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      Am 26. November 2025 hat der EuGH in der portugiesischen Rechtssache Versaofast, T-657/24 entschieden. Im zugrundeliegenden Sachverhalt war umstritten, ob umsatzsteuerfreie Kreditvermittlung (Art. 135 (1) (b) EU-MwSt-RL bzw. § 6 Abs. 1 Z. 8 lit. a UStG) oder umsatzsteuerpflichtige Kundenanwerbung vorliegt. In Österreich stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage nach der Abgrenzung zwischen Wertpapierdienstleister (mit kleiner oder großer Konzession) und (gewerberechtlichen) Tippgebern. 


      Versaofast ist ein Beratungsunternehmen, das von der Banco de Portugal als Kreditvermittler zugelassen ist. Versaofast hat Verträge mit mehreren Banken über die Vermittlung von Hypothekarkrediten zwischen potentiellen Immobilienkäufern und finanzierenden Banken geschlossen und erhält von den Banken eine Erfolgsvergütung in Abhängigkeit des tatsächlich abgeschlossenen Kreditvolumens. Diese Tätigkeiten bestehen u. a. darin, potenzielle Kunden für Immobilienkredite zu suchen und anzuwerben, sie dabei zu unterstützen, die für ihren Kreditantrag erforderlichen Unterlagen zusammenzutragen, ihnen nähere Informationen zu den wesentlichen Aspekten der Finanzierung wie der Marge, dem effektiven Jahreszins und der Aufwandsrate zu geben, eine erste Prüfung der von den Kunden zur Bearbeitung ihres Antrags vorgelegten Unterlagen vorzunehmen, diese Unterlagen den Kreditinstituten zu übermitteln, den Kunden die Kreditangebote dieser Institute vorzustellen und ihnen die endgültige Entscheidung des Instituts, dessen Angebot sie ausgewählt haben, mitzuteilen. Versãofast ist dagegen nicht befugt, im Namen der Kreditinstitute Kreditverträge mit den Verbrauchern abzuschließen. Sie hat auch keinen Einfluss auf die Festlegung der Bedingungen der Kreditangebote, die Wahl der Verbraucher zwischen den verschiedenen Angeboten und die Entscheidung der Kreditinstitute, die Kredite zu gewähren.

      Die Abrechnung im Gutschriftswege durch die leistungsempfangenden Banken erfolgte i. d. R. ohne Umsatzsteuer; eine Bank jedoch qualifizierte die Leistung umsatzsteuerpflichtig.

      Versaofast vertrat die Rechtsmeinung, dass ihre Tätigkeit nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung fällt, da sie nicht an der Bewilligung der Kredite beteiligt sei. Ihre Tätigkeiten beschränkten sich darauf, potenziellen Kunden Prospekte und angebotenen Konditionen für Immobilienkredite bekannt zu machen und zu erläutern, wobei sie keine Empfehlung für einen bestimmten Immobilienkredit abgeben dürfe. Sie stelle interessierten Kunden insoweit nur unparteiische und objektive Informationen zur Verfügung. Im Übrigen werte sie die bei den Kunden eingeholten Informationen nicht aus und könne unter keinen Umständen Kreditverträge im Namen von Banken abschließen. Schließlich vergüteten die Provisionen nur die Anwerbung von Kunden und nicht die Vermittlung von Krediten.

      Der EuGH wies zunächst darauf hin, dass es sich bei der Kreditvermittlung gemäß Art. 135 (1) (b) EU-MwSt-Richtlinie um einen autonomen unionsrechtlichen Begriff handelt und Steuerbefreiungen tendenziell eng auszulegen sind. Anschließend wiederholte er die Kernaussagen seiner bisherigen Judikatur, insbesondere dass auf die Art der erbrachten Leistung und ihren Zweck abzustellen ist, es sich nicht nur um rein materielle, technische oder administrative Leistungen handeln darf und dass sich Vermittlungstätigkeit darauf beschränken kann, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines solchen Vertrags nachzuweisen, bzw. das Erforderliche zu tun, damit ein Kreditinstitut mit potenziellen Kunden Kreditverträge abschließt.

      Erwähnenswert ist, dass in der portugiesischen (wie auch französischen und englischen) Sprachfassung der Begriff „negociacao“ verwendet wird, während z. B. in der deutschen von „Vermittlung“ gesprochen wird. Laut EuGH beziehen sich diese Begriffe (in allen Sprachfassungen) im gewöhnlichen Sprachgebrauch auf eine Vermittlungstätigkeit, mit der zwei Parteien in die Lage versetzt werden sollen, untereinander einen Vertrag zu schließen, ohne dass der Vermittler notwendigerweise von einer der Vertragsparteien bevollmächtigt wird, die Vertragsklauseln festzulegen oder im Namen und für Rechnung dieser Partei zu handeln, z. B. im Hinblick auf den Abschluss dieses Vertrags.

      Dementsprechend konkludiert der EuGH:

      Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG ist dahin auszulegen, dass

      die in dieser Bestimmung für die Vermittlung von Krediten vorgesehene Steuerbefreiung für die Tätigkeiten eines Kreditvermittlers gilt, der Kunden sucht und anwirbt, um ihnen Immobilienkreditverträge anzubieten, sie durch Tätigkeiten vor Vertragsabschluss unterstützt, die Kommunikation mit den Kreditinstituten übernimmt und von diesen Instituten nach Maßgabe des Betrags der aufgrund seiner Vermittlung geschlossenen Kreditverträge vergütet wird, und zwar ungeachtet dessen, dass er weder befugt ist, im Namen der Kreditinstitute zu handeln, noch Einfluss auf den Inhalt der Kreditangebote hat, und die Kunden frei entscheiden können, ob und mit welchem Institut sie einen Kreditvertrag abschließen.

      Stefan Haslinger

      Partner, Tax, Wien

      KPMG Austria


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