Die deutschen Unternehmen bauen weiterhin auf den Wachstumsmarkt China: 71 Prozent von ihnen wollen ihre Investitionen in der Volksrepublik erhöhen. Der Optimismus verliert allerdings etwas an Schwung, denn das Geschäftsumfeld wird schwieriger.
Nach dem herausfordernden ersten Corona-Jahr 2020 haben sich die Geschäfte für die deutschen Unternehmen in China erholt: Das Jahr 2021 lief besser als das Vorjahr. So verzeichnen 63 Prozent der Unternehmen für 2021 einen Umsatzzuwachs um mehr als fünf Prozent und 48 Prozent einen ebensolchen Gewinnzuwachs. Dies zeigt die Umfrage „German Business in China: Business Confidence Survey 2021/2022” der Deutschen Handelskammer in China in Kooperation mit KPMG.
Die Zahlen belegen, dass China ein enorm großer Markt für deutsche Unternehmen ist, der zudem weiter wächst. Auch für 2022 erwarten noch 60 Prozent ein Umsatzplus von über fünf Prozent und 41 Prozent eine Gewinnsteigerung um mehr als fünf Prozent.
„Dual circulation“-Politik fordert deutsche Unternehmen heraus
Das Geschäftsumfeld im chinesischen Markt wird schwieriger für deutsche Firmen. Als größte regulatorische Herausforderung betrachten die befragten Unternehmen inzwischen die Vorzugsbehandlung lokaler Wettbewerber - eine Auswirkung von Autarkie-Tendenzen in China. Denn mit der Wirtschaftsstrategie der zwei Kreisläufe (Dual circulation) versucht die chinesische Regierung die Abhängigkeit von ausländischen Unternehmen zu verringern.
So berichten Firmen von fehlender Transparenz, „buy-local“-Praktiken und einer Bevorzugung heimischer Unternehmen etwa bei öffentlichen Ausschreibungen. Zudem werden chinesische Unternehmen immer innovativer. Mittlerweile glauben 49 Prozent der Befragten, dass deren chinesische Wettbewerber in den nächsten fünf Jahren Innovationsführer in ihrer Branche werden (Vorjahr: 41 Prozent).
Geschäftschancen werden kritischer bewertet
Hinzu kommt, dass bisherige Gründe für Geschäft in der Volksrepublik bei deutschen Unternehmen an Relevanz verlieren. So sehen nur noch 51 Prozent der Unternehmen das Wachstum des Binnenkonsums als die größte Chance für ihr Geschäft in China. Im Vorjahr glaubten das noch 73 Prozent. Nur noch 39 Prozent betrachten eine steigende Nachfrage nach ausländischen Marken als Geschäftschance; ein deutlicher Rückgang um 26 Prozentpunkte seit 2019.
Andreas Glunz
Bereichsvorstand International Business
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Investitionen in China werden ausgebaut
Trotz dieser Entwicklungen besteht nach wie vor großes Interesse am Wachstumsmarkt China. 96 Prozent der befragten Unternehmen wollen im Land aktiv bleiben und nur 4 Prozent erwägen das Land zu verlassen. China bleibt ein wichtiger Investitionsstandort: 71 Prozent der Befragten wollen in den kommenden zwei Jahren ihre Investitionen in der Volksrepublik weiter steigern. Der Schwerpunkt der Investitionen liegt dabei auf neuen Produktionsanlagen und dem Ausbau von Forschung und Entwicklung.
"Der chinesische Markt bleibt für deutsche Unternehmen einer der wichtigsten globalen Märkte. Beim Blick auf die Geschäftschancen in China wird der Enthusiasmus der vergangenen Jahre aber mehr und mehr abgelöst durch einen neuen Realismus. Wer im chinesischen Markt weiter erfolgreich sein will, kommt nicht umhin seine Geschäftsaktivitäten stärker zu lokalisieren.“ Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business
Operative Herausforderungen in China
Rund jedes zweite Unternehmen in China sieht große Herausforderungen darin, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden und zu halten, sowie in steigenden Personalaufwendungen. 42 Prozent nennen zudem die Reiserestriktionen als Hindernis. Sie beeinträchtigen nach Ansicht der Befragten das gegenseitige Verständnis, verhindern ausländische Investitionen und letztlich das Wachstum des Landes. Zudem wirken sich steigende Rohmaterial- und Energiepreise sowie Lieferkettenprobleme auch in China aus.
Eine weitere wesentliche Herausforderung für deutsche Unternehmen liegt im Decoupling des Westens von China und umgekehrt; so werden fortlaufend neue voneinander abweichende Rechtsvorschriften, Normen und Standards eingeführt - bspw. das Sorgfaltspflichtgesetz (besser bekannt als Lieferkettengesetz) in Deutschland oder das Export Control Law, das Data Security Law und das Cybersecurity Law in China. In diese Aufzählung gehört auch die Einführung des Sozialkreditsystems in China. Dies alles stellt gerade für deutsche Mittelständler eine enorme Herausforderung dar, die in China häufig als Zulieferer der deutschen Großkonzerne tätig sind, aber nicht über ausreichende Ressourcen verfügen, um ein weltweites Risiko- und Compliance-Management-System einzurichten und zu unterhalten.
Aktuelle Vorschriften in China mit erheblicher Relevanz für deutsche Investoren in China:
Lokalisierung beschleunigt sich
Die zunehmenden Entkopplungstendenzen führen dazu, dass deutsche Unternehmen ihre Aktivitäten stärker lokalisieren (müssen) und ihre Lieferketten umbauen. Der Umfrage zufolge planen sieben von zehn Unternehmen eine verstärkte Lokalisierung aller Unternehmensfunktionen in China. Dies betrifft zunehmend auch Forschung und Entwicklung: Nur 17 Prozent planen keine Lokalisierung dieses Bereichs in China. Zudem verstärken veränderte Markterwartungen und die fortgesetzten Reiserestriktionen die Lokalisierungsbestrebungen.
Zukunftsaussichten in USA überflügeln China
Für 2022 erwarten weniger deutsche Unternehmen in China steigende Umsätze (-3%-Punkte) und steigernde Gewinne (-7%-Punkte). Anders sieht das gemäß dem gerade von der German American Chamber of Commerce in den USA und KPMG in Deutschland veröffentlichten „German American Business Outlook 2022“ für deutsche Unternehmen in den USA aus: Deutsche Unternehmen in den USA erwarten für 2022 weiter steigende Umsätze (+8%-Punkte ggü. 2021) und auch steigende Gewinne (+16%-Punkte). Ursächlich für die weniger optimistischen Einschätzung deutscher Unternehmen in China ist das schwieriger werdende regulatorische Umfeld in China, wohingegen sich die transatlantischen Beziehungen jüngst deutlich entspannt haben.
Dekarbonisierung als neue Geschäftschance in China
China will ab 2030 die Spitze des CO2-Ausstoßes überschritten haben und bis 2060 klimaneutral sein. Aus der Umsetzung dieses Ziels entstehen neue Chancen - gerade für deutsche Unternehmen, die in diesem Geschäftsfeld forschen und entwickeln: 49 Prozent der befragten Unternehmen sehen hier Geschäftsmöglichkeiten - insbesondere Unternehmen aus den Sektoren Chemie, Elektronik sowie Maschinen- und Anlagenbau. Dagegen betrachten vor allem Hersteller von Kunststoff- und Metallprodukten die Dekarbonisierungspläne als Risiko.
In der aktuellen Studie finden Sie die Ergebnisse der Umfrage, u. a. auch zu folgenden Themen:
- Auswirkungen des Decouplings,
- die wachsende Notwendigkeit zur Einrichtung umfangreicher Risiko- und Compliance-Management-Systeme,
- Erwartungen an die Chinapolitik der neuen Bundesregierung.
An der Studie haben im Oktober und November 2021 insgesamt 596 Mitgliedsunternehmen der Deutschen Handelskammer in China teilgenommen. Sie können „German Business in China: Business Confidence Survey 2021/2022“ hier herunterladen.