VwGH zum Mantelkauf: Tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die wirtschaftliche und organisatorische Ausrichtung

Tax News 4/2025

Tax News 4/2025

  • 1000
Bergsteiger auf Gipfel

Der VwGH hat kürzlich entschieden, dass für die Annahme einer den Mantelkauftatbestand erfüllenden Strukturänderung die tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme eines neuen Gesellschafters auf die wirtschaftliche und organisatorische Ausrichtung maßgeblich ist. Ist diese gegeben, kann der Mantelkauftatbestand auch bei einer Übertragung von weniger als 75 % der Gesellschaftsanteile erfüllt sein. Das Gericht ging somit von der traditionellen 75-%-Grenze ab und stellte einmal mehr klar, dass die Erfüllung des Mantelkauftatbestand nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen ist.

Der VwGH kam kürzlich zum Schluss, dass nicht die 75-%-Grenze allein darüber entscheidet, ob eine wesentliche Strukturänderung vorliegt. Nach Ansicht des Höchstgerichts ist im Sinne einer Gesamtbetrachtung die tatsächliche Tätigkeit der Gesellschaft und der Einfluss der neuen Gesellschafter auf die wirtschaftliche und organisatorische Ausrichtung maßgeblich.

1. Mantelkauftatbestand

Verlustvorträge sind grundsätzlich unbeschränkt vortragsfähig. Entsprechend den Mantelkaufbestimmungen des § 8 Abs. 4 Z. 2 lit. c KStG geht das Recht auf Verlustvortrag jedoch ab jenem Zeitpunkt verloren, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer entgeltlichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen und einer kumulativen Änderung (mit „innerem” Zusammenhang) der finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur nicht mehr gegeben ist, wobei die Körperschaftsteuerrichtlinien (KStR 2013 Rz. 997) von einer tatbestandserfüllenden, wesentlichen Änderung bei einer Änderung von mehr als 75 % der Vorstruktur ausgehen. Die einzelnen Tatbestandselemente können dabei aber unterschiedlich stark ausgeprägt sein, maßgeblich ist immer das Gesamtbild der Verhältnisse.

In jüngerer Vergangenheit haben sich die Gerichte immer wieder mit den Kriterien auseinandergesetzt (wir haben darüber berichtet, siehe z. B. VwGH zum Mantelkauf bei Änderung der organisatorischen Struktur ohne personelle Änderung; VwGH bestätigt Mantelkauf bei Wechsel des Unternehmensgegenstandes; BFG zum Mantelkauf: Verlustuntergang durch wesentliche Änderung des Unternehmensgegenstandes), was auch deren Relevanz in der täglichen Praxis und bei Außenprüfungen demonstriert.

2. Entscheidung des VwGH vom 24.06.2025 (Ro 2023/15/0031)

In seiner Entscheidung vom 24.06.2025 (Ro 2023/15/0031) befasste sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) nun mit einem Fall, bei dem der bisherige Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer nahezu inaktiven und über Verlustvorträge verfügenden GmbH, 55 % seiner Anteile veräußert hat. Vor Veräußerung der Anteile befand sich die GmbH bereits in Liquidation, jedoch wurde kurz vor Veräußerung ein Fortsetzungsbeschluss gefasst. Der Gesellschafter des hinzutretenden Gesellschafters wurde neben dem bisherigen Geschäftsführer zum Geschäftsführer bestellt, die Tätigkeit der GmbH änderte sich vom ökologisch orientierten Wohnbau hin zur Vermittlung von Beteiligungen an Immobilienprojekten.

Das BFG verneinte das Vorliegen eines Mantelkaufs mit dem Verweis auf die 75-%-Grenze. Da lediglich 55 % der Anteile übertragen wurden sah das Gericht keine wesentliche strukturelle Änderung. Außerdem wurde nach Ansicht des BFG die Tätigkeit lediglich innerhalb derselben Branche (Immobilien) verlagert und der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand blieb unverändert.

Aufgrund der Revision des Finanzamtes hob der VwGH die BFG-Entscheidung jedoch als inhaltlich rechtswidrig auf und sah den Mantelkauftatbestand als erfüllt an. Da der neue Gesellschafter durch seine Bestellung zum alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer erheblichen, faktischen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann, kann er auch die organisatorische und wirtschaftliche Ausrichtung bestimmen. Nach Ansicht des VwGH war es somit im konkreten Fall unbeachtlich, dass weniger als 75 % der Anteile übertragen wurden bzw stellt auch die Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile eine wesentliche Änderung dar – die implizit in Kombination mit einer deutlicher ausgeprägten organisatorischen und wirtschaftlichen Strukturänderung daher zum Mantelkauf führen kann. Für die Beurteilung der Tätigkeit sei weiters auch nicht der formale (satzungsmäßige) Gesellschaftszweck maßgeblich, sondern die tatsächliche Tätigkeit. Diese sei von der Immobilienentwicklung hin zur reinen Vermittlungstätigkeit geändert worden und die Veränderung der Tätigkeit vom Bauträger zum Immobilienmakler wurde vom VwGH trotz Branchenidentität im Ergebnis als Änderung der wirtschaftlichen Struktur qualifiziert. 

3. Conclusio

Die Entscheidung des VwGH zeigt einmal mehr, dass beim Mantelkauftatbestand das Gesamtbild der Verhältnisse maßgeblich ist. Durch die Entscheidung wurde klargestellt, dass der Mantelkauftatbestand auch bei einer Übertragung von weniger 75 % der Anteile erfüllt sein kann. Maßgeblich ist nach Ansicht des Gerichts viel mehr, welche Stellung der Neuerwerber der Anteile im Hinblick auf die Entscheidungsbefugnisse erlangt und in welchem Ausmaß er die organisatorische und wirtschaftliche Ausrichtung beeinflussen kann.

Hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeit dürfte nach Ansicht des Höchstgerichts in erster Line auf die Art der Tätigkeit und nicht auf die zugrunde liegende Branche abzustellen sein.

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass im Falle von Verlustvorträgen die Erfüllung des Mantelkauftatbestands stets im Vorfeld eines Gesellschafterswechsels eingehend geprüft und analysiert werden sollte.