Fehlende Unterlagen: Abgabenhinterziehung des Steuerberaters wegen unterlassener Einreichung der Steuererklärung?

Tax News 10/2023

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Verpflichten sich Parteienvertreter:innen gegenüber ihren Klienten zur Einreichung der Steuererklärung, übernehmen sie damit auch die Verantwortung für die Einhaltung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitsplichten ihrer Klienten für diese Steuererklärung. Unterlässt der Steuerberater / die Steuerberaterin die Einreichung der Steuererklärung, kann er / sie als unmittelbarer Täter:in eine Abgabenhinterziehung begehen, wenn ihm /ihr die Erstellung einer korrekten Steuererklärung tatsächlich möglich war (VwGH 28.03.2023, Ra 2021/16/0097). 

1. Sachverhalt: Steuerberater als Bestimmungstäter zur Abgabenhinterziehung?

Mitte Februar 2015 beauftragte ein selbständiger Rechtsanwalt einen Steuerberater mit der Erstellung und Einreichung seiner Jahressteuererklärungen. Trotz mehrmaliger Aufforderungen wurden dem Steuerberater die benötigten Unterlagen nicht bzw. unvollständig übermittelt. In der Folge wurde vom Steuerberater weder eine Einkommensteuererklärung 2015 noch ein Fristverlängerungsantrag rechtzeitig eingebracht.

Der Steuerberater wurde vom BFG schuldig gesprochen, seinen Klienten durch die nicht fristgerechte Einreichung einer richtigen Einkommensteuererklärung 2015 vorsätzlich dazu bestimmt zu haben, eine Verkürzung der Einkommensteuer 2015 zu bewirken. Dadurch habe der Steuerberater als Bestimmungstäter das Finanzvergehen der Beteiligung an der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen.

2. Entscheidung des VwGH

Aufgrund der Revision des Steuerberaters wurde die BFG-Entscheidung mit Erkenntnis vom 28.03.2023, Ra 2021/16/0097 als inhaltlich rechtswidrig aufgehoben.
 
Einleitend bestätigt das Höchstgericht die Feststellung des BFG, dass durch die Beauftragung des Steuerberaters zur Erstellung der Jahressteuererklärungen die abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten hinsichtlich der Jahressteuererklärungen 2015 vom Klienten auf den Steuerberater übergegangen sind. Diese Pflichten umfassen auch die rechtzeitige Einreichung der Einkommensteuererklärung 2015.
 
Weiters führt der VwGH aus, dass die Vollendung der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs (= „tatsächliche“ Abgabenverkürzung) voraussetzt. Nachdem das Tatbild der Abgabenhinterziehung nicht mit einem schlichten Unterlassen vertypt und damit als unechtes Unterlassungsdelikt konzipiert ist, konnte der Steuerberater – entgegen der Ansicht des BFG – mit der bloßen Unterlassung der Einreichung der Abgabenerklärung das Tatbild der Abgabenhinterziehung nicht erfüllen.

Im Detail befasst sich der VwGH mit der tatsächlichen Handlungsmöglichkeit des Steuerberaters: Zum objektiven Tatbestand eines vorsätzlichen, vollendeten Unterlassungsdelikts gehört die tatsächliche Handlungsmöglichkeit des Täters. Der Täter muss aufgrund der physisch-realen Möglichkeiten in der Lage sein, das gebotene Tun vorzunehmen. Im vorliegenden Fall musste folglich beurteilt werden, ob der Steuerberater tatsächlich in der Lage gewesen wäre, die Steuererklärung fristgerecht einzubringen. Zusätzlich ist beim Unterlassungsdelikt zu prüfen, ob sich der Vorsatz des Täters auf die Möglichkeit bezogen hat, die Abgabenverkürzung durch Vornahme der pflichtgemäß gebotenen Handlung abzuwenden.

Der VwGH kommt im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass einem Steuerberater die Tathandlung der Unterlassung der Einreichung einer Steuererklärung nicht vorgeworfen werden kann, wenn er mangels Vorliegens von vollständigen Unterlagen seines Klienten nicht in der Lage war, eine "korrekte und vollständige" Einkommensteuererklärung fristgerecht einzureichen. Die reale Handlungsmöglichkeit des Täters zur Vornahme der pflichtgemäßen Handlung und Abwendung des tatbestandsmäßigen Erfolges war gemäß VwGH nicht gegeben.

Nach Aufhebung der Entscheidung des BFG durch den VwGH als inhaltlich rechtswidrig, ist das Verfahren beim BFG fortzusetzen (= 2. Rechtsgang). Gem. VwGH wird das BFG zu berücksichtigen haben, dass auch der steuerliche Vertreter als unmittelbarer Täter einer Abgabenhinterziehung in Betracht kommen kann.

3. Für die Praxis

Der VwGH hat im vorliegenden Fall die Strafbarkeit für die Nichtabgabe der Einkommen-steuererklärung 2015 verneint, weil dem Steuerberater nicht sämtliche zur Erstellung der Einkommen-steuerklärung 2015 benötigte Unterlagen vorlagen und somit keine tatsächliche Handlungsmöglichkeit (= Möglichkeit zur Einreichung einer korrekten und vollständigen Einkommensteuererklärung 2015) für den Steuerberater bestand.

Dass Unterlagen, die für die Einreichung der Steuererklärung erforderlich sind, nicht rechtzeitig oder unvollständig vorliegen, kommt in der Praxis häufig vor. Trotz der diesfalls vorliegenden Unmöglichkeit der Erstellung einer korrekten und vollständigen Steuererklärung ist aus finanzstrafrechtlicher Sicht Vorsicht geboten:

Zum einen muss im Einklang mit der Rsp. des VwGH die Möglichkeit einer Fristverlängerung bedacht werden. Zum anderen könnte auch die Einreichung der Steuererklärung auf Basis einer plausiblen Schätzung überlegt werden. In letzter Konsequenz kann oder muss ein:e Steuerberater:in einen übernommenen Auftrag zurücklegen, wenn sich der Auftrag nachträglich als unerfüllbar erweist oder bewusst unvollständige Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden.

Im Ergebnis sollte in solchen Fällen jedenfalls proaktiv gehandelt werden, um allfällige finanzstrafrechtliche Risiken für alle involvierten Personen bestmöglich zu minimieren. Die Finanzstrafrechtsexperten von KPMG bieten ihre höchsteffiziente Unterstützung auch Berufskollegen sehr gerne an.