-FINIG). Damit hat er bewusst eine Interessenabwägung zwischen ungleicher Rechtsanwendung und Bestandesschutz vorgenommen. Während der Nationalrat diese Bestimmung streichen wollte, schloss sich nun der Ständerat dem Bundesrat an. Entsprechend bleibt die Differenz bestehen. Wie gross die Bedeutung der Grandfathering-Klausel dann in der Praxis sein wird, wird sich weisen müssen. So ist schon jetzt absehbar, dass die depotführenden Banken in vielen Fällen zusätzliche Anforderungen an die Zusammenarbeit mit externen Vermögensverwaltern stellen werden, welche eine Unterstellung „faktisch“ erzwingen.

Rücktrittsrecht

Der Nationalrat schlug bei Haustürgeschäften – dazu zählen auch Telefon-Akquisen – die Abschaffung des Widerrufsrechts für Finanzdienstleistungen vor, was im Entwurf des Bundesrates nicht vorgesehen war. Dies stiess im Ständerat auf Unverständnis, weshalb er den Vorschlag verwarf. Auch Bundesrat Ueli Maurer warnte vor einer Änderung im allgemeinen Teil des Obligationenrechts. Beide befürchteten eine Verwässerung des Kundenschutzes.

Neben diesen noch offenen Differenzen sind die folgenden Bereinigungen hervorzuheben:

Abraten vom Erwerb bestimmter Finanzinstrumente

Finanzdienstleister sollen gemäss bundesrätlichem Entwurf die Pflicht haben, einem Kunden vom Erwerb eines Finanzinstrumentes abzuraten, wenn sie der Auffassung sind, dass dieses dem Kunden nicht angemessen oder nicht für ihn geeignet ist. (Art. 16 Abs. 2 E-FIDLEG). Der Ständerat wollte diese Pflicht ursprünglich durch eine einfache Warnpflicht ersetzen. Er folgt wie der Nationalrat dem Vorschlag des Bundesrates. Damit kann es zu Situationen kommen, in denen Finanzdienstleister Kunden vom Erwerb gewisser Finanzinstrumente explizit abraten müssen. Dies wird von der Branche nicht einfach umzusetzen sein, da eine pauschale „Warnung“ nicht ausreichend sein dürfte. Zudem ist ein Finanzdienstleister bei Verlusten wohl immer dem Vorwurf ausgesetzt, weshalb dem Kunden nicht aktiv von einem Investment abgeraten worden ist.

Nächste Schritte

Die Vorberatung in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) ist für die Sitzung vom 26. März 2018 vorgesehen und die Beratung im Nationalrat für die Sommersession, welche am 28. Mai 2018 beginnt. Bereinigt der Nationalrat sämtliche Differenzen, ist nicht auszuschliessen, dass das Gesetz bereits ab Januar 2019 in Kraft treten könnte. Damit die Finanzintermediäre FIDLEG und FINIG seriös implementieren können, ist jedoch primär die jeweilige Verordnung von Bedeutung, welche ebenfalls noch zuerst ausgearbeitet werden muss. Eine Inkraftsetzung vor Mitte 2019 wäre daher sicher nicht im Sinne der Branche.

Was nun?

In jedem Fall zeichnen sich bereits heute die wichtigsten Konsequenzen für die Geschäftsmodelle Schweizer Marktteilnehmer deutlich ab.

Unternehmen, die Vermögensverwaltung und Anlageberatung anbieten, tun gut daran, sich mit ihrem Leistungsportfolio und den Vergütungsarten sowie mit dem Thema Bewilligung auseinanderzusetzen. Zudem sollten Marktteilnehmer ihre Informationsflüsse analysieren und sicherstellen, dass diese jederzeit dokumentiert und nachvollziehbar sind.

Eine sorgfältige Analyse der konkreten Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle und -prozesse bildet den Ausgangspunkt für eine effiziente Implementierung. Marktteilnehmer, die MiFID II bereits ganz oder teilweise eingeführt haben, verfügen hierbei über einen Vorsprung.

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