2. Safe Harbour Regelungen
2.1. Temporäre Safe Harbours
In der Praxis sind gerade in der Anfangsphase die temporären Safe Harbour Regelungen von besonderer Relevanz. Erfüllen Unternehmen die Anwendungsvoraussetzungen der Safe Harbours, ersparen sie sich temporär die Durchführung der für die Globale Mindestbesteuerung erforderlichen komplexen Berechnungen oder können dabei zumindest Erleichterungen in Anspruch nehmen (vgl näher Marchgraber, SWK 2023, 460 ff).
Die temporären Safe Harbours stehen in Österreich für Geschäftsjahre zur Verfügung, die am oder vor dem 31. Dezember 2026 beginnen, aber vor dem 1. Juli 2028 enden (Übergangszeit). Folgende alternative Möglichkeiten sind vorgesehen:
- Der De-Minimis-Test ist erfüllt, wenn die im länderbezogenen Bericht (CbCR) ausgewiesenen Erträge der einer Jurisdiktion zuordenbaren Geschäftseinheiten in Summe weniger als EUR 10 Mio. und der im CbCR ausgewiesene Vorsteuergewinn in Summe weniger als EUR 1 Mio. beträgt.
- Der Effektivsteuersatz-Test ist erfüllt, wenn das Verhältnis zwischen dem einer Jurisdiktion zuordenbaren (qualifizierten) aufsummierten Steueraufwand laut Finanzberichterstattung einerseits und dem Vorsteuergewinn oder ‑verlust laut CbCR andererseits mindestens 15 Prozent (für 2023 und 2024), 16 Prozent (für 2025) bzw 17 Prozent (für 2026) beträgt.
- Der Routinegewinn-Test ist erfüllt, wenn der auf eine Jurisdiktion entfallende Vorsteuergewinn laut CbCR maximal dem Substanzfreibetrag gemäß § 48 MinBestG entspricht.
Alle drei Tests setzen voraus, dass die (auch CbCR-)Daten auf einer qualifizierten Finanzberichterstattung basieren. Als solche gelten (a) die Finanzkonten, die zur Erstellung des Konzernabschlusses der obersten Muttergesellschaft verwendet werden, (b) Jahresabschlüsse der Geschäftseinheiten, die entweder nach einem anerkannten oder einem zugelassenen Rechnungslegungsstandard erstellt werden und (c) im Falle einer Geschäftseinheit, die allein aus Gründen der Größe oder der Wesentlichkeit nicht in den Konzernabschluss der Unternehmensgruppe einbezogen wird, der Jahresabschluss, der für die Erstellung des länderbezogenen Berichts der Unternehmensgruppe verwendet wird.
In der Praxis ist die unter (a) angeführte Formulierung insofern hilfreich, weil darunter wohl auch die typischerweise erstellten Reporting Packages subsumiert werden können. Fraglich ist allerdings, ob ein solches Verständnis auch auf Basis der nationalen Umsetzung in anderen Staaten möglich ist oder aufgrund strengerer Sichtweisen eine Anpassung der CbCR-Daten notwendig ist, um die Anwendbarkeit der Safe Harbours zu ermöglichen.
Für Geschäftsjahre, die am oder vor dem 31. Dezember 2025 beginnen, aber vor dem 31. Dezember 2026 enden, wird zudem für Zwecke der SES der Ergänzungssteuerbetrag für sämtliche niedrig besteuerte Geschäftseinheiten, die im Steuerhoheitsgebiet der obersten Muttergesellschaft gelegen sind, auf null reduziert, wenn der nominelle Körperschaftsteuersatz in diesem Steuerhoheitsgebiet im jeweiligen Geschäftsjahr mindestens 20 Prozent beträgt.
2.2. Safe Harbour für unwesentliche Geschäftseinheiten
Die Pillar II-Regelungen wären grundsätzlich auch für Geschäftseinheiten anzuwenden, die zwar im Konzernabschluss zu konsolidieren wären, aber aus Wesentlichkeitsgründen nicht konsolidiert werden müssen. Für solche unwesentlichen Geschäftseinheiten wird in der (Konzernrechnungslegungs-)Praxis typischerweise kein Reporting Package erstellt, sodass es allein für Pillar II-Zwecke notwendig sein könnte, Finanzkonten auf Basis des Konzernrechnungslegungsstandards für solche Geschäftseinheiten zu erstellen.
Von Seiten der OECD wurde daher ein permanenter Safe Harbour für unwesentliche Geschäftseinheiten entwickelt, der es ermöglichen soll, sich diesen (mangels Wesentlichkeit uU unverhältnismäßigen) Aufwand zu ersparen und stattdessen die Effektivsteuerquote für unwesentliche Geschäftseinheiten auf Basis (a) der im CbCR ausgewiesenen Erträge und (b) der im CbCR ausgewiesenen, für dieses Geschäftsjahr gezahlten und rückgestellten Ertragsteuern, die nur minimal anzupassen sind, zu berechnen. Bei Anwendung dieser Vereinfachungsmöglichkeit ergäbe sich im Regelfall eine Reduktion des Effektivsteuersatzes. Daher müsste jede Unternehmensgruppe prüfen, ob diese Reduktion des Effektivsteuersatzes im Rahmen der Effektivsteuerquote verkraftbar ist oder es doch vorteilhafter ist, den Aufwand, der uU mit den Pillar II-Berechnungen einher geht, auch für unwesentliche Geschäftseinheiten auf sich zu nehmen.
Der Ministerialentwurf bleibt allerdings insofern hinter den Vorschlägen der OECD zurück, als die vereinfachten Berechnungen nur für Zwecke der temporären Safe Habours ermöglicht werden. Anders als von der OECD vorgeschlagen ist daher kein permanenter Safe Harbour, sondern eine vereinfachte Berechnungen für Zwecke der temporären Safe Harbours vorgesehen. Auf diese Diskrepanz wird im Zuge der Begutachtung hinzuweisen sein.
2.3. NES Safe Harbour (= QDMTT Safe Harbour)
In den ursprünglichen OECD-Musterregelungen war vorgesehen, dass ein Staat, für den sich nach Pillar II eine Niedrigbesteuerung ergibt, eine nationale Ergänzungssteuer erheben kann. Diese NES ist nach diesem Konzept von jenen Staaten anzurechnen, in denen aufgrund der Niedrigbesteuerung die PES oder SES greift, sodass die sich in diesen Staaten ergebende Ergänzungssteuer entsprechend (im Idealfall auf null) reduziert wird.
Der auch im MinBestG enthaltene NES Safe Harbour ermöglicht es diesen Staaten, das ursprünglich vorgesehene Anrechnungs- um ein Befreiungssystem zu ergänzen: Sieht ein ausländischer Staat dem Grunde nach eine NES vor, die bestimmte Anforderungen erfüllt und bei der es sich daher um eine „anerkannte NES“ („Qualified Domestic Minimum Top-up Tax“) handelt, reduziert sich der sich aus der PES oder NES ergebende Ergänzungssteuerbetrag in Österreich auf null, unabhängig davon, wie hoch der im Wege dieser anerkannten NES im Ausland erhobene Ergänzungssteuerbetrag ist. Es ist daher nicht notwendig, die Pillar II-Berechnungen für ausländische Geschäftseinheiten, die in einem Staat mit anerkannter NES ansässig sind, auch auf Basis der österreichischen Pillar II-Regelungen vorzunehmen.
Die Anforderungen, die an eine ausländische NES gestellt werden, um „NES Safe Harbour“-fähig zu sein, sind im Gesetz definiert. Die OECD plant einen peer review-Prozess, der als Ergebnis eine Liste jener Staaten hervorbringen soll, die nach Ansicht der OECD diese Anforderungen erfüllen. Wenngleich nicht bindend für das MinBestG, ist aus praktischer Sicht davon auszugehen, dass österreichische Geschäftseinheiten nicht nachweisen müssen, dass die im MinBestG vorgesehen Anforderungen von der ausländischen NES erfüllt werden, wenn der betreffende ausländische Staat Teil dieser „white list“ ist.