Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 23.10.2025, C-234/24, Brose Prievidza mit der Frage beschäftigt, ob die Vorsteuererstattung beim Tooling versagt werden darf, wenn das Werkzeug für das Tooling im Ursprungsland verbleibt. Der EuGH entschied, dass ohne physische Verbringung der Werkzeuge in einen anderen Mitgliedstaat keine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt und die Vorsteuererstattung demnach nicht versagt werden darf.
1. Sachverhalt und Vorlagefragen
Brose Coburg, eine deutsche Gesellschaft, die in Bulgarien umsatzsteuerlich registriert war, bestellte 2020 bei IME Bulgaria, einer bulgarischen Gesellschaft, ein spezielles Werkzeug für die Herstellung von Autobauteilen. Die Autobauteile wurden ebenso von IME Bulgaria für Brose Prievidza, einer slowakische Konzerngesellschaft der Brose Coburg hergestellt. In 2021 veräußerte Brose Coburg das Werkzeug an Brose Prievidza und stellte bulgarische Mehrwertsteuer in Rechnung. Das Werkzeug verblieb während der Verkäufe in Bulgarien und wurde ausschließlich für die Produktion der Teile für Brose Prievidza verwendet.
Brose Prievidza kaufte zudem die fertiggestellten Autobauteile von IME Bulgaria, die aus Bulgarien in die Slowakei transportiert wurden uns als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen erklärt wurden.
Den Vorsteuererstattungsantrag von Brose Prievidza für die von Brose Coburg in Rechnung gestellte Umsatzsteuer lehnte die bulgarische Finanzverwaltung mit der Begründung ab, die Werkzeuglieferung sei akzessorisch zu den steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen der Bauteile und hätte deshalb nicht mit bulgarischer Umsatzsteuer belastet werden dürfen. Das Oberste Verwaltungsgericht legte dem EuGH die Frage vor, ob es sich bei dem Verkauf des Werkzeugs um einen eigenständigen, in Bulgarien steuerpflichtigen Umsatz (mit Erstattungsanspruch) oder um eine unselbständige Nebenleistung zur steuerfreien Warenlieferung handelt.
2. Entscheidung des EuGH
Der EuGH führte aus, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung zwingend voraussetzt, dass der Gegenstand infolge einer Versendung oder Beförderung das Ursprungsland physisch verlässt. Verbleibt der Gegenstand im Ursprungsland, liegt keine innergemeinschaftliche Lieferung vor; der Erstattungsausschluss des Art. 4 Buchst b der Richtlinie 2008/9 greift dann nicht. Zudem wiederholte der EuGH, dass grundsätzlich jeder Umsatz als eigenständige Leistung zu behandeln ist und eine Zusammenfassung zu einer einheitlichen Leistung oder eine Nebenleistungsqualifikation nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn objektiv eine untrennbare wirtschaftliche Leistung vorliegt.
Die Indizien sprechen im vorliegenden Fall jedoch für eine selbständige Werkzeuglieferung: es liegen unterschiedliche Leistungserbringer vor, es wurden separate Verträge und Abrechnungen für die Lieferungen geschlossen, das Werkzeug hat einen eigenständigen wirtschaftlichen Zweck. Die Prüfung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität obliegt dem nationalen Gericht. Dabei ist jedoch zu beachten, dass wenn das nationale Gericht die Lieferung des Werkzeugs als eigenständige Inlandslieferung in Bulgarien qualifiziert, darf die Erstattung der entrichteten Umsatzsteuer nicht mit Verweis auf eine vermeintliche Akzessorietät zu den innergemeinschaftlichen Lieferungen der Bauteile verweigert werden.
3. Ausblick
Ohne physische Verbringung gibt es weder eine innergemeinschaftliche Lieferung noch einen entsprechenden innergemeinschaftlichen Erwerb. Der Erstattungsausschluss nach Art. 4 Buchst. b der Richtlinie 2008/9 greift daher nicht, wenn ein Werkzeug im Lieferstaat verbleibt und lokal besteuert wird. In Rz. 1106 UStR 2000 sieht die österreichische Finanzverwaltung eine Vereinfachung für das sogenannte Tooling vor. Ob diese Vereinfachung von der Finanzverwaltung zukünftig aufgrund des vorliegenden Falles angepasst werden wird, ist noch nicht absehbar. Der Sachverhalt der Rs Brose Prievidza hätte jedoch wohl auch in Österreich nicht von der Vereinfachungsregelung in Rz. 1106 UStR 2000 profitiert, weil das Werkzeug von der Konzerngesellschaft gekauft wurde, die Autobauteile jedoch von dem rumänischen Lieferanten – in dieser Hinsicht lagen unterschiedliche Leistungserbringer vor.