Korrektur einer jahresübergreifenden Umsatzverlagerung

VAT Newsletter Dezember 2024-Januar 2025

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BFH, Urteil vom 29. August 2024, V R 19/22

Das BFH-Urteil betrifft die Korrektur einer jahresübergreifenden Umsatzverlagerung nach den Vorschriften der AO.

Sachverhalt

Die Klägerin unterlag im Streitjahr der Sollbesteuerung. Sie versteuerte von ihr erbrachte Leistungen nicht bereits in dem Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung, sondern erst in dem des Erhalts der Vergütung. Zahlungsansprüche aufgrund bereits ausgeführter Leistungen, die bis zum Jahresende noch nicht erfüllt wurden, verbuchte die Klägerin auf einem Vergütungskonto, aus dem sich die Höhe der zwar erbrachten, aber noch nicht versteuerten Leistungen ergab.

Zum Jahresende 2012 belief sich der Vergütungssaldo auf rund 32.000 Euro. Den sich hieraus ergebenden Steueranspruch erfasste die Klägerin erst in den in 2013 (Streitjahr) abgegebenen Voranmeldungen mit jeweiliger Vereinnahmung. Zum Jahresende 2013 ergab sich ein Vergütungssaldo von rund 102.000 Euro, den die Klägerin wiederum fehlerhaft erst in 2014 versteuerte.

Das Finanzamt beanstandete im Rahmen einer Außenprüfung die verspätete Besteuerung und änderte die Bescheide für die Jahre 2013 bis 2015. Der Änderungsbescheid 2013 erfasste auch den zum Jahresende 2013 bestehenden Vergütungssaldo von rund 102.000 Euro.

Die Klägerin beantragte unter Berufung auf § 177 Abs. 1 AO (Berichtigung von materiellen Fehlern) die Bemessungsgrundlage für das Jahr 2013 – korrespondierend zu der vorgenommenen Erhöhung – um den zum Jahresende 2012 bestehenden Vergütungssaldo in Höhe von rund 32.000 Euro zu mindern, da dieser von der Klägerin bereits im Jahr 2012 hätte versteuert werden müssen. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, da eine korrespondierende Erhöhung der Umsatzsteuer 2012 wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich sei.

Vor dem Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern blieb die Klage ohne Erfolg. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen

Versteuert ein Unternehmer (Sollversteuerer) seine Umsätze nicht bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung, sondern erst für den der nachfolgenden Entgeltvereinnahmung, kann er nach dem BFH die Rechtswidrigkeit der für den Besteuerungszeitraum der Entgeltvereinnahmung vorliegenden Steuerfestsetzung geltend machen.

Mit § 174 AO (Widerstreitende Steuerfestsetzung) liege eine gesetzliche Regelung für die hier zu beurteilende Fallgestaltung vor, die der Annahme einer Regelungslücke und damit einer analogen Anwendung von § 20 Abs. 3 UStG entgegenstehe.

Im Streitfall habe das Finanzamt aufgrund einer rechtsirrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts (Besteuerung der bereits in 2012 ausgeführten Leistungen erst bei Vereinnahmung des Entgelts im Folgejahr) den hier streitgegenständlichen Steuerbescheid erlassen, der aufgrund des von der Klägerin gestellten Antrags zu ihren Gunsten geändert werden sollte (keine Besteuerung der in 2012 ausgeführten Leistungen im Streitjahr 2013). Daher könnten aus dem Sachverhalt auch für das Jahr 2012 durch nachträgliche Änderung dieses Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden, wobei dies unter den in § 174 Abs. 4 Satz 3 und 4 AO genannten Voraussetzungen selbst dann möglich sei, wenn die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 2012 bereits abgelaufen sein sollte.

Die Klägerin habe daher einen Anspruch auf die beantragte Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2013 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Halbsatz 1 Alternative 2 AO, wonach ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden darf, soweit dem Antrag des Steuerpflichtigen der Sache nach entsprochen wird. Aus der Rechtswidrigkeit des Bescheids für 2013 folge zudem, dass das grundsätzlich bestehende Ermessen des Finanzamtes gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO auf null reduziert wird.

Bitte beachten Sie:

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes schließt nach dem BFH die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO nach einer Außenprüfung eine Korrektur aufgrund anderer Vorschriften als § 173 Abs. 1 AO – und damit nach dem hier anwendbaren § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO – nicht aus.

In der Beratungspraxis trifft man immer wieder auf die Thematik der Periodenabgrenzung, sei es in einer mit dem vom BFH entschiedenen Fall vergleichbaren Situation oder der, dass Vorsteuerbeträge zeitlich verspätet geltend gemacht werden. Dieses Urteil kann gegebenenfalls argumentativ helfen, eine zu Ungunsten von Unternehmen erfolgte, auf einer Periodenverschiebung beruhende Steuerfestsetzung zu verhindern. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang die Jahresfrist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO. Wegen einer Periodenverschiebung ist auch auf das Urteil des FG Köln vom 8. Oktober 2024 – 8 K 1735/23 hinzuweisen (vgl. hier unter der Rubrik „Aus den Finanzgerichten“ am Ende des Newsletters). 

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