Februar 2022 | Lernen im Fokus

Im Interview erzählt uns Christoph Marchgraber von seiner Habilitationsschrift sowie von seinen Tätigkeitsschwerpunkten in der Steuerberatung.

  

Lieber Christoph, erstmals herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung! Kannst du uns mehr über den Wissenschaftspreis erzählen?

Vielen Dank. Der Dr. Alois Mock-Wissenschaftspreis richtet sich an Studierende bis 35 Jahre. Es können wissenschaftliche Arbeiten wie Dissertationen, Habilitationen etc eingereicht werden, die sich mit europarelevanten Themen befassen und im jeweiligen Rahmen die Verwirklichung der europäischen Idee unterstützen.

Du hast deine 2017 fertiggestellte veröffentlichte Habilitationsschrift „Double (Non-) Taxation and EU Law“ eingereicht. Worum geht es in dieser Arbeit?

Grundsätzlich geht es um die unionsrechtliche Einordnung der politisch vor allem in den letzten Jahren immer wieder bemühten Phänomene der Doppelbesteuerung und der doppelten Nichtbesteuerung. Kerngedanke des Themas war es ursprünglich, dass vor allem der Begriff „doppelte Nichtbesteuerung“ zwar medial und politisch gerne verwendet wird, seine konkrete und auch rechtliche Bedeutung aber unklar ist. Der Begriff Doppelbesteuerung gehört hingegen zum Standard-Wortschatz im internationalen Steuerrecht und seine Bedeutung ist weitgehend unstrittig. Zum Thema der Doppelbesteuerung gibt es daher auch eine kaum mehr überschaubare Zahl an Publikationen und auch Rechtsprechung des EuGH. Da die doppelte Nichtbesteuerung oft als Gegenstück zur Doppelbesteuerung angesehen wird, habe ich mich in meiner Habilitationsschrift der Frage gewidmet, (i) wie sich doppelte Nichtbesteuerung aus unionsrechtlicher Sicht definieren lässt und (ii) ob das EU-Primärrecht diesem Phänomen rechtliche Grenzen setzt.

Christoph Marchgraber - KPMG Tax

Die Habilitation ist Voraussetzung, um Universitätsprofessor zu werden. Warum hast du dich entschieden, in die Beratung zu wechseln?

In der Tat ist die Habilitation im deutschsprachigen Raum meist notwendig, um auf einen Lehrstuhl berufen zu werden. Damit verbunden ist aber keine Garantie, dass man tatsächlich eine Professur erhält. Mir war das auch von Beginn weg klar, weshalb ich das Habilitationsverfahren auch nie allein mit dem Ziel, irgendwann Professor zu werden, begonnen habe. Vielmehr hat mir die wissenschaftliche Arbeit Spaß gemacht und die Habilitation war die Gelegenheit, der akademischen Laufbahn noch länger nachzugehen. Nach ihrer Beendigung stellte sich dann aber die Frage, wie es weitergeht und nach vielen Gesprächen war für mich klar, dass KPMG der richtige Ort ist, um mein theoretisches Wissen mit praktischen Erfahrungen zu verbinden.

Seit 2016 bist du bei KPMG in der Steuerberatung tätig. Warum hast du dich für KPMG entschieden und wo liegen heute deine Arbeitsschwerpunkte?

Unser Kundenkreis ist breit gefächert. Von natürlichen Personen über KMU und Privatstiftungen bis hin zu internationalen Konzernen ist alles dabei. Die Möglichkeit, ein derart breites Spektrum kennen lernen zu dürfen, war für mich ein entscheidender Aspekt, warum ich mich für KPMG entschieden habe. Diese inhaltliche Breite schätze ich heute noch sehr, wenngleich der Schwerpunkt meiner Tätigkeit mittlerweile in der steuerlichen Beratung national und international tätiger Konzerne liegt. In der Beratung stehen daher Steuerplanung, Umstrukturierungen, M&A-Transaktionen sowie grenzüberschreitende Fragestellungen im Vordergrund.

Du hast die Wissenschaft nicht gänzlich hinter dir gelassen, sondern bist weiterhin als Lektor am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht an der WU Wien tätig, hältst darüber hinaus regelmäßig Vorträge und bist Autor diverser steuerrelevanter Publikationen. Wie verbindest du Wissenschaft und Praxis?

Die Verbindung von Praxis und Wissenschaft schafft viele Synergien. Auf zahlreiche Fragestellungen, die einem bei der Arbeit mit Kunden begegnen, würde man ohne die Tätigkeit in der Beratung gar nicht kommen. Für ihre Beantwortung hilft wiederum ein wissenschaftlicher Background ungemein. Besonders interessante Fälle präsentiere ich gerne bei Vorträgen, verarbeite sie im Rahmen von Publikationen oder animiere Studierende, sie im breiteren Kontext im Rahmen von wissenschaftlichen Arbeiten zu behandeln.

Neben deinen vielen beruflichen Tätigkeiten: Wie verbringst du deine Freizeit?

Als Vater von mittlerweile zwei Söhnen, gehört die Freizeit meiner Familie. Es gibt keine bessere und schönere Ablenkung vom Steuerrecht, als am Abend Türme zu bauen, Ball zu spielen und den Nachwuchs beim Entdecken der Welt zu begleiten.