Die Abgabenbehörde kann auf Parteiantrag oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde innerhalb eines Jahres ab dessen Bekanntgabe aufheben, wenn der Spruch des Bescheids nicht richtig ist. Das ist eine weitreichende Möglichkeit zur nachträglichen Korrektur. Das Bundesfinanzgericht hat hier aber jüngst Grenzen gesetzt (BFG 14.3.2024, RV/5100712/2022).
1. Überblick über die Antragsvoraussetzungen der nachträglichen Bescheidaufhebung
Aus Gesetz und Rechtsprechung lassen sich folgende Voraussetzungen für einen Antrag gemäß § 299 Bundesabgabenordnung (BAO) ableiten:
- Zuständigkeit: Finanzamt und Zollamt. Das BFG kann eigene Entscheidungen nicht aufheben.
- Bescheid: Dieser ist im Antrag ausdrücklich zu bezeichnen.
- Sachverhalt: Dieser muss geklärt sein. Im Gegensatz zur Wiederaufnahme ist irrelevant, wann ein zur Unrichtigkeit führender Sachverhalt hervorgekommen ist.
- Unrichtigkeit: Rechtswidrigkeit (unabhängig von deren Ursache). Ausnahme: unzureichende Bescheidbegründung und Verfahrensmängel.
- Beurteilungszeitpunkt: Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufhebung. Die Unrichtigkeit kann sich daher – trotz ursprünglich richtigen Bescheids – auch erst später ergeben.
- Frist: Ein Jahr ab Bekanntgabe des unrichtigen Bescheids.
2. BFG: Ungünstige („falsche“) Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts macht den Bescheid nicht unrichtig
Ein Unternehmer ermittelte seinen Gewinn durch eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und befüllte die Kennzahlen in seiner Einkommensteuererklärung. Später beantragte er in seinem Aufhebungsantrag stattdessen die für ihn steuerlich günstigere pauschale Ermittlung der Betriebsausgaben.
Das BFG bestätigte die abweisende Entscheidung des Finanzamts mit folgender Begründung: Eine Pauschalierung wäre gegenständlich grundsätzlich gesetzeskonform. Mit Abgabe der Steuererklärung entscheidet sich aber der Abgabepflichtige, nach welcher der zulässigen Vorschriften er den Gewinn ermitteln will. Anders liegt der Fall nur, wenn keine Steuererklärung abgegeben wurde und dann im Rahmen einer Betriebsprüfung Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugerechnet werden, ohne Betriebsausgaben zu berücksichtigen; diesfalls hätte der Abgabepflichtige sein Wahlrecht noch nicht konsumiert. Fallgegenständlich reichte der Abgabepflichtige jedoch eine Einkommensteuererklärung ein, womit er dokumentierte, den Gewinn nach der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln. Daraufhin wurden die ermittelten Betriebsausgaben erklärungsgemäß berücksichtigt.
3. Fazit
Ein gesetzeskonformer Bescheid wird nach Ansicht des BFG nicht dadurch unrichtig, dass der Abgabepflichtige nach Rechtskraft des Abgabenbescheids ein Besteuerungswahlrecht anders ausüben will, ohne dass sich der Sachverhalt geändert hat.
Ein Wahlrecht im Steuerrecht räumt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit ein, aus mehreren rechtlich gleichwertigen Varianten die für ihn steuerlich günstigste auszuwählen. Stellt sich später durch diese Wahl ein steuerlicher Nachteil heraus, kann dies die ursprüngliche Wahl nicht rechtswidrig machen und daher auch den Bescheid nicht mit Unrichtigkeit behaften.
Im Ergebnis handelte es sich im BFG-Fall um keine später entdeckte Unrichtigkeit, sondern um ein später entdecktes „Versehen“ (= ungünstig ausgeübtes Wahlrecht). Eine Unrichtigkeit im Sinn des § 299 BAO, die eine nachträgliche Bescheidaufhebung ermöglicht hätte, lag nicht vor.