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Am 11. Mai 2023 hat der Bundestag das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz  - HinSchG)“ beschlossen, nachdem dieses zuvor im Vermittlungsausschuss nachverhandelt worden war. Einen Tag später hat auch der Bundesrat dieser geänderten Fassung zugestimmt. Das HinSchG tritt nun am 2. Juli 2023 in Kraft.

Hierdurch wird die EU-Hinweisgeberrichtlinie (2019/1937) mit einiger Verspätung in nationales Recht umgesetzt. Allerdings geht das HinSchG noch über die EU-Vorgaben hinaus.

Anwendungsbereich

Das HinSchG regelt den Schutz von natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld dieser Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden oder offenlegen. Hierzu zählen etwa Arbeitnehmer:innen, Auszubildende, Praktikant:innen oder auch Personen, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Sie können sich an die im HinSchG vorgesehenen internen und externen Meldestellen wenden. 

Vertrauen sich hinweisgebende Personen einer Meldestelle an oder legen sie einen Verstoß sogar offen, sollen sie vor Repressalien geschützt sein. Erleiden sie dennoch Repressalien, also ungerechtfertigte Nachteile im beruflichen Kontext, wie beispielsweise eine Kündigung, negative Beurteilungen oder Mobbing, sind die Verursachenden verpflichtet, den hinweisgebenden Personen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen  - einschließlich immaterieller Schäden. Zudem besteht eine Beweislastumkehr zugunsten der Hinweisgebenden. Das heißt, wenn diese nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleiden, wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. 

Unter Umständen werden auch weitere Personen vom Schutzbereich des HinSchG erfasst. Dies kann der Fall sein, wenn sie eine hinweisgebende Person bei einer internen oder externen Meldung oder einer Offenlegung im beruflichen Zusammenhang vertraulich unterstützen oder mit der Person in Verbindung stehen und in Zusammenhang mit der Meldung oder Offenlegung berufliche Repressalien erlitten haben.

Der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG umfasst strafbewährte und bußgeldbewährte Verstöße. Letztgenannte sind nur dann umfasst, wenn die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Daneben zählt das Gesetz weitere Rechtsbereiche auf, die Gegenstand einer Meldung sein können, wie beispielsweise Verstöße im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Produktsicherheit, Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit und bestimmte Aspekte des Tierschutzes. Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurden zudem noch Verstöße gegen den EU Digital Markets Act sowie verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamten mit aufgenommen. 

Ein Verstoß im Sinne des HinSchG liegt dabei nicht nur dann vor, wenn eindeutig rechtswidrige Handlungen erfolgt sind, sondern kann auch bei missbräuchlichen Handlungen oder Unterlassungen vorliegen, wenn diese dem Ziel oder Zweck einer umfassten Regelung zuwiderlaufen.

Interne Meldestellen

Beschäftigungsgebende (natürliche sowie juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen) mit jeweils in der Regel mindestens 50 Beschäftigten haben interne Meldestellen einzurichten und zu betreiben, an die sich Personen mit Hinweisen wenden können. Bestimmte Beschäftigungsgeber, beispielsweise Kreditinstitute, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Versicherungsgesellschaften, haben interne Meldestellen unabhängig von einer Mindestanzahl an Beschäftigten einzurichten.

Für private Beschäftigungsgebende mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten gelten dabei gewisse Erleichterungen. So haben diese für die Einrichtung der internen Meldestelle etwas länger Zeit (bis 17. Dezember 2023) und können auch zusammen mit mehreren anderen Beschäftigungsgebenden eine gemeinsame interne Meldestelle einrichten und betreiben. 

Meldungen müssen mündlich (beispielsweise per Telefon, Sprachübermittlung oder auf Ersuchen der hinweisgebenden Person auch im Rahmen einer persönlichen Zusammenkunft bzw. per Videokommunikation) oder in Textform abgegeben werden können. Hierbei sind verschiedene Dokumentations- und Vertraulichkeitsanforderungen zu berücksichtigen.

Die Meldestellen sollen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten, obgleich keine Verpflichtung besteht, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.

Die interne Meldestelle bestätigt der hinweisgebenden Person den Eingang einer Meldung spätestens nach sieben Tagen. Sie prüft, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich fällt und stichhaltig ist. Sie hält mit der hinweisgebenden Person Kontakt, ersucht sie, wenn notwendig, um weitere Informationen und ergreift angemessene Folgemaßnahmen. Folgemaßnahmen sind insbesondere interne Untersuchungen, es kann aber auch die Abgabe an eine zuständige Behörde sein. 

Externe Meldestellen und Offenlegung

Neben den internen Meldestellen sieht das HinSchG die Einrichtung externer Meldestellen vor. Diese werden in erster Linie beim Bundesamt für Justiz, aber auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, dem Bundeskartellamt sowie weiteren Stellen des Bundes und der Länder eingerichtet. Das Verfahren bei den externen Meldestellen ähnelt dem der internen, sieht aber weitere spezifische Anforderungen vor. 

Es steht der hinweisgebenden Person grundsätzlich frei, für die Abgabe einer Meldung zwischen einer internen und einer externen Meldestelle zu wählen. Eine interne Meldestelle sollte aber nach dem Gesetz dann bevorzugt werden, wenn intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und die hinweisgebende Person keine Repressalien befürchtet.

Unter bestimmten Umständen kann auch die Offenlegung eines Hinweises, beispielsweise gegenüber der Presse, vom Schutzbereich des HinSchG umfasst sein. Dies ist der Fall, wenn die hinweisgebende Person zunächst eine externe Meldung erstattet hat und hierauf innerhalb der geltenden Fristen keine geeigneten Folgemaßnahmen ergriffen wurden, beziehungsweise sie keine Rückmeldung über das Ergreifen solcher Folgemaßnahmen erhalten hat. Das Gleiche gilt, wenn 

  • Hinweisgebende hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass der Verstoß wegen eines Notfalls, der Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbarer Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann, 
  • im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind oder Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten, 
  • Absprachen zwischen der zuständigen externen Meldestelle und den Urheber:innen des Verstoßes bestehen könnten und
  • aufgrund sonstiger besonderer Umstände die Aussichten gering sind, dass die externe Meldestelle wirksame Folgemaßnahmen einleiten wird.

Sphäre der hinweisgebenden Person

Die hinweisgebende Person muss zum Zeitpunkt der Meldung hinreichenden Grund zu der Annahme gehabt haben, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen. Zudem müssen die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des HinSchG fallen, bzw. muss die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung hinreichenden Grund zu der Annahme gehabt haben, dass dies der Fall sei.

Unter bestimmten Voraussetzungen geht der Schutz der hinweisgebenden Person sogar den im Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) geregelten Verboten vor.

Sanktionierung

Neben den bereits erwähnten Schutzwirkungen für hinweisgebende Personen sieht das HinSchG Bußgelder für die Nichteinhaltung bestimmter Anforderungen vor. So werden etwa die Behinderung einer Meldung, die Nichtwahrung der Vertraulichkeit oder das Ergreifen einer Repressalie mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro sanktioniert, das Nichteinrichten oder Nichtbetreiben einer Meldestelle mit einer Geldbuße von bis zu 20.000 Euro. 

In dem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch die Offenlegung wissentlich unrichtiger Informationen zu einer Geldbuße von bis zu 20.000 Euro führen kann. 

Was ist nun zu tun?

Die Anforderungen des Gesetzes zum Schutz hinweisgebender Personen sind umfangreich. Deshalb ist sowohl Unternehmen, die noch kein Hinweisgebersystem betreiben, als auch solchen, die bereits Meldekanäle etabliert haben, dringend anzuraten, sich mit den Vorgaben des HinSchG auseinanderzusetzen und die erforderlichen Maßnahmen einzurichten. Um das Vertrauen der Belegschaft zu stärken und die Nutzung interner Meldekanale zu fördern, sollte ein Fokus auf den Aufbau wirksamer Präventionsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur internen Untersuchung von Verstößen gelegt werden.  

Unternehmen, die bereits unter das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) fallen (mindestens 3.000 Beschäftigte) oder in naher Zukunft fallen werden (ab 2024: mindestens 1.000 Beschäftigte) sind dadurch unter anderem zur Einrichtung eines „angemessenen unternehmensinternen Beschwerdeverfahrens“ verpflichtet (§ 8 LkSG). Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Hinweisgebersystem, welches jedoch (auch) den speziellen und weitergehenden Vorgaben des LkSG entsprechen muss. Die verpflichteten Unternehmen sollten daher bei der Umsetzung des HinSchG die Anforderungen an das LkSG-Beschwerdeverfahren gleich mitbedenken, um zu effizienten (Gesamt-) Lösungen gelangen zu können.

Die Expert:innen von KPMG stehen Ihnen bei der Konzeption und Implementierung von Meldestellen und Meldekanälen sowie bei der Reaktion auf gemeldete Verstöße gern zur Seite. Sprechen Sie uns an.