Die Europäische Union hat am 30. Mai 2024 neue Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erlassen. Die Geldwäscheverordnung erweitert den Kreis der geldwäscherechtlich Verpflichteten ab 2027 auch um Crowdfunding-Provider. Die neuen Anforderungen sorgen für akuten Handlungsbedarf.
Crowdfunding als alternative Finanzierungsform
Crowdfunding (zu Deutsch „Schwarmfinanzierung“) hat in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Nach Informationen des deutschen Bundesverbands Crowdfunding e.V. gab es im März 2023 in Europa fast 600 Crowdfunding-Plattformen, davon mehr als 100 allein in der Bundesrepublik. Durchschnittlich wickelten diese Plattformen im Jahr 2022 ein Volumen von 19 Millionen Euro ab, was einer Steigerung von 17 Prozent zur Vorperiode entspricht. Branchenweit werden damit Milliardenbeträge verschoben.
Auf Crowdfunding-Plattformen werden Projekte präsentiert und beworben mit dem Ziel, diese Vorhaben durch kleinteilige Investments zahlreicher Anlegerinnen und Anleger („Crowd“) zu finanzieren. Die Beteiligungsmöglichkeiten lassen sich im Wesentlichen in vier Modelle unterscheiden:
- Crowdinvesting: Geldgeberinnen und Geldgeber erhalten eine Beteiligung an künftigen Gewinnen eines Projekts oder, wenn das Investment mit Wertpapieranlagen verbunden ist, Anteile oder Schuldinstrumente.
- Crowdlending: Geldgeberinnen und Geldgeber erhalten einen anteiligen Rückzahlungsanspruch aus einem Darlehensvertrag zwischen dem Projektträger und einem Kreditinstitut.
- Gegenleistungsbasiertes Crowdfunding: Geldgeberinnen und Geldgeber erhalten eine symbolische, nicht-monetäre Gegenleistung, beispielsweise persönliche Gegenstände einer Künstlerin oder eines Künstlers.
- Spendenbasiertes Crowdfunding: Geldgeberinnen und Geldgeber spenden für ein konkretes Projekt, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erhalten.
Unternehmen nutzen Crowdfunding als alternative Finanzierungsform, wenn sie die erforderlichen Mittel für das Realisieren ihrer Vorhaben nicht auf herkömmliche Weise einwerben können oder wollen. Crowdfunding eignet sich beispielsweise für frühe Finanzierungsrunden von Start-Up-Unternehmen („Seed-Phase“). Es wird eine Mindestsumme definiert, die in einem bestimmten Zeitraum erreicht werden muss. Scheitert dies, erhalten die Anlegerinnen und Anleger bereits eingebrachte Geldbeträge zurück.
Terrorismusfinanzierung durch Crowdfunding
Die Financial Action Task Force hat in einem Bericht aus dem Jahr 2023 auf die Risiken des Missbrauchs von Crowdfunding-Diensten zu Zwecken der Terrorismusfinanzierung hingewiesen. Dies betrifft insbesondere das spendenbasierte Crowdfunding. Das arbeitsteilige Crowdfunding-Modell kann dazu führen, dass Überwachungsmaßnahmen fehlen oder nicht ineinandergreifen. Der Missbrauch von Crowdfunding durch Kriminelle wird zudem durch das heterogen ausgestaltete Aufsichtsregime sowie die mangelnde Transparenz hinsichtlich der Identität von Projektträgern begünstigt. Die meisten Crowdfunding-Plattformen benötigen für ihre Tätigkeit keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und sind dem „Grauen Kapitalmarkt“ zuzuordnen.1 Hierdurch wird es dubiosen Anbietern erleichtert, ihre Produkte zu vertreiben oder Gelder zu veruntreuen. Zudem unterliegen diese Anbieter nicht den gesetzlichen Sicherungseinrichtungen. So mussten beispielsweise bei der Pleite der deutschen Restaurantkette COA Anlegerinnen und Anleger einen Verlust von 1,5 Millionen Euro in Kauf nehmen.
Als Reaktion auf die festgestellten Risiken hat der europäische Gesetzgeber entschieden, Schwarmfinanzierungsdienstleister in den Kreis der geldwäscherechtlich verpflichteten Unternehmen aufzunehmen.
Barbara Scheben
Partner, Audit, Regulatory Advisory, Head of Forensic, Head of Data Protection
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Erweiterung des Verpflichtetenkreises
Nicht alle Formen von Crowdfunding fallen dabei in den Anwendungsbereich der neuen Verordnung. Verpflichtet werden demnach juristische Personen, die Schwarmfinanzierungsdienstleistungen anbieten. Unter Schwarmfinanzierungsdienstleistung versteht der Verordnungsgeber dabei das Zusammenführen von Geschäftsfinanzierungsinteressen von Anlegenden einerseits und Projektträgern andererseits mithilfe einer Crowdfunding-Plattform durch eine der folgenden Tätigkeiten2:
- das Vermitteln von Krediten,
- das Platzieren von übertragbaren Wertpapieren und für Schwarmfinanzierungszwecke zugelassenen Instrumenten, die von Projektträgern oder einer Zweckgesellschaft ausgegeben wurden sowie
- die Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen in Bezug auf diese übertragbaren Wertpapiere und für Schwarmfinanzierungszwecke zugelassenen Instrumente.
Darüber hinaus verpflichtet der Gesetzgeber auch Schwarmfinanzierungsvermittler. Hierzu zählen Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit darin besteht, über ein internetgestütztes Informationssystem, das für die Öffentlichkeit oder eine begrenzte Anzahl von Geldgebenden zugänglich ist, die Zusammenführung von Projektträgern und Geldgebenden zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Insbesondere das spendenbasierte Crowdfunding ist somit von den neuen Regelungen ausgenommen. Ob hierdurch dem Ansatz der Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung ausreichend Genüge getan wird, kann bezweifelt werden.
Die neuen Anforderungen im Überblick
Auf Anbieter und Vermittler von Crowdfunding kommen umfassende Anforderungen zu. Zu ihren neuen Pflichten gehören unter anderem
- das Durchführen einer Risikoanalyse zum Identifizieren und Bewerten der spezifischen Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
- das Ausarbeiten von internen Richtlinien, Verfahren und Kontrollen
- das Einrichten einer Compliance-Funktion und
- das Melden von Verdachtsfällen an die Financial Intelligence Unit
Das Risikomanagement des Verpflichteten muss dabei künftig nicht nur Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern, sondern auch, dass gezielte finanzielle Sanktionen nicht umgesetzt oder umgangen werden. Zunächst ermitteln die Verpflichteten ihre individuelle Risikoexposition, um auf dieser Basis (gruppenweite) Sicherungsmaßnahmen einzurichten und hiermit das Residualrisiko auf ein angemessenes Niveau zu reduzieren. Der Geldwäschebeauftragte verantwortet die Umsetzung und Steuerung des Risikomanagements und berichtet diesbezüglich regelmäßig an das verantwortliche Mitglied der Leitungsebene („Compliance-Manager“) und das Aufsichtsorgan. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere bei der Entscheidung, ob ein Verdachtsfall an die zuständige Behörde zu melden ist, ist er dabei weitgehend unabhängig. Er greift dafür auf eine dedizierte Anti-Geldwäsche-Organisation zurück, die mit angemessenen finanziellen und personellen Mitteln auszustatten ist.
Eine besondere Bedeutung spielen die Kundensorgfaltspflichten. Für Crowdfunding-Provider sind Kunden natürliche oder juristische Personen, die Finanzmittel suchen („Projektträger“) oder bereitstellen („Anleger“). Bei Begründung der Geschäftsbeziehung müssen Verpflichtete ihre Kunden sowie deren wirtschaftliche Eigentümer identifizieren und die Geschäftsbeziehung einschließlich der in ihrem Verlauf durchgeführten Transaktionen risikoorientiert und kontinuierlich überwachen.
Es ist davon auszugehen, dass die Pflicht bereits beim Registrieren dieser Personen auf der Plattform und damit der Möglichkeit der Beteiligung an Projekten entsteht. Das ist unabhängig davon, ob in diesem Zusammenhang eine Gebühr zu entrichten ist oder ob sich die Plattform ausschließlich durch eine anteilige Beteiligung an erfolgreich vermittelten Geschäften finanziert. Eine einmal erfolgte Identifizierung kann anschließend für weitere Beteiligungen wiederverwendet werden, sodass nicht jede Vertragsvermittlung automatisch die erneute Anwendung der Sorgfaltspflichten zur Folge hat.
Ausblick und Handlungsbedarf
Noch haben Crowdfunding-Provider Zeit, sich auf ihre neuen Pflichten vorzubereiten. Die Verordnung gilt ab 10. Juli 2027. Da Crowdfunding-Provider bisher keine geldwäscherechtlichen Pflichten erfüllen mussten, sollten sie sich bereits frühzeitig auf den neuen Anforderungskatalog vorbereiten. Denn insbesondere das erstmalige Durchführen einer Risikoanalyse und das Aufsetzen eines angemessenen und wirksamen Risikomanagementsystems gestalten sich in der Praxis oft als komplex und aufwändig, denn hierfür gilt es initial, die erforderlichen Strukturen, Personal- und Sachressourcen sowie Datenbestände einzurichten.
Die Expertinnen und Experten von KPMG stehen Ihnen bei allen Fragen rund um das Verhindern von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gern zur Verfügung.
1 BaFin-Artikel (22. November 2023) „Crowdfunding“, aufrufbar unter: https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/GeldanlageWertpapiere/GrauerKapitalmarkt/Crowdfunding/crowdfunding_node.html (zuletzt aufgerufen am 26. September 2024).
2 Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit lit. e. der Verordnung (EU) 2020/1503 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen.