• Rinaldo Neff, Director |
  • Sandra Bütler, Expert |

Einleitung

Die meisten Schweizer Unternehmen erstellen – zumindest als Grundlage für die Steuererklärung – eine Jahresrechnung nach den Grundsätzen des Obligationenrechts (OR). Das OR erlaubt mittlerweile aber auch die Anwendung «anerkannter Rechnungslegungsstandards». Firmengruppen sind zudem ab einer gewissen Grösse dazu verpflichtet eine Konzernrechnung zu erstellen. Wird diese nach einem der anerkannten Standards wie z.B. Swiss GAAP FER oder IFRS erstellt, erfüllt sie das Prinzip von "True & Fair View", und ermöglicht eine zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage. Mit Blick auf die Steuerbewertung von Aktien solcher Gesellschaften ergeben sich spannende Fragestellungen. Auch die Ermittlung des anwendbaren Kapitalisierungszinssatz sowie die kantonal unterschiedliche Handhabung des Pauschalabzugs für Minderheitsbeteiligungen, kann die Steuerbewertung von Unternehmen bzw. den Vermögenssteuerwert für Aktionäre massgeblich beeinflussen.

Grundlage für die Bewertung nach KS 28

In der Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer (hiernach «KS 28») wird für die der Bewertung zugrundeliegenden Zahlen der Terminus «Jahresrechnung» verwendet. Einen Hinweis darauf, nach welchen Grundsätzen die Jahresrechnung erstellt werden muss, fehlt. Dies dürfte daran liegen, dass das KS 28 aus dem Jahr 2008 stammt, und somit aus der Zeit vor der Einführung des neuen Rechnungslegungsrechts. Damals mussten Gesellschaften ihre Zahlen nach den handelsrechtlichen Bestimmungen abschliessen, wodurch mit dem Begriff Jahresrechnung der handelsrechtliche Abschluss gemeint war. Das neue Rechnungslegungsrecht bietet Gesellschaften die Möglichkeit, auch anerkannte Rechnungslegungsstandards wie bspw. Swiss GAAP FER oder IFRS anzuwenden. 

Die Ausführungen im KS 28 zur Anwendung der Konzernrechnung als Basis für die Unternehmensbewertung lassen erheblichen Interpretationsspielraum offen. Folglich empfiehlt sich die Prüfung, ob die Einzelbewertung von Gruppengesellschaften (inkl. Aufrechnung stiller Reserven auf Beteiligungen) oder die Bewertung auf Basis konsolidierter Zahlen steuerlich vorteilhafter ist. In gewissen Konstellationen kann es sich lohnen, für die Zwecke der Steuerbewertung neben dem Konzernabschluss nach anerkanntem Rechnungslegungsstandard zusätzlich einen (konsolidierten) Jahresabschluss nach OR zu erstellen. 

Erfahrungsgemäss sind Steuerbehörden bei der Anwendung unterschiedlicher Bewertungsvarianten kollaborativ, wobei Stetigkeit das oberste Gebot ist! So muss die einmal gewählte Bewertungsgrundlage genauso wie die Bewertungsmethode für eine bestimmte Zeit angewendet werden.

Kapitalisierungszinssatz

Eine weitere massgebende Grösse, welche den Kurswert von Wertpapieren für Vermögenssteuerzwecke beeinflusst, ist der Kapitalisierungszinssatz. Gemäss KS 28 ergibt sich der Unternehmenswert (mit einigen Ausnahmen) aus der zweimaligen Gewichtung des Ertragswertes und der einmaligen Gewichtung des Substanzwertes. Für die Ermittlung des Ertragswerts wird der durchschnittliche Jahresgewinn (der letzten zwei oder drei Jahre, je nach Bewertungsmodell) durch den Kapitalisierungszinssatz dividiert. 

Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich zusammen aus dem Zinssatz einer risikolosen Anlage sowie der für nicht börsenkotierte Unternehmen geltenden Risikoprämie (inkl. Zuschlag für Illiquidität), und wird jährlich in der Kursliste der ESTV publiziert. Für das Steuerjahr 2021 liegt er bei 9.5%. Der Ansatz zur Herleitung des Kapitalisierungszinssatzes kann insbesondere mit Blick auf die Risikoprämie zu einem nicht sachgerechten Ergebnis führen. Dies ist bei einem überdurchschnittlich hohen Unternehmerrisiko aufgrund eines individuellen Geschäftsmodells der Fall. Einige Kantone zeigen sich bei der Evaluation des sachgerechten Zinssatzes kooperativ. 

Pauschalabzug für vermögensrechtliche Beschränkungen

Um dem beschränkten Einfluss von Minderheitsbeteiligten auf die GL und GV-Beschlüsse Rechnung zu tragen, kann der Minderheitsaktionär (Beteiligungsquote bis und mit 50%) auf dem Bruttosteuerwert seiner Aktien einen Pauschalabzug von 30% geltend machen. Dieser wird jedoch in der Regel nur dann gewährt, wenn dem Aktionär keine angemessene Dividende zugeflossen ist. Die Dividende ist für das Geschäftsjahr 2021 angemessen, wenn sie im Verhältnis zum Verkehrswert der Aktie mind. 1.8% beträgt. Dabei wird auf den Durchschnitt der in den letzten beiden Kalenderjahren bezahlten Dividenden abgestellt.

Während der Kanton Basel-Landschaft den Pauschalabzug bei einer Rendite von weniger als 3% immer zulässt, gewährt der Kanton Aargau eine generelle Reduktion des Bruttosteuerwerts von 50% (zusätzlich zum ordentlichen Pauschalabzug für Minderheitsbeteiligungen). Der Kanton St. Gallen gewährt den Pauschalabzug sogar dann, wenn der Aktionär eine angemessene Dividende erhalten hat.

Fazit

Obwohl das KS 28 die Rahmenbedingungen zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert ausführlich beschreibt, beinhalten diese in einigen Bereichen einen gewissen Ermessensspielraum. Es lohnt sich diesen im Einzelfall zu analysieren, verschiedene Varianten zu prüfen und im Austausch mit den Steuerbehörden eine sachgerechte Lösung zu finden.

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