Die Frage des Verschuldens bei im Ausland erzielten Kapitalerträgen beschäftigt die österreichischen Steuergerichte seit vielen Jahren. Eine jüngst ergangene Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG) zeigt: Nicht jede Kapitalveranlagung im Ausland, die in Österreich nicht versteuert wird, ist mit einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung gleichzusetzen. Es kommt vielmehr auf den Einzelfall an. Gerade i. Z. m. allfälliger medialer Berichterstattung gilt die Faustregel: Schweiz / Liechtenstein ≠ Neuseeland (BFG 28.7.2025, RV/6100304/2023).*
1. Sachverhalt: Kapitalvermögen in Neuseeland
Der Beschwerdeführer (Bf), ein mittlerweile pensionierter Holzarbeiter mit Hauptwohnsitz in Österreich, verkaufte vor über 25 Jahren in Neuseeland eine Liegenschaft. Der Verkaufserlös wurde bei einer dortigen Bank veranlagt (Sparbuch). Laut damaliger Auskunft der ausländischen Bank gegenüber dem Bf war bei Inanspruchnahme eines höheren KESt-Satzes von 15 % Endbesteuerung gegeben. Die auf dem Sparbuch gutgeschriebenen Zinsen wurden vom Bf nicht angetastet.
Im Jahr 2022 erstattete der Bf Selbstanzeige für die Jahre 2018-2022 hinsichtlich der in Neuseeland erzielten Zinserträge. Hiefür nahm er erstmalig die Leistungen eines Steuerberaters in Anspruch.
Strittig war nunmehr, ob auch für die Jahre 2013-2016 die Einkommensteuer festgesetzt werden kann oder mangels vorsätzlich „hinterzogener Abgaben“ bereits Verjährung eingetreten ist.
2. BFG: KEIN Vorsatz – Medienberichte zu Schweiz / Liechtenstein nicht einschlägig
Nach Ansicht des BFG handelte der Bf leicht oder allenfalls grob fahrlässig, jedoch keinesfalls vorsätzlich. Seine Entscheidung stützte das Gericht auf folgende Überlegungen:
- Tätigkeit als Holzarbeiter
- Ausbildung / keine Matura
- Bisheriges steuerliches Verhalten (keine Steuererklärungen bzw. Arbeitnehmerveranlagungen)
- Veräußerung der Liegenschaft vor 2000
- Veranlagung mittels Sparbuchs
- Keine Behebung der Zinsen
- Beratung durch Bank in Neuseeland (Endbesteuerung)
Gerade aufgrund seiner Ausbildung und seines steuerlichen Verhaltens in der Vergangenheit konnte glaubhaft dargelegt werden, dass für den Bf das Thema der steuerlichen Behandlung der Erträge schon zum damaligen Zeitpunkt aus seiner Sicht abschließend behandelt worden war. Das Thema „Erklärung von Erträgen aus Kapitalanlagen im Ausland“ mag zwar seit mehreren Jahren in den Medien präsent sein, dennoch muss berücksichtigt werden, dass diesbezüglich überwiegend über an Österreich angrenzende Länder wie z. B. Schweiz und Liechtenstein berichtet wurde.
3. Ergebnis: Schweiz / Liechtenstein ≠ Neuseeland – jeder Einzelfall genau zu prüfen
Bei der Frage, ob vorsätzlich „hinterzogene Abgaben“ vorliegen, wird in der Praxis oftmals die mediale Berichterstattung über die Nichtbesteuerung von im Ausland veranlagten Kapitalvermögen zum zentralen Begründungselement. Wie allerdings das BFG feststellt, bedarf es einer umfassenden Betrachtung des Einzelfalls. Im Hinblick auf die mediale Berichterstattung bedeutet dies, dass jedenfalls auch auf das jeweilige Land bzw den Wirtschaftsraum der Kapitalveranlagung Bedacht zu nehmen ist. Mangelt es an einschlägiger Berichterstattung, kann ein Vorsatz jedenfalls nicht allein mit allgemeiner Medienpräsenz begründet werden. Derart pauschalen Verschuldensvorwürfen kann im Einzelfall erfolgreich entgegengetreten werden.
Fussnote
*Siehe zu dieser Entscheidung auch Heft 3/2025 der Zeitschrift für Steuerstrafrecht und Steuerverfahren (ZSS). Weitere Tax News-Beiträge zum Thema ausländische Kapitaleinkünfte: u. a. Tax News 01/2022 „VwGH zu ausländischen Kapitaleinkünften: vorsätzliche Abgabenhinterziehung aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung“; Tax News 02-03/2022 „VwGH erneut zu ausländischen Kapitaleinkünften: Auch die Zahlung Schweizer Abzugssteuer in Höhe von 35 % schließt Vorsatz nicht aus“.