Barbara Kux ist eine sehr erfahrene Führungspersönlichkeit und Verwaltungs-/ Aufsichtsrätin mit Fokus auf Corporate Governance und Nachhaltigkeit. Im Gespräch mit Prof. Dr. Reto Eberle erläutert sie, warum Verwaltungsräte  gerade heute Chancen im Blick haben müssen, weshalb Vielfalt im  Gremium entscheidend ist, und wie Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit die Unternehmensführung beeinflussen.

      Nachfolgend finden Sie einige ausgewählte Fragen aus dem Interview. Das vollständige Interview können Sie zur Ansicht herunterladen. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

      Prof. Dr. Reto Eberle

      Partner, Mitglied des Department of Professional Practice

      KPMG Switzerland

      Frau Kux, Sie kennen als international erfahrene Führungspersönlichkeit beide Seiten der Führung, die operative und die strategische. Was zeichnet eine gute Governance in der Praxis aus?  Welche Aspekte sind aufgrund Ihrer eigenen Erfahrung zentral?

      Barbara Kux: Wir leben in einer Zeit ineinandergreifender Krisen, politisch, wirtschaftlich, ökologisch und sozial. Doch jede Polykrise birgt auch Polychancen: wachsende Märkte in Asien, Lateinamerika und Afrika, der dortige Aufstieg der Mittelschicht, neue Technologien wie KI oder Green Tech oder die alternde Bevölkerung. Peter F. Drucker sagte treffend: Die grösste Gefahr in Zeiten des Umbruchs liegt nicht im Umbruch selbst, sondern darin, mit der Logik von gestern zu handeln. Für Verwaltungsräte bedeutet dies, Risiken und Chancen ganzheitlich zu analysieren, Szenarien zu entwickeln und Resilienz zu sichern. Das habe ich bei Siemens 2011 anlässlich der Fukushima-Krise erlebt, die plötzlich globale Lieferketten massiv beeinträchtigte. Dank Transparenz über alternative Beschaffungsmöglichkeiten und dezentralen Entscheidungskompetenzen konnten wir schnell reagieren und Ausfälle in der Produktion vermeiden. Das hat dazu beigetragen, auch in einer Krise den Mitarbeitenden Zuversicht und Vertrauen zu vermitteln.

      Prof. Dr. Reto Eberle & Pälvi Pulli

      Sie beschäftigen sich seit Langem mit Nachhaltigkeit. Wird das Thema in verschiedenen Wirtschaftsräumen wie Europa, Amerika, China oder Indien unterschiedlich wahrgenommen?

      Ja, sehr. In Europa ist Nachhaltigkeit am stärksten verankert. In Wachstumsländern wie Indien, China oder auch in Afrika stehen zunächst Grundbedürfnisse wie Ernährung, Wohnen und Ausbildung im Vordergrund. Dort müssen Unternehmen ihren Lieferanten aktiv vermitteln, warum Nachhaltigkeit für Kunden wichtig ist. Wir haben das damals zum Beispiel in China bewusst geschult. Wichtig ist, Nachhaltigkeit nicht als interne Bürokratie zu begreifen, sondern als Geschäftschance. So haben wir bei Philips auf Green Lighting gesetzt, bei Siemens auf Green Tech, und selbst bei TotalEnergies neue Bereiche wie Solar, Batterien und Green Fuel aufgebaut. Nachhaltigkeit eröffnet in jedem Unternehmen Marktpotenziale, von Impact Investing im Bankensektor bis zu neuen Geschäftsmodellen in der Industrie. Das motiviert auch Mitarbeitende, weil sie sehen, dass sie an etwas Zukunftsweisendem mitwirken. Natürlich gilt es auch, intern konsequent zu handeln, von Energiemanagement über Lieferketten bis hin zur Optimierung aller Unternehmensprozesse.

      Prof. Dr. Reto Eberle & Pälvi Pulli

      Digitalisierung und KI wecken Ängste, bieten aber auch enorme Chancen. Wie sollte sich Europa in diesen Bereichen – insbesondere bei KI und Green Tech –  im globalen Wettbewerb positionieren?

      Green Tech ist ein riesiger Wachstumsmarkt. 2024 lag das Volumen bei rund 20 Milliarden US-Dollar, bis 2032 werden über 100 Milliarden erwartet. Praktisch jeder Sektor – von Gebäudetechnik über Industrie bis Mobilität – kann daran teilhaben. Europa ist hier führend, was für uns eine grosse Chance bedeutet: Wir können Geschäfte ausbauen und gleichzeitig CO2 reduzieren. Auch KI eröffnet enorme Möglichkeiten. Sie hilft, Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten und mit weniger Ressourcen mehr zu erreichen. Ein Beispiel ist ein Start-up mit Digital Twins für die Automobilindustrie. Ganze Fertigungsketten lassen sich virtuell optimieren. Solche Anwendungen beschleunigen Innovationen, verbessern Kundenkontakte und steigern Wettbewerbsfähigkeit. Jedes Unternehmen – und jedes Board – muss sicherstellen, diese Chancen aktiv zu nutzen. Gleichzeitig braucht es klare Regeln für Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und Unternehmenssicherheit, idealerweise auf europäischer Ebene.

      Pälvi Pulli

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      Interview mit Barbara Kux

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      Im Auge des Sturms - Interview mit Barbara Kux

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