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      Die abgabenrechtliche Vertreterhaftung (§ 9 BAO) trifft auch Personen, die nach den Statuten zur Vertretung eines Vereines berufen sind. Die Vertreter haften mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für die schuldhaft nicht entrichteten Abgaben des Vereins. Werden zur Vereinsgründung Konzept und Statuten eines bereits bestehenden Swingerclubs übernommen, ohne sich bei der Finanzverwaltung oder einem Experten für Steuerrecht zu erkundigen, ob bzw unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, einen Swingerclub als gemeinnützigen Verein zu führen, ist von einem Verschulden auszugehen. (VwGH 05.04.2022, Ra 2020/13/0112-12; BFG 05.11.2020, RV/6100658/2019).

      1. Vertreterhaftung eines (ehrenamtlichen) Vereinsobmanns

      Im Zuge einer Außenprüfung wurde einem als Verein geführten Swingerclub die Gemeinnützigkeit aberkannt und Umsatzsteuer vorgeschrieben. Infolge der freiwilligen Auflösung des Vereins und der Uneinbringlichkeit der Umsatzsteuernachforderungen bei diesem erließ das Finanzamt gegenüber dem ehemaligen Vereinsobmann einen Haftungsbescheid nach § 9 BAO (Vertreterhaftung).

      Im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen gab der ehemalige Vereinsobmann an, dass er das Konzept und die Statuten eines bereits bestehenden Swingerclubs übernommen hatte, ohne sich bei der Finanzverwaltung oder einem Experten für Steuerrecht erkundigt zu haben, unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, einen Swingerclub als gemeinnützigen Verein zu führen.

      2. Abgabenrechtliche Haftung bei ungeprüfter Übernahme von Konzept und Statuten eines bereits bestehenden Vereins  

      Personen, die nach den Statuten zur Vertretung eines Vereines berufen sind, unterliegen der Haftung nach § 9 BAO. Damit haften diese Personen für die Abgaben des Vereins insoweit, als diese infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Bereits eine leicht fahrlässige Verletzung von abgabenrechtlichen Pflichten reicht für die Haftungsinanspruchnahme aus (vgl zB VwGH 31.10.2000, 95/15/0137).

      Bundesfinanzgericht (BFG) und VwGH waren sich bei der Beurteilung der Verschuldensfrage einig: Dem ehemaligen Vereinsobmann ist ein solches Verschulden anzulasten, weil er das Gemeinnützigkeitskonzept und die Statuten eines bereits bestehenden Swingerclubs ohne weitere Prüfung durch die Finanzverwaltung oder einen Steuerexperten übernommen hatte. Denn eine irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassung ist nur dann entschuldbar, wenn die objektiv gebotene und nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Das Risiko des Rechtsirrtums trägt auch der, der es verabsäumt, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen (VwGH 13.01.2021, Ra 2020/13/0104).

      Auch die vom Vereinsobmann vorgebrachte Vermögens- und Arbeitslosigkeit steht der Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen. Nach Ansicht des VwGH schließt die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld beim Haftenden im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides nicht aus, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können.

      3. Ergebnis, Praxishinweise

      Auch ehrenamtlich tätige Vereinsfunktionäre fallen als Vertreter unter das Haftungsregime des § 9 BAO. Bereits die leicht fahrlässige Verletzung der sie als Vertreter des Vereins treffenden abgabenrechtlichen Pflichten kann bei Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Verein zu einer Haftungsinanspruchnahme führen. Demgegenüber sieht § 24 Vereinsgesetz – im Innenverhältnis zwischen Vereinsorgan und Verein – „lediglich“ eine auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränkte zivilrechtliche Haftung vor.

      Dieser Haftungsfall bringt die niedrige abgabenrechtliche Haftungsschwelle deutlich zum Ausdruck: Aus der ungeprüften Verwendung eines Gemeinnützigkeitskonzepts und der Vereinsstatuten eines bereits bestehenden Swingerclubs leiteten BFG und VwGH einen Sorgfaltsverstoß des ehemaligen Vereinsobmanns ab. Um das Risiko einer abgabenrechtlichen Vertreterhaftung wegen nicht entschuldbaren Rechtsirrtümern auszuschalten, müssen Abgabenangelegenheiten mit dem Finanzamt oder einem Steuerexperten vorab zwingend abgeklärt werden.

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