Dass KI- sowie Automatisierungs-Tools immer mehr Einzug in die Finanzabteilungen halten, ist grundsätzlich keine erwähnenswerte Neuigkeit, wenn auch nicht minder aktuell.
In früheren Artikeln, wie "Treibstoff für das Treasury - KPMG in Deutschland" (Ausgabe 136), haben wir uns nach einer ausführlichen Begriffsabgrenzung bereits mit einem Überblick über den Einsatz verschiedener KI- und Automatisierungs-Tools beschäftigt. Heute widmen wir uns konkret systemgestützten KI- und Automatisierungs-Möglichkeiten, die zur Optimierung des Cash Managements beitragen.
Diese Technologien führen nicht nur zur Effizienzsteigerung, sondern minimieren auch Fehler und sorgen für eine konsistente und transparente Abwicklung. Gleichzeitig müssen jedoch Sicherheitsrisiken berücksichtigt und mitigiert werden.
Erfahren Sie in diesem Artikel, wie Ihr Unternehmen durch den gezielten Einsatz dieser Technologien sein Cash Management optimieren kann und welche Sicherheitsmaßnahmen notwendig sind, um die Vorteile der KI-Technologie sicher zu nutzen.
Workflow-basierte Automatisierungen
Workflow-basierte Automatisierungen bieten erhebliches Optimierungspotenzial im Cash Management, indem sie manuelle und zeitaufwändige Prozesse effizienter gestalten. Unterschiedliche Tools ermöglichen es, komplexe Arbeitsabläufe zu automatisieren und zu standardisieren, was zu einer erheblichen Verbesserung hinsichtlich der Effizienz und Genauigkeit führt.
Betrachtet man beispielsweise den Prozess des manuellen Zahlungsverkehrs, der traditionell mehrere manuelle Schritte umfasst: Eine Person erstellt die Zahlung, eine andere prüft sie fachlich, und eine dritte und vierte Person geben die Zahlung frei. Zumeist stecken hinter diesen Prozessschritten mehrere Systembrüche und teils noch papierbasierte Zwischenschritte. Die Notwendigkeit einer manuellen Zahlung kann durch spezielle Steuerzahlungen (ohne Zahlformat), HR Zahlungen oder sonstige nicht im Standardprozess abgebildete Zahlungen entstehen. Nicht selten sind dann auch noch Unterschriften auf Papier zu leisten um den Prozess „compliant“ abzubilden. Dies führt zu einem hohen Ressourceneinsatz und eine optimale Abbildung im Treasury Management System ist nicht gegeben.
Durch den Einsatz von Workflow-basierten Automatisierungen können alle diese Schritte nahtlos und effizient durchgeführt werden. Mit speziellen Tools wird beispielsweise eine Zahlungsanforderung erstellt und automatisch an den nächsten Bearbeiter weitergeleitet. Jeder Bearbeiter erhält Benachrichtigungen, wenn eine Aufgabe (z.B. Freigabe) ansteht, und das System verfolgt den Fortschritt jeder Aufgabe. Dies reduziert die Bearbeitungszeit und minimiert das Risiko menschlicher Fehler. Der Einsatz eines Workflow-Tools ermöglicht somit die Automatisierung von End-to-End-Prozessen. Gut ausgeprägte und integrierte Treasury-Management-Systeme (TMS) können diese Funktionen hervorragend abdecken. Der gesamte Zahlungsprozess von der Erstellung bis zur Freigabe wird automatisiert und sichergestellt, dass alle notwendigen Schritte eingehalten werden. Dies führt zur Standardisierung des Prozesses und damit einer erheblichen Zeitersparnis.
Durch die Implementierung von Workflow-basierten Automatisierungen im Cash Management können Unternehmen ihre Prozesse optimieren und die Effizienz steigern. Die Automatisierung reduziert die Anzahl der manuellen Eingriffe, minimiert Fehler und Risiken und sorgt für eine transparente Abwicklung und compliance-sichere Dokumentation.
Process Mining
Process Mining ist eine innovative Technologie, mit deren Hilfe Prozesse im Unternehmen detailliert analysiert werden. So läuft Process Mining im Hintergrund und analysiert beispielsweise, wie lange verschiedene Aufgaben dauern, welche Prozessschritte notwendig sind und wie stringent die Arbeitsabläufe sind. Die tatsächlichen Aktivitäten werden erfasst und visualisiert, indem das Programm Daten aus den IT-Systemen extrahiert und in übersichtliche Prozessmodelle umwandelt. Dies ermöglicht es, die Anzahl der verschiedenen Tätigkeiten und deren Abfolge zu identifizieren und zu bewerten.
Ein konkretes Beispiel im Cash Management ist die Analyse des Zahlungsverkehrsprozesses. Ein dezidiertes Process Mining-System kann aufzeigen, wie lange es dauert, bis Zahlungen genehmigt und ausgeführt werden, welche Schritte dabei durchlaufen werden und wo mögliche Engpässe oder Verzögerungen auftreten. Durch diese detaillierte Analyse werden wertvolle Einblicke gewonnen, wie ineffiziente Prozessschritte optimiert werden können.
Die Tools ermöglichen es, Prozesse kontinuierlich zu überwachen und zu verbessern. Durch die Integration von Process Mining in das Cash Management können Unternehmen daher nicht nur ihre Effizienz steigern, sondern auch die Genauigkeit und Zuverlässigkeit ihrer Finanzprozesse verbessern.
Robotic Process Automation (RPA)
Die neuesten Entwicklungen im Bereich Robotic Process Automation (RPA) bieten ebenfalls Optimierungsmöglichkeiten für das Cash Management. Durch den Einsatz von RPA-Tools können repetitive und zeitaufwändige Aufgaben automatisiert werden, was zu einer signifikanten Effizienzsteigerung und Fehlerreduktion führt.
RPA Tools können einfach genutzt werden, da mithilfe von Aufzeichnungen Prozesse nachgebaut werden. Einfache und repetitive Arbeitsabläufe (auch mit verschiedenen vorgegebenen Entscheidungen) sowie zeitkritische oder langwierige Prozesse können so durch einen Bot durchgeführt werden. Ein zusätzlicher Vorteil gegenüber herkömmlichen Makros ist die einfachere Handhabung sowie die Möglichkeit in verschiedenen Systemen zu arbeiten. Denn RPAs sind systemübergreifend anwendbar, da sie über das sogenannte Front-End arbeiten und Arbeitsabfolgen automatisieren können, solange diese hinreichend starr ablaufen. Die Abarbeitung kann nach Zeitplan oder in Abhängigkeit von Ereignissen erfolgen. Ein Beispiel für die Anwendung von RPA im Cash Management wäre beispielsweise das aufwändige Übertragen von Währungskursen bei Landeszentralbanken in das ERP System.
Ein Vorteil von RPA ist die Minimierung menschlicher Fehler und die Standardisierung des Prozesses. Bei der Erstellung des Bots ist eine Prozessoptimierung als Nebeneffekt oftmals zu beobachten. Durch die Automatisierung der Prozesse wird nicht nur die Genauigkeit erhöht, sondern auch wertvolle Zeit gespart.
Unter dem Einsatz eines RPA Tools können diese Automatisierungen einfach und effizient umgesetzt werden. Das Tool ermöglicht es systemübergreifende Prozesse zu optimieren. Zusammengefasst führt dies zu einer verbesserten Datenqualität und einer schnelleren Verarbeitung, was letztlich zu einer optimierten Entscheidungsfindung im Cash Management beiträgt.
Machine Learning
Machine Learning (ML) wird im Vergleich zu den oben genannten Technologien der KI zugeordnet. Diese wird im Cash Management insbesondere bei der Verarbeitung von Kontoauszügen eingesetzt. Durch die Verwendung von ML-Technologien können Unternehmen ihre Prozesse automatisieren und die Effizienz sowie Genauigkeit ihrer Finanztransaktionen verbessern.
Ein Beispiel für die Anwendung von Machine Learning im Cash Management ist die automatisierte Verarbeitung von Kontoauszügen und Avisen in ERP-Systemen. Verschiedene Tools auf dem Markt bieten Lösungen, die ML nutzen, um Kontoauszüge und Zahlungsavise automatisch zu verarbeiten. Diese Technologien analysieren die Daten, erkennen Muster und lernen kontinuierlich dazu, um die Zuordnung von Zahlungen zu offenen Posten zu verbessern.
Die SAP S/4HANA Cloud bietet ebenfalls Funktionen, die Machine Learning für die Verarbeitung von Kontoauszügen nutzen. Hierbei sind zudem keine komplexen Datenübertragungen über Schnittstellen zwischen speziellen Lösungen und dem zentralen ERP-System erforderlich. Diese ML-gestützten Lösungen können Kontoauszüge automatisch analysieren und die relevanten Informationen extrahieren. Sie erkennen und kategorisieren Transaktionen, gleichen sie mit offenen Posten ab und buchen sie entsprechend. Dies reduziert den manuellen Aufwand und minimiert das Risiko von Fehlern.
Durch den Einsatz von Machine Learning können Unternehmen die Verarbeitungsgeschwindigkeit und Genauigkeit ihrer Kontoauszugsverarbeitung entscheidend steigern. ML-Algorithmen lernen aus historischen Daten und verbessern kontinuierlich ihre Vorhersagegenauigkeit. Dies führt zu einer schnelleren und präziseren Verarbeitung von Finanztransaktionen und zu verbesserten Anschlussprozessen wie beispielsweise der Liquiditätsplanung oder dem Mahnwesen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Machine Learning im Cash Management zu einer signifikanten Optimierung der Prozesse beitragen kann. Die automatische Verarbeitung von Kontoauszügen und Zahlungsavisen reduziert den manuellen Aufwand, minimiert Fehler und sorgt für eine konsistente und transparente Abwicklung. Zusammengenommen kann dadurch eine verbesserte Entscheidungsfindung und höhere Zuverlässigkeit im gesamten Cash Management erreicht werden.
Sicherheitsrisiken
Der Einsatz von KI-Tools in der Cash Management Abteilung bietet zahlreiche Vorteile, birgt jedoch auch bestimmte Sicherheitsrisiken, die berücksichtigt und sorgfältig gemanagt werden müssen. Im Folgenden sind einige der wichtigsten Sicherheitsrisiken aufgelistet:
- Datenintegrität und -sicherheit:
KI-Tools verarbeiten große Mengen sensibler Finanzdaten. Ein unzureichender Schutz dieser Daten kann zu Datenlecks und unbefugtem Zugriff führen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, robuste Verschlüsselungs- und Zugriffskontrollmechanismen zu implementieren, um die Integrität und Sicherheit der Daten zu gewährleisten. Eine Entscheidung, die es abzuwägen gilt, ist, ob eine cloudbasierte Lösung gewählt wird oder ob die Finanzdaten auf einem unternehmenseigenen Server liegen sollen. Das Kleingedruckte spielt daher bei diesen Lösungen eine besondere Rolle. - Cyberangriffe:
KI-Systeme können Ziel von Cyberangriffen werden, bei denen Hacker versuchen, Zugang zu sensiblen Finanzinformationen zu erlangen oder die Systeme zu manipulieren. Regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen und die Implementierung von fortschrittlichen Sicherheitsprotokollen sind notwendig, um solche Angriffe zu verhindern. - Fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit:
KI-Algorithmen können komplex und schwer nachvollziehbar sein. Dies kann zu einem Mangel an Transparenz führen, was die Identifizierung und Behebung von Fehlern erschwert. Eine regelmäßige Überprüfung und Validierung der KI-Modelle stellt sicher, dass diese korrekt und zuverlässig arbeiten. - Manipulation und Betrug:
KI-Tools können anfällig für Manipulationen sein, insbesondere wenn sie auf irrtümlichen oder verfälschten Daten basieren. Es ist daher essenziell, strenge Datenvalidierungs- und Überwachungsmechanismen zu implementieren, um sicherzustellen, dass die Daten, die in die KI-Modelle eingespeist werden, korrekt und vertrauenswürdig sind. - Regulatorische und Compliance-Risiken:
Der Einsatz von KI-Tools muss den geltenden regulatorischen und Compliance-Anforderungen entsprechen. Dies umfasst Datenschutzgesetze, Finanzvorschriften und interne Richtlinien. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre KI-Systeme diese Anforderungen erfüllen und regelmäßig überprüft werden, um etwaige Compliance-Verstöße zu vermeiden. - Abhängigkeit von Drittanbietern:
Viele KI-Tools werden von Drittanbietern bereitgestellt. Dies kann zu Abhängigkeiten führen und zusätzliche Sicherheitsrisiken mit sich bringen, insbesondere wenn die Sicherheitsstandards der Drittanbieter nicht den internen Anforderungen entsprechen. Aus diesem Grund sollten sorgfältige Due-Diligence-Prüfungen durchgeführt und klare vertragliche Vereinbarungen getroffen werden, um die genannten Risiken zu minimieren.
Ausblick
Durch die Implementierung robuster Sicherheitsmaßnahmen und die regelmäßige Überprüfung der KI-Tools können Unternehmen die Sicherheitsrisiken im Cash Management Bereich effektiv managen und von den Vorteilen der KI-Technologie profitieren.
Unter umfassender Beachtung der Risiken auf der einen Seite, aber auch der zahlreichen Use Cases und Vorteile auf der anderen Seite, die KI mit sich bringt, ist es für ein Unternehmen sinnvoll, sich einem Assessment der aktuellen Prozesse zu unterziehen, um sich bestens gewappnet für bevorstehende Entwicklungen aufzustellen. Mit einer technologisch gut ausgerichteten Treasury-Abteilung in der Zukunft lassen sich Wettbewerbsvorteile sichern. Zukünftig wird sich dadurch auch das Stellenprofil im Cash Management verändern, da sich durch den verstärkten Einsatz der intelligenten Tools der Fokus von manuellen Eingaben hin zu Kontrolle von KI-Tools und deren Entscheidungen entwickeln wird. Aus diesem Grund ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden im Treasury-Team unabdingbar.
Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 152, März 2025
Autoren:
Börries Többens, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory,KPMG AG
Nadine Hauptmann, Managerin, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Börries Többens
Partner, Financial Services, Finance & Treasury Management
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft