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Abschreibungen auf Immobilien

11-02-2020
Bald steuerlich nur noch beschränkt abzugsfähig?

Ausgangslage

Auf Liegenschaften des Anlagevermögens juristischer Personen werden Abschreibungen grundsätzlich steuerlich akzeptiert. Als Grundlage dafür dienen OR Art. 960a Abs. 3 (der nutzungs- und altersbedingte Wertverlust von Aktiven muss durch Abschreibungen berücksichtigt werden), das Massgeblichkeitsprinzip (DBG Art. 58 Abs. 1 lit. a) sowie üblicherweise auch das Merkblatt A/1995 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (nachfolgend 'ESTV'), mit welchem Normalsätze für Abschreibungen definiert werden. Eine einmal gewählte Abschreibungsmethode (z.B. linear oder degressiv) sollte zudem aus Steuersicht im Sinne der Stetigkeit und Planmässigkeit beibehalten und buchmässig ausgewiesen werden damit diese akzeptiert wird. Geschäftsmässig nicht begründete Abschreibungen können durch die Steuerbehörden basierend auf DBG Art. 58 Abs. 1 lit b. korrigiert werden. Neue Gerichtsentscheide und Praxiserfahrungen zeigen, dass diese seit Jahren vermeintlich klare Ausgangslage zu Unsicherheiten und Streitigkeiten führen kann.

Christoph Frey

Partner, Real Estate Tax

KPMG Switzerland

Ordentliche Abschreibungen

Aufgrund der teils substanziellen Wertsteigerungen von Immobilien in den letzten Jahren scheint es ein Gegensatz zu sein, wenn diese gleichzeitig in den Büchern von Gesellschaften stetig abgeschrieben werden. Gebäude altern aber auch in Zeiten von steigenden Immobilienpreisen und werden laufend abgenutzt, sodass die geschäftsmässige Begründung der ordentlichen Abschreibung aufgrund steigender Immobilienpreise grundsätzlich nicht in Frage zu stellen ist. Vor diesem Hintergrund macht es aber auch Sinn, dass Land grundsätzlich nicht ordentlich abgeschrieben werden kann (ausserordentliche Abschreibungen vorbehalten). Das ESTV Merkblatt A/1995, welches zwischen Abschreibungssätzen für Gebäude allein und Abschreibungssätzen für Gebäude und Land zusammen unterscheidet, kann in diesem Zusammenhang verwirrend sein. Während diese Präzisierung der ESTV wichtig und nötig ist (viele Steuerpflichtige führen für Immobilien oft keinen separierten Gebäude- und Landwert in ihren Büchern), verbleibt aber trotzdem die Frage bei welchem Buchwert jeder einzelnen Liegenschaft die Abschreibungsuntergrenze (entsprechend dem Landwert) festzulegen ist.

Bundesgerichtsentscheide

Das Thema beschäftigt auch die Gerichte. So wurden in den letzten Monaten folgende teils nur schwer einordbare Feststellungen durch das Bundesgericht gemacht:

  • Ordentliche Abschreibungen sind nur auf Betriebsliegenschaften denkbar, d.h. nicht auf Kapitalanlageliegenschaften oder auf Immobilien des Umlaufvermögens.

    Quelle: BGE 2C_744/2018 E 2.2 (5.8.2019). Anmerkung: das Urteil betraf eine natürliche Person / gewerbsmässiger Liegenschaftshändler.
     
  • Im Rahmen der Normalabschreibung von Liegenschaften bilden der Steuerwert bzw. Verkehrswert nicht zwingend die Untergrenze. Dies gilt auch dann, wenn Gebäude und Land in einer einzigen Bilanzposition aktiviert sind.

    Quelle: BGE 2C_814/2016 / 2C_815/2016 E 3.4.4 (26.10.2017). Anmerkung: Nachvollziehbare Feststellung.
     
  • Das System der Einzelbewertung (buchhalterisch separate Erfassung von Land und Gebäude) lässt – im Gegensatz zum System der gemeinsamen Bewertung (lediglich ein Immobilienbuchwert) – die Totalabschreibung des Gebäudes, hingegen keine Abschreibung auf dem Land zu.

    Quelle: BGE 2C_330/2017 E 3.4.1 (16.7.2018). Anmerkung: Nur schwer nachvollziehbare Feststellung. Die volle Abschreibung des Gebäudes bis auf den Landwert sollte auch bei nicht in Land- und Gebäudewert getrenntem Immobilienbuchwert möglich sein.
     
  • Eine im Jahr 1982 gekaufte Liegenschaft wurde bis 2013 ordentlich bis auf einen Wert von rund Fr. 1.4 Mio. abgeschrieben. Der Baulandwert im Jahr 2013 betrug dabei zwischen CHF 1.5 und 2.4 Mio. Zitat aus dem BGE: "Die Einschätzung der Vorinstanzen, wonach die Beschwerdeführerin mit der ordentlichen Abschreibung 'noch gut gefahren' sei, erweist sich demnach als zutreffend. Hier geht es indessen nicht in erster Linie um die Frage, ob der aktuelle Verkehrswert des Landes im Rahmen von ordentlichen Abschreibungen bei gemeinsamer Bilanzierung von Land und Gebäude unterschritten werden darf."

    Quelle: BGE 2C_330/2017 E 3.4.1/2 (16.7.2018). Anmerkung: Ungenaue Feststellung. Mit dieser Randbemerkung lässt das Bundesgericht auf eine diffuse Art offen, ob bei nicht separierter Bilanzierung von Land und Gebäudewert der aktuelle Landwert oder derjenige per Kaufdatum als Abschreibungsuntergrenze anzusetzen ist.

Unsicherheiten und Fragen

  • Gelten ordentliche planmässige Abschreibungen, die sich am ESTV Merkblatt A/1995 orientieren, nach wie vor als geschäftsmässig begründet oder müssen diese (so wie bislang nur ausserordentliche) Abschreibungen neuerdings effektiv als geschäftsmässig begründet im Einzelfall nachgewiesen werden können?

  • Ist die vollständige Abschreibung des Gebäudes noch möglich, wenn die Immobilie bislang nicht separiert als Land und Gebäude in der Bilanz geführt wurde?

  • Wie ist in der Praxis mit den Unsicherheiten umzugehen, wenn bislang Land- und Gebäudewert nicht separat bilanziert wurden?

  • Wird die Abschreibungsuntergrenze anhand des Landwerts beim Kauf oder des aktuellen Landwerts bestimmt?

Was gilt nun?

Gelten ordentliche planmässige Abschreibungen, die sich am ESTV Merkblatt A/1995 orientieren, nach wie vor als geschäftsmässig begründet oder müssen diese (so wie bislang nur ausserordentliche) Abschreibungen neuerdings effektiv als geschäftsmässig begründet detailliert im Einzelfall nachgewiesen werden können?

Die langjährige Praxis mit den gemäss ESTV publizierten Normalabschreibungssätzen als Verwaltungsverordnung hat sich bewährt. Sie dient den Steuerpflichtigen als Orientierungshilfe, garantiert eine Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen, vereinfacht den Veranlagungsprozess seitens der Steuerbehörden und wirkt nicht zuletzt auch harmonisierend im interkantonalen Verhältnis. Das Merkblatt trägt somit zur Rechtssicherheit bei. Eine Abkehr von dieser Praxis hin zu einer strikten Nachweispflicht der geschäftsmässigen Begründetheit von Abschreibungen im konkreten Fall wäre deshalb mit substanziellen Nachteilen verbunden. Die aufgrund von betriebswirtschaftlichen Überlegungen festgelegten planmässigen jährlichen Abschreibung bis auf den Residualwert eines Gebäudes sollten Nachweis genug sein. Werden dabei die moderaten ESTV Normalabschreibungssätze verwendet, sollte die geschäftsmässige Begründetheit nicht oder lediglich in seltenen Fällen hinterfragt werden. Bei der Thematik gilt es im Auge zu behalten, dass es sich bei gleichbleibenden Steuersätzen ohnehin nur um eine zeitliche Verschiebung der Steuerlast handelt.

Ist die vollständige Abschreibung des Gebäudes noch möglich, wenn die Immobilie bislang nicht separiert als Land und Gebäude in der Bilanz geführt wurde?

Es wäre eine Schlechterstellung, wenn nur wegen der Art der buchhalterischen Erfassung eine steuerliche Abschreibung verweigert würde. Sofern der Landwert im damaligen Zeitpunkt auf geeignete Art und Weise nachgewiesen werden kann (z.B. Aufteilung gemäss Kaufvertrag von Land- und Gebäudewert oder aufgrund einer professionellen Einschätzung eines Immobilienexperten), muss eine vollständige Abschreibung des Gebäudes auf dessen Residualwert möglich sein. Eine gesetzliche Grundlage zur Pflicht der separierten Bilanzierung von Land und Gebäude besteht nicht.

Wie ist in der Praxis mit den Unsicherheiten umzugehen, wenn bislang Land- und Gebäudewert nicht separat bilanziert wurden?

Es ist empfehlenswert, sich aufgrund der aktuellen Entwicklungen mit der Thematik auseinanderzusetzen. Dabei sind verschiedene Ansätze denkbar die je nach Zusammensetzung des Immobilienportfolios und der involvierten Kantone zur Anwendung kommen können. Beispielsweise sollte aber bei jedem Kauf einer neuen Liegenschaft der Land- und Gebäudewert zukünftig dokumentiert und sofern möglich diese Werte auch separat in der Bilanz erfasst werden. Für Liegenschaften, die bislang als Gesamtwert in der Bilanz erfasst wurden, sollte nachträglich eine Separierung erfolgen.

Wird die Abschreibungsuntergrenze anhand des Landwerts beim Kauf oder des aktuellen Landwerts bestimmt?

Grundsätzlich sollte bei separierter Erfassung des Land- und Gebäudewerts der damalige Landwert beim Kauf der Liegenschaft zuzüglich des voraussichtlichen Restwerts des Gebäudes als Abschreibungsuntergrenze relevant sein (bzw. das Abschreibungssubstrat bestimmt sich aus dem damaligen Gebäudewert bis zum Wert zu dem die Liegenschaft zukünftig unter ungünstigen Bedingungen aus dem Geschäft ausscheiden wird). Auch bei einer gemeinsamen Erfassung mittels eines Immobilienbuchwerts sollte dies der Fall bleiben. Der etwas lapidare Verweis des Bundesgerichts im letzten Satz von E 3.4.1. des BGE 2C_330/2017 ("noch gut gefahren") scheint missglückt zu sein. Würde man den aktuellen Verkehrswert von Land berücksichtigen, würden meist aufgrund von externen Effekten bedingte Wertzuwachsgewinne dazu führen, dass betriebswirtschaftlich sinnvolle und somit geschäftsmässig begründbare Abschreibungen aufgrund Alterung und Abnutzung eines Gebäudes gestoppt werden müssten. Die Wertsteigerung von Land heisst noch lange nicht, dass die Abnutzung des Gebäudes aufhört. Angesichts des Charakters der Normalabschreibung (gemäss ESTV Merkblatt A/1995) als eines in der Praxis generell anerkannten, einer rechtsgleichen Veranlagungspraxis mit Bezug auf die Anerkennung von ordentlichen Abschreibungen dienenden Instruments (vgl. BGE 2C 814/2016, 2C 815/2016 vom 26. Oktober 2017), obliegt die Nachweispflicht der Steuerbehörde, falls in einem konkreten Fall ein konstant deutlich zu tiefer Buchwert ausgewiesen würde. Es wäre zu wünschen, dass die Steuerbehörden in dieser Fragestellung weiterhin den objektiven betriebswirtschaftlichen Kriterien folgen und in diskutablen Fällen einen vereinfachen Expertennachweis der Land- und Gebäudewertaufteilung rückwirkend per Kaufdatum akzeptieren.

Die aktuelle Praxis der Kantone bezüglich steuerlich zulässiger Abschreibungen auf Immobilien kann der folgenden Tabelle entnommen werden (Grundinformationen). Dabei definieren einige Kantone auch explizit "die Gestehungskosten des Landes gelten als unterste Abschreibungsgrenze", ohne dabei auf die Bilanzierungsweise einzugehen:

Kantone AG / AI / AR / BE / BL / BS / FR / GE / GL / GR / JU / LU / NE / NW / OW / SG / SH / SO / SZ / TG / TI / UR / VD / VS / ZG / ZH

Fazit

Ordentliche Abschreibungen auf Anlageliegenschaften juristischer Personen sollten anhand der effektiven Lebensdauer eines Gebäudes sowie dessen Residualwerts festgelegt werden. So kann im Falle einer Diskussion mit den Steuerbehörden auch der Nachweis der geschäftsmässigen Begründetheit ohne grossen Aufwand erbracht werden. Das ESTV Merkblatt A/1995 ist für die Vielzahl der Kantone nach wie vor die Grundlage, mit welcher sie die steuerliche Zulässigkeit von Abschreibungen beurteilen. Buchwerte von Immobilien sollten nach Möglichkeit im handelsrechtlichen Abschluss von Anfang an nach Land- und Gebäudewert separiert geführt werden. Werden Land- und Gebäudewert in einer Bilanzposition geführt, ist zu empfehlen, die Aufteilung der Werte separat zu dokumentieren (der Landwert ist nicht ordentlich abschreibbar). Es ist damit zu rechnen, dass Steuerbehörden zukünftig vermehrt einen Fokus auf dieses Thema legen.