Der Staat erkennt den Verkündungsauftrag der Kirchen als Ausprägung der Religionsfreiheit an und kooperiert mit ihnen auf sozialen und anderen Gebieten in mannigfacher Weise. Als Fiskus und als auf das Wettbewerbsrecht verpflichteter Mitgliedstaat konfrontiert er die Kirchen und ihre verfassten und nichtverfassten Untergliederungen mit einer analogen Anwendung des Besteuerungsregimes für die öffentliche Hand. In diesem Zusammenhang erfasst auch die Kirchen in Deutschland zunehmend der Paradigmenwechsel des Steuervollzugs und lässt sie in den Fokus der Finanzverwaltung rücken. Im Hinblick auf die in der Öffentlichkeit exponierte Stellung kirchlicher Einrichtungen ist eine zuverlässige Erfüllung der steuerlichen Pflichten erforderlich. Die Neuregelung zur Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand in § 2b UStG führt zu einer erheblichen Ausweitung der Steuerpflichten und zu neuen Abgrenzungsfragen. Kirchliche Rechtsträger sollten die genannte Neuregelung zum Anlass nehmen, zeitnah ihr Tätigkeitsspektrum zu überprüfen, und zwar auch mit Blick auf mögliche Fehler bei den Ertragsteuern, die hier ebenfalls betroffen sein können. Die Übergangszeit der Neuregelung des § 2b UStG bietet eine einmalige Gelegenheit zur Bestandsaufnahme und Abwägung bestehender und künftiger steuerlicher Risiken und Chancen im Rahmen der sogenannten „steuerlichen Compliance“, aber auch zur Steueroptimierung, das heißt Nutzung steuerlicher Gestaltungsspielräume, Steuerermäßigungen und -befreiungen im Sinne von Wirtschaftlichkeit. Neben der Erstellung eines Tax-Compliance-Managementsystems zählen hierzu weitere steuerliche Spezialfragen, wie beispielsweise:
- die Beurteilung von ökumenischen Kooperationen in privater Rechtsform des Gesellschafts- oder Schuldrechts,
- die Umstrukturierung kirchlicher Einrichtungen und Vermögenswerte,
- die Gründung von Stiftungen,
- die Besteuerung von Wohlfahrtseinrichtungen oder
- die Optimierung von Grundstücksgeschäften.
PD Dr. Thorsten Helm
Partner, Tax
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Aktuelle Publikation
Kooperationen der verfassten Kirche aus Sicht des Steuerrechts – Möglichkeiten, Gefahren und Chancen
Nachbarschaftshilfen, Gemeindezentren, Bahnhofsmissionen, Frauenhäuser… – immer mehr Kirchengemeinden ziehen eine Zusammenarbeit in Erwägung, um sich so gegenseitig bei der Erfüllung ihrer vielfältigen religiösen Aufgaben und Handlungsfelder zu unterstützen. Solche Kooperationen können in verschiedener Gestalt – auf öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage – sowie in unterschiedlicher gesellschaftsrechtlicher Struktur oder lediglich auf schuldrechtlicher Grundlage erfolgen. Hierbei sind unterschiedliche steuerliche Risiken und Chancen zu beachten. So raten unsere Steuerexperten Philipp Haaf und Christian Bischoff beispielsweise davon ab, als Gesellschaftsform die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu wählen. Viel mehr empfiehlt sich die Gründung einer eigenständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts oder Kooperationen auf Grundlage öffentlich-rechtlicher Verträge, da diese auch weiterhin steuerlich privilegiert sind. Weitere Informationen und Empfehlungen unserer Steuerexperten finden Sie in dem 68. Band der Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht von dem Mohr Siebeck Verlag. (68. Band / Heft 1, S. 69-101).
Tax Compliance in Kirchen - Steuerliche Sachverhalte erkennen
Umsatzsteuer, Grundsteuer und Lohnsteuer – wann genau fällt welche Steuer an, worauf ist zu achten und was ist zu tun? Vor dieser Herausforderung stehen auch viele kirchliche Verwaltungen.
Und auch sie sind zunehmend betroffen von regulatorischen Änderungen und steigenden Anforderungen. Im Video erläutert unser Steuerexperte Philipp Haaf relevante Herausforderungen, wie diese bewältigt werden und dabei mögliche steuerliche Befreiungen geltend machen werden können.