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      Das Finanzamt qualifiziert vormals lohnsteuerpflichtige Einkünfte einer GmbH-Geschäftsführerin (GF) in Einkünfte aus selbständiger Arbeit um. Die GF unterlässt in den folgenden Veranlagungsjahren die Einreichung von Steuererklärungen für die selbständigen Einkünfte, baut aber durch die laufende Einzahlung der daraus resultierenden Einkommensteuer auf ihr Abgabenkonto ein Guthaben auf. Strafbares grob fahrlässiges Verhalten ist der Steuerpflichtigen aufgrund eines Irrtums über die Erklärungspflicht laut Bundesfinanzgericht nicht vorzuwerfen (BFG 27.6.2024, RV/4300008/2023).


      1. Sachverhalt

      Die GF (Juristin) wurde aufgrund der Verkürzung von bescheidmäßig festzusetzender Einkommensteuer wegen grob fahrlässiger Abgabenverkürzung schuldig gesprochen. Bis Mitte 2013 hatte die GF Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Im Zuge einer Lohnsteuerprüfung wurde sie aber von der Behörde als GmbH-Alleingesellschafterin und Empfängerin von Geschäftsführerbezügen qualifiziert. Ihre Einkünfte wurden daher in Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit umqualifiziert. Die steuerpflichtige GF hat dann nach ihrer Aussage über FinanzOnline „in weiterer Folge monatlich die Zahlungen so geleistet wie bisher die Lohnsteuer“. Durch die laufenden Zahlungen bildete sich am Abgabenkonto ein Guthaben von fast EUR 50.000. Das BFG hob den Schuldspruch auf.

      2. BFG: kein Verschweigen des Abgabenanspruchs – Irrtum über mögliche Konsequenzen von steuerlichen Fehlern

      Das BFG stufte das Verhalten der GF als fahrlässig ein, weil sie dazu verhalten gewesen wäre, Abgabenerklärungen einzureichen. Mit folgender Begründung verneinte das BFG aber grobe Fahrlässigkeit und kam daher im Ergebnis zur Straffreiheit:

      • Durch die laufenden Zahlungen hat sich die GF gegenüber dem Fiskus nicht verschwiegen. Das Finanzamt hatte daher dem Grunde nach Kenntnis vom Abgabenanspruch.
      • Aufgrund ihres Wissenstandes und ihrer Erfahrungen mit der Abgabenbehörde hatte die GF den Abgabenausfall in dieser Höhe (Nachforderungen betreffend zwei Veranlagungsjahre) nicht als wahrscheinlich vorausgesehen. Durch die laufenden Zahlungen handelte sie in der Überzeugung, dass eine Verkürzung ausgeschlossen ist. Nur ein „geradezu wahrscheinlich vorhersehbarer“ Schaden würde aber grobe Fahrlässigkeit bewirken.
      • Im Ergebnis befand sich die GF in einem Irrtum: Sie ging zunächst davon aus, dass das bestehende Guthaben die Einkommensteuerschuld abdeckt. Zumindest ging sie aber entsprechend ihren bisherigen Erfahrungen mit Lohnsteuerprüfungen davon aus, durch die laufenden Zahlungen ihren abgabenrechtlichen Pflichten zumindest so weit Genüge zu tun, dass es im Zuge einer Überprüfung möglicherweise zwar zu einer Korrektur kommt, dies aber keine weiteren Konsequenzen nach sich ziehen werde.
      • Angesicht dieses Gesamtbilds ist der Vorwurf grober Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht zu weit gegriffen.

      3. Ergebnis

      Das BFG betont angesichts der besonderen Sachverhaltskonstellation mehrfach, „im Zweifel zugunsten der Beschuldigten“ entschieden zu haben. Das Erkenntnis des BFG ist daher als durchaus großzügig zu beurteilen und darf keinen Anlass zu sorglosem Umgang mit steuerlichen Pflichten geben. Allerdings führt die Entscheidung vor Augen, dass nicht jedes Fehlverhalten eines Steuerpflichtigen eine grobe Sorglosigkeit darstellt. Im konkreten Fall kam der Beschuldigten letztlich ihr eindeutig erkennbarer Wille, ihre Einkommensteuer an die Abgabenbehörde abzuführen, entgegen.


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