• Gaurav Bhagwanani, Expert |
  • Muriel Gritsch, Expert |

Verwaltungsratstätigkeiten unterstehen u.a. vertraglichen, arbeitsgesetzlichen und sozialversicherungsrechtlichen Regeln. Haben Verwaltungsratsmitglieder Arbeitnehmerrechte? Unter gewissen Umständen qualifizieren sie als Arbeitnehmende mit entsprechenden rechtlichen und praktischen Folgen.

Einführung

Verwaltungsratsmitglieder üben ihr Mandat in einem Unternehmen aus. Oftmals hat es den Anschein, dass ein Verwaltungsratsmitglied eine arbeitnehmerähnliche Stellung innehat. Bedeutet das, dass Verwaltungsratsmitglieder Arbeitnehmerrechte haben? Warum ist es wichtig, das Rechtsverhältnis zwischen einem Unternehmen und seinen Verwaltungsratsmitgliedern zu analysieren?

Je nach Qualifikation des Rechtsverhältnisses können sich für ein Unternehmen aus Schweizer vertrags-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht verschieden erhebliche rechtliche Konsequenzen ergeben. Dieser Blog führt Sie durch diese diversen Gebiete.

Vertrag: Arbeitnehmerstatus nach schweizerischem Obligationenrecht (OR)

Steht ein Verwaltungsratsmitglied in einem Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft, hat es Arbeitnehmerrechte, z.B. auf Kündigungsschutz.

Die Beziehung zwischen einem Verwaltungsratsmitglied und der Gesellschaft muss sowohl aus gesellschafts- als auch aus vertragsrechtlicher Sicht beurteilt werden (sog. "duales Verhältnis"). Zur Abgrenzung des Vertragsverhältnisses hat das Bundesgericht in letzter Zeit vor allem das Arbeits- oder Auftragsrecht (bzw. Elemente davon) angewendet. Ein Arbeitsverhältnis kann z.B. entstehen, wenn ein amtierendes Verwaltungsratsmitglied gleichzeitig eine operative Funktion im gleichen Unternehmen übernimmt oder wenn neue Arbeitnehmende zusätzlich in den Verwaltungsrat gewählt werden. Nachfolgend werden die wichtigsten Kriterien für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses aufgeführt:

  • Subordinationsverhältnis (Hauptkriterium; unterliegt eine Person der Kontrolle und den Weisungen des Unternehmens bzw. des Gesamtverwaltungsrates des Unternehmens; ist eine Person in personeller, organisatorischer und zeitlicher Hinsicht abhängig und in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliedert?)
  • Arbeitsleistung
  • Dauerschuldverhältnis
  • Entgeltlichkeit

Ob diese Kriterien, insbesondere das Subordinationsverhältnis, erfüllt sind, muss anhand des Einzelfalls entschieden werden. Hat ein Verwaltungsratsmitglied Arbeitnehmerrechte (z.B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall), könnten weitere (rückwirkende) Lohn- und Ferienansprüche geltend gemacht werden, was das Unternehmen einem Risiko aussetzt.

Arbeitnehmerstatus nach dem schweizerischen Arbeitsgesetz (ArG)

Stellen Sie sich beispielsweise vor, eine schwangere Verwaltungsrätin ist aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht in der Lage, ihre regulären Verwaltungsratsaufgaben zu erfüllen. Wenn sie im Sinne des ArGs als Arbeitnehmerin qualifiziert, fällt sie unter die Schutzbestimmungen für schwangere Frauen. Ein weiteres Beispiel ist, dass virtuelle Verwaltungssitzungen mit internationalen Kollegen nicht für z.B. 5:15 Uhr oder 23:15 Uhr angesetzt werden können, da das ArG Nachtarbeit grundsätzlich verbietet. 

Das ArG wendet seine eigene und im Vergleich zum OR weit gefasste Arbeitnehmerdefinition an, indem es die folgenden Hauptkriterien aufstellt:

  • Eine Person ist ständig oder vorübergehend während eines Teils oder der gesamten Arbeitszeit in einem Betrieb beschäftigt, der dem ArG unterliegt.
  • Eine Person muss bei der Ausübung einer Tätigkeit einer bestimmten Arbeitsorganisation unterstellt sein.
  • Die Arbeit muss in persönlicher Unterordnung erfolgen, d.h. die Arbeit muss weisungsgebunden ausgeführt werden.

Auch hier muss die Arbeitnehmerqualifikation individuell beurteilt werden. Ausserdem kann ein Verwaltungsratsmitglied, selbst wenn es als Arbeitnehmer/-in im Sinne des ArGs qualifiziert, eine höhere leitende Tätigkeit innehaben, wodurch es wiederum weitgehend vom Arbeitsgesetz ausgenommen ist (mit Ausnahme von Gesundheitsschutzvorschriften, insbesondere während der Schwangerschaft). Kurzum haben Mitarbeitende eine solche Position inne, die u.a. aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen über weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügen und/oder Entscheidungen von erheblicher Tragweite massgeblich beeinflussen können. Dies hängt weitgehend von der Struktur des Verwaltungsrats ab. Daher ist eine eingehende Beurteilung von entscheidender Bedeutung, da die Nichteinhaltung des ArGs zu Bussen für das Unternehmen führen kann. Schliesslich kann eine Verwaltungsrätin, die ihre Tätigkeit vor dem Ende ihres Mutterschaftsurlaubs wieder aufnimmt, unter Umständen ihren Mutterschaftsentschädigungsanspruch verlieren.

Arbeitnehmerstatus aus Sicht des Schweizer Sozialversicherungsrechts

Das schweizerische Sozialversicherungsrecht unterscheidet generell zwischen unselbständig (Arbeitnehmenden) und selbständig Erwerbenden (Selbständige). Grundsätzlich gilt: Sofern das Verwaltungsratsmandat nicht im Wesentlichen im Rahmen einer Arbeitstätigkeit für einen Dritten ausgeübt wird (z.B. Mandat zur Vertretung eines Dritten im Verwaltungsrat des Unternehmens), gilt jede Vergütung eines Verwaltungsratsmitglieds als (Arbeitnehmer-)Lohn und muss als solcher abgerechnet werden. Eine falsche Statusqualifikation kann für das Unternehmen rückwirkende Sozialversicherungsbeiträge für in der Regel bis zu fünf Jahre auslösen, weshalb eine sorgfältige Prüfung unerlässlich ist. Wenn ein Verwaltungsratsmitglied (auch) im Ausland arbeitet und/oder lebt, wird der Sozialversicherungsstatus durch internationale Abkommen und nationale Vorschriften bestimmt.

Zusammenfassung

Ob ein Verwaltungsratsmitglied aus vertrags-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht als Arbeitnehmer/-in zu qualifizieren ist, muss von Fall zu Fall beurteilt werden, um Risiken zu vermeiden. Wenn ein Verwaltungsratsmitglied als Arbeitnehmer/-in gilt, kann es (rückwirkend) bestimmte Arbeitnehmerrechte gegenüber dem Unternehmen geltend machen oder das Unternehmen muss potentiell mit Sanktionen wegen Nichteinhaltung von Vorschriften rechnen. Daher ist es wichtig, bei der Ausgestaltung solcher Gremien besondere Aufmerksamkeit walten zu lassen und in komplexen Situationen die Hilfe von Experten in Anspruch zu nehmen – insbesondere im internationalen Umfeld.

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