ESG-Berichte müssen relevanter und digitaler werden

In der nichtfinanziellen Berichterstattung besteht dringender Handlungsbedarf bei den rapportierenden Schweizer Unternehmen.

80% der grössten Schweizer Unternehmen erstatten bereits Bericht über ihre nichtfinanzielle Leistung, was glauben lässt, dass sie gut gewappnet sind für kommende Herausforderungen. Doch der Eindruck trügt, wie unsere Untersuchung aufzeigt. Nachfolgend die dringlichsten Handlungsfelder, welche es anzugehen gilt.

1. Handlungsfeld: Erhöhung der Relevanz offengelegter Informationen

Schweizer Unternehmen fokussieren in ihrer Berichterstattung noch immer stark auf den eigenen Fussabdruck im Bereich Ökologie, Soziales und Ökonomie. Eine überwiegende Mehrheit der Schweizer Unternehmen wenden bspw. den GRI Standard an, welcher die Darstellung dieser «Impact-orientierten» Sichtweise ermöglicht. Die Entwicklungen auf globaler und europäischer Ebene (ISSB und ESRS), aber auch bei Rahmenwerken wie diejenigen der Task-Force for climate-related financial disclosures (TCFD) zeigen, dass ergänzende Informationen zur finanziellen und strategischen Bedeutung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungen auf das Unternehmen dringend benötigt werden, um Investoren genügend Informationen für Ihre Entscheidungen zu liefern. 

Anwendung der TCFD Empfehlungen 
Der Bedarf nach mehr Investorenrelevanz ist bei den globalen Unternehmen (G250) in unserer Studie beobachtbar. 61% der grössten 250 Firmen weltweit wenden die TCFD Empfehlungen bereits an. Vor 2 Jahren waren es noch 37%. In der Schweiz liegt man hier mit aktuell 1/3 der grössten 100 Unternehmen noch im Hintertreffen. Dies sollte sich jedoch aufgrund der zu erwartenden Gesetzgebung in der Schweiz und auch der EU rasch ändern. 

Ergänzung durch die sogenannte «Finanz-Materialität»
Eine Ergänzung der reinen «Impact»-fokussierten Berichterstattung um die sogenannte «Finanz-Materialität», soll Abhilfe verschaffen. Sie wird insbesondere in der EU unter der neuen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im «Doppelmaterialitätskonzept» explizit verankert und verlangt. In Zukunft werden Unternehmen nicht nur über ihre Emissionen und damit Auswirkungen auf den Klimawandel Rechenschaft ablegen müssen. Sie werden auch zeigen müssen, wie sie selber davon betroffen sind und wie sie darauf reagieren. Hier sind klare Aussagen gefordert, die für die Entscheidungsfindung von Investoren wesentlich sein können. Die Erhöhung der Relevanz wird für viele Unternehmen ein anspruchsvolles Handlungsfeld für die nahe Zukunft sein.

Silvan Jurt

Partner, Leiter Nachhaltigkeitsdienste für Unternehmen

KPMG Switzerland

2. Handlungsfeld: Definierte Strategien umsetzen

Mittlerweile haben 70% der grössten 100 Unternehmen in jedem untersuchten Land ihre CO2-Reduktionsziele kommuniziert. Oft wird dies bereits in Bezug zu wissenschaftlich fundierten Zielsetzungsprozessen, insbesondere gemäss SBTI getan. Durch eine immer solidere wissenschaftliche Basis, welche den Zusammenhang zwischen Gesundheitsaspekten und ökologischen Veränderungen wie dem Klimawandel stützen, steigen die rechtlichen Risiken. Aber auch die höhere Investorenrelevanz von ESG-Aspekten und die entsprechenden Zielsetzungen tragen dazu bei. Dies ist bspw. gut sichtbar im Wachstum von klimabezogenen Rechtsfällen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass Unternehmen wissenschaftlich fundierte, «wasserdichte» Ziele setzen und diese mit tangiblen und realistischen Massnahmen stützen müssen, um dem steigenden Druck bezüglich Greenwashing standhalten zu können.

3. Handlungsfeld: Verlässlich, digital und schnell rapportieren

In Zukunft gilt nicht mehr die Frage, «ob» ein Unternehmen über nichtfinanzielle Aspekte Bericht erstattet, sondern «wie». In Zukunft muss umfassend, verlässlich, digital und schnell rapportiert werden. Mehr als 200 KPIs könnten künftig für die Berichterstattung nach EU Sustainability Reporting Standard relevant sein sowie zahlreiche weitere Datenpunkte. Eine solch umfassende Berichterstattung wiederkehrend anzubieten, ist bereits eine Herausforderung an sich. Dazu steigen die Ansprüche an die Verlässlichkeit der Daten. Prozesse und Kontrollsysteme, wie sie aus dem Finanzbereich bereits bekannt sind, werden im nichtfinanziellen Bereich zunehmend eine Rolle spielen. Das die entsprechenden Daten auch digital publiziert werden müssen, entspricht nicht nur der Logik hinsichtlich der Verarbeitungsprozesse bei Investoren, sondern zunehmend auch den gesetzlichen Vorgaben. Zumindest in der EU. Unter dem Strich heisst dies, sich raschmöglichst Gedanken über Systemlösungen zu machen.

Fazit

Es wäre wünschenswert gewesen, hätten sich die Unternehmen zuerst Gedanken über die strategische Bedeutung nachhaltiger Entwicklungen für ihr Unternehmen machen können. Stattdessen erfolgt per regulatorischem Zwang nun eine Erfordernis zur Transparenz unter hohem zeitlichen Druck. Ob dies effektiv sein wird, wird sich zeigen. Daran vorbei führt jedoch kein Weg – die CSRD in der EU definiert die regulatorischen Grenzen in der nichtfinanziellen Berichterstattung neu. Dies wird auch viele Schweizer Unternehmen, unabhängig ob börsenkotiert oder privatgehalten, tangieren.

Nächste Schritte

Eine glaubwürdige ESG-Strategie und eine konkrete Nachhaltigkeits-Roadmap sind zusammen mit der Umsetzung der Compliance-Vorschriften das Fundament für eine langfristig gelungene Kommunikation. Verwaltungsräte und Management sollten jetzt damit beginnen, ihre Strategie zu überprüfen, die Relevanz der Berichte zu erhöhen, finanzielle Materialitätsüberlegungen zu berücksichtigen, Zielsetzungen zu formulieren und mit greifbaren Massnahmen zu untermauern sowie Prozesse und Systeme auf Robustheit zu überprüfen und Systemlösungen in Betracht zu ziehen. Viele Hausaufgaben in kurzer Zeit.