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Die aktuelle handelspolitische Lage zwischen den USA und der Europäischen Union hat erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Automobilindustrie. Eine Übersicht der aktuellen Lage, der vermutlichen Auswirkungen und unsere Handlungsempfehlungen haben wir hier für Sie zusammengefasst: 

Zur aktuellen Lage

Der US-Markt ist von zentraler Bedeutung für deutsche Automobilhersteller: Fast jedes zweite Fahrzeug in den USA wird importiert, rund 60Prozent der Teile in US-gefertigten Fahrzeugen stammen aus dem Ausland. Deutschland ist mit einem Anteil von 13,1 Prozent der bedeutendste Autoexporteur der EU in die USA, gefolgt von Großbritannien und Frankreich. BMW verkaufte 2024 knapp 400.000 Fahrzeuge in den USA – etwa ein Fünftel des Gesamtabsatzes. Porsche erzielte dort fast ein Drittel seines Gesamtabsatzes. Volkswagen, Audi und Mercedes-Benz verzeichneten in Nordamerika einen Verkaufsanteil von jeweils 12 bis 15 Prozent.

Diese starke Marktverflechtung steht nun unter Druck: Die US-amerikanische Regierung unter Präsident Donald Trump hat zum 3. April 2025 ihre Einfuhrzölle auf Automobile deutlich erhöht. Ein neuer Zusatzzoll von 25 Prozent (US Section 232) kommt zu den bereits bestehenden Abgaben hinzu. Betroffen sind alle Fahrzeuge und Fahrzeugteile, die weder in den USA produziert wurden noch im Rahmen des Freihandelsabkommens mit Kanada oder Mexiko (USMCA) als Ursprungserzeugnisse gelten. Für Pkws aus der Europäischen Union bedeutet dies eine Erhöhung des Zollsatzes von bisher 2,5 Prozent auf nunmehr 27,5 Prozent. Bei Pick-ups und leichten Nutzfahrzeugen steigt der Zollsatz sogar von 25 Prozent auf 50 Prozent. 

Seit dem 5. April 2025 gilt außerdem für alle Importe aus der EU ein "reziproker Zollsatz" von 10 Prozent, der zusätzlich zu den bestehenden US-Zöllen erhoben wird. Eine weitere Anhebung von 20 Prozent ist vorgesehen, wurde jedoch um 90 Tage verschoben, um Zeit zu schaffen, gemeinsam mit der EU eine Einigung zum Handelskonflikt zu finden. Von den reziproken Zöllen ausgenommen sind jedoch Fahrzeuge und Fahrzeugkomponenten, für die bereits die Zusatzzölle in Höhe von 25 Prozent im Rahmen von US Section 232 erhoben werden. 

Dennoch betreffen die neuen reziproken Zölle auch Komponenten der Automobilindustrie, die branchenübergreifend zum Einsatz kommen – etwa Batterien, Motoren, Getriebe und elektrische Bauteile. Als Reaktion auf diese Entwicklungen stoppte beispielsweise Audi bereits sämtliche Fahrzeugimporte in die USA. 

Weiter verschärft wird die Situation durch zusätzliche 25-Prozent-Zölle auf Produkte aus Mexiko, was ebenfalls zahlreiche Fahrzeuge deutscher OEMs betrifft, die ausgehend von Mexiko den US-Markt beliefern. Zudem hat US-Präsident Trump den Austritt der Vereinigten Staaten aus dem Handelsabkommen USMCA angekündigt und bereits Maßnahmen gegen Importe aus Kanada und Mexiko eingeleitet. Ein Austritt der USA aus der Welthandelsorganisation (WTO) steht ebenfalls im Raum. Das Angebot der Europäischen Kommission eines "Null-für-Null"-Tarifabkommens zur Konfliktentschärfung wurde von den USA bisher abgelehnt.

Die Auswirkungen auf die Automobilbranche

Die Folgen für deutsche Autohersteller sind erheblich. Die größten Unternehmen der Branche könnten ein Viertel des geplanten operativen Gewinns verlieren. Zudem drohen indirekte Effekte: etwa durch die Umleitung ursprünglich für den US-Markt bestimmter Produkte nach Europa – mit potenziellen Marktverwerfungen als Folge. 

Eine aktuelle Erhebung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) zeigt: 86 Prozent der mittelständischen Automobilfirmen erwarten Auswirkungen durch die neuen US-Zollmaßnahmen. 54 Prozent befürchten indirekte Konsequenzen durch Kunden- und Lieferantenbeziehungen und etwa ein Drittel (32 Prozent) rechnet mit unmittelbaren Beeinträchtigungen ihrer Geschäftstätigkeit. Hinzu kommt eine erhöhte Wechselkursvolatilität und eine steigende Inflationsgefahr in den USA, welche die Kalkulations- und Investitionssicherheit deutscher Unternehmen weiter gefährdet. 

Deutsche OEMs produzieren derzeit rund 1,6 Millionen Fahrzeuge pro Jahr in den USA, von denen etwa die Hälfte dort verkauft wird. Etwa 500.000 Fahrzeuge werden zusätzlich jährlich aus Europa importiert und wären massiv von den neuen Zöllen betroffen. Dies könnte Preiserhöhungen von bis zu 6.400 US-Dollar pro Fahrzeug zur Folge haben. 

Kurzfristige Anpassungen der Lieferketten erscheinen aufgrund begrenzter Produktionskapazitäten und des angespannten Arbeitsmarkts in den USA kaum realistisch. Investitionen in neue US-amerikanische Produktionskapazitäten, also dem eigentlichen Ziel der aktuellen US-Zollpolitik, können durch die begrenzte Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräften und die Unsicherheit infolge protektionistischer Maßnahmen in ihrem erwarteten Umfang und Tempo deutlich gehemmt werden.

Trotz dieser erheblichen Herausforderungen ergeben sich auch Chancen für deutsche Automobilunternehmen. Beispielsweise könnten Hersteller mit etablierter Produktion in den USA durch verstärkte lokale Wertschöpfung Wettbewerbsvorteile erzielen und von geplanten US-Unternehmenssteuersenkungen profitieren. Luxusmarken sind aufgrund ihrer Kundensegmente in einer günstigeren Position, zusätzliche Kosten über höhere Preise an Verbraucher:innen weiterzugeben.

Zudem bietet die aktuelle Situation Anreize, Lieferketten umfassend zu diversifizieren und Resilienz gegenüber zukünftigen Handelsrisiken zu schaffen. Die Zollpolitik könnte auch eine notwendige Kurskorrektur in der deutschen Automobilindustrie im Inland beschleunigen und eine Abkehr vom bisherigen Fokus auf das EV-Luxussegment, also den Markt für hochpreisige Elektrofahrzeuge, anstoßen. Erste Schritte in diese Richtung zeigen sich bereits durch die Vorstellung preisgünstigerer Elektromodelle der OEMs.

Unsere Handlungsempfehlungen

Im aktuellen Handelskonflikt zwischen den USA und der EU ist es für Unternehmen essenziell, Transparenz in ihren Lieferketten zu schaffen, um Risiken effektiv zu identifizieren und schnell zielgerichtete Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen. Eine korrekte zolltarifrechtliche Einreihung und die Bestimmung des handelsrechtlichen Warenursprungs sind entscheidend – sie bilden die Grundlage für die Anwendung von Zusatzzöllen und anderen handelspolitischen Maßnahmen. 

Um Compliance-Verstöße und Sanktionen zu vermeiden, sollten Unternehmen ihre Waren korrekt einreihen und den Ursprung rechtssicher bestimmen. In bestimmten Fällen kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, Produkte vor dem Export in die USA weiterzuverarbeiten. Höher verarbeitete Produkte können – abhängig von der Art der US-Maßnahme – unter Umständen mit geringeren Zusatzzöllen belegt sein. 

Jedoch wird dringend davon abgeraten, die zolltarifrechtliche Einreihung oder den Warenursprung gezielt zu gestalten, um US-Maßnahmen zu umgehen. Die US-Zollbehörden sind angewiesen, solche Umgehungsversuche streng zu verfolgen und zu sanktionieren. Die jüngsten Ankündigungen der USA zur Erweiterung der Zusatzzölle, etwa im Bereich der Solarpanels aus Südostasien, verdeutlichen, dass die Regierung Ausweichmanöver im Warenverkehr konsequent unterbinden will. 

Was also ist jetzt der richtige Weg für Unternehmen der Automobilindustrie? In diesen volatilen Zeiten könnten Unternehmen durch Investitionen in lokale Produktionsstätten in den USA und den Aufbau einer US-Zulieferindustrie eine mögliche Lösung finden. Dennoch sollten die Gesamtumstände sorgfältig abgewogen werden, da eine vollständige Abkehr von der Globalisierung Synergien, insbesondere in der Automobilindustrie, gefährden könnte. 

Ein ausgewogener Ansatz, der den US-Fußabdruck erhöht und gleichzeitig die Lieferketten diversifiziert, ist entscheidend für den Erfolg. Auch unter Berücksichtigung der bereits eingeleiteten Entkoppelung der Märkte in Bezug auf Schlüsseltechnologien kann ein verstärktes Engagement im US-Markt vorteilhaft sein. 

Unternehmen können zusätzlich ungenutzte Potenziale ausschöpfen, um Zusatzzölle zu senken, indem sie ihre Transferpreis- und Zollwertstrategien überprüfen. Die Nutzung spezifischer Zollverfahren und Freizonen kann helfen, Zusatzzölle auf Waren zu vermeiden, die nicht für den US-Markt bestimmt sind, sondern in der Produktion von US-Exportwaren verwendet werden. 

Da sich die politischen Rahmenbedingungen stetig ändern, ist eine enge Abstimmung mit dem Lieferanten- und Kundennetzwerk auf beiden Seiten des Atlantiks unerlässlich, um den Warenverkehr zu sichern. Dabei sollte stets das Gesamtbild im Blick behalten werden – nicht nur der Fokus auf US-Zusatzzölle.

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