COVID-19: Kreditportfolios von Banken COVID-19: Kreditportfolios von Banken
COVID-19 hat weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft. Die Finanzmärkte erleben einen historischen Absturz und eine weitere globale Finanz- und Wirtschaftskrise droht. Banken sind gezwungen, in verschiedenen Bereichen zu reagieren – z. B. im Liquiditätsrisikomanagement – um Engpässe zu vermeiden.
Einer der wichtigsten Aspekte aus Sicht Risikomanagement ist jedoch eine detaillierte Analyse der COVID-19 Auswirkungen auf das Kreditportfolio. Kommerzielle Kreditkunden werden demnächst zunehmend zahlungsunfähig. Bloomberg etwa berichtet Mitte März, dass in China die Hälfte aller gelisteten Einzelhandelsfirmen kollabieren könnte. Italien hat die Schliessung aller «nicht lebensnotwendigen» Unternehmen und Fabriken angeordnet; auch das Tessin schliesst die Industriebetriebe. Während die Behörden weltweit dabei sind, diese Effekte durch geeignete Gegenmassnahmen abzufedern, ist dennoch davon auszugehen, dass die Schweiz und die ganze Welt in den nächsten Wochen volkswirtschaftliche Einschränkungen erfahren werden. In der Folge können ebenfalls Privatkunden-Kredite betroffen werden, wenn sich die Krise weiter auf die Werte in den privaten Anlageportfolios oder sogar hypothekarischen Sicherheiten ausweitet. Massive Wertberichtigungen könnten bevorstehen.
Auswirkungen auf Eigenmittelsituation
Als Reaktion auf die COVID-19 Krise hat die FINMA befristete Erleichterungen z. B. bei der Berechnung der Leverage Ratio oder auch bei Risikoverteilungsvorschriften (siehe FINMA-Aufsichtsmitteilung 02/2020, 31. März 2020) erlassen. Dennoch ist mit zwei unmittelbaren Auswirkungen auf die Eigenmittelsituation der Banken zu rechnen. Einerseits haben Wertberichtigungen einen direkten Einfluss auf die anrechenbaren Eigenmittel. Andererseits haben eine Erhöhung des Ausfallsrisikos bzw. Herabstufungen der Ratings höhere Risikogewichte für Kreditpositionen zur Folge. Als Konsequenz müssen mehr Eigenmittel gehalten werden. Beide Effekte führen zu einer tieferen Eigenkapitalquote und im Extremfall zu ungenügenden (regulatorischen) Eigenmitteln. Problematische Kredite wirken sich mit gewisser Zeitverzögerung auf P&L und Eigenmittel aus. Durch den Preiszerfall bei Wertschriften ist anfänglich mit Collateral Shortfalls bei Lombardkrediten zu rechnen. Demnächst werden gefährdete Unternehmenskredite identifiziert. Hypotheken sind in der Folge gefährdet. Je früher man eine geeignete Risiko-Übersicht des eigenen Kreditportfolios hat, desto zielgerichteter kann man reagieren.
Analysen und Simulationen im Kreditportfolio-Review
Eine Besonderheit der aktuellen Krise ist ihr schlagartiges Auftreten mit unabsehbaren Entwicklungen in ungeahntem Ausmass. Banken sehen sich praktisch über Nacht mit einer völlig neuen Marktsituation konfrontiert. Bestehende Risikoanalysen zu Kreditrisiken, Expected Loss, PD und LGD Kalibrierungen, sind überholt. Es gilt nun innert kürzester Zeit die Risikolage neu einzuschätzen, um Marktentwicklungen vorauszusehen und krisengerecht reagieren zu können. Ein systematischer Kreditportfolio-Review, in dessen Rahmen mögliche Szenarien der weiteren Entwicklung der Krise analysiert werden, ist daher sehr empfehlenswert, wenn nicht Pflicht. Es sind nützliche Marktparameter zu bestimmen, welche bei der Simulation möglicher Szenarien variiert werden können. Im besten Fall lassen sich die Szenarien zu späteren Zeitpunkten flexibel anpassen, um die aktuellsten Entwicklungen zu berücksichtigen.
Mithilfe des Kreditportfolio-Reviews sollen Kreditpositionen entlang ihrer Gefährdung und Handlungsbedarf identifiziert werden. Insbesondere soll der Review aber erlauben, aus Gesamtportfoliosicht Risikokonzentrationen zu erkennen, wobei verschiedene Dimensionen betrachtet werden können, einschliesslich sektorieller und geographischer Konzentrationen bei Krediten und Sicherheiten. Daraus abgeleitet sind geeignete Massnahmen zu definieren.
In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass in naher Zukunft sowohl die Gewährsträger (insbesondere Geschäftsleitung und Verwaltungsrat) als auch die Aufsichtsbehörden einen erhöhten Fokus auf die Situation des Kreditportfolios legen werden. Umso wichtiger ist es also, eine überzeugende Analyse sowie eine klare Handlungsstrategie darlegen zu können.
Entwicklung geeigneter Gegenmassnahmen
Aus dem Kreditportfolio-Review werden gefährdete Kreditpositionen sowie Risikokonzentrationen identifiziert. Ziel ist es, frühzeitig und fokussiert die materiellen Risiken anzugehen und geeignete Massnahmen zu ergreifen wie etwa:
- Identifikation von Risiko-Kriterien und Risiko-Positionen
- Identifikation und enge Überwachung gefährdeter Kreditpositionen und Definition möglicher Gegenmassnahmen
- Überwachung von Risikokonzentrationen wie z. B. sektorielle Konzentration bei Sicherheiten
- Überwachung von Risikotreibern
- Kommunikation gegenüber Kunden, Kundenberater, Gewährsträger oder auch Regulatoren.
Lesen Sie auch unser Factsheet: Auswirkungen von COVID-19 verstehen - PDF auf Deutsch oder Englisch.