DBA-Deutschland: Anwendung der Grenzgängerregelung gemäß Art. 15 Abs. 6 DBA Deutschland im Falle einer Entsendung
Tax News 4/2025
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Im Rahmen des „Express Antwort Service“ (EAS) hat das BMF seine Rechtsansicht zur Anwendung der Grenzgängerregelung im Falle der Entsendung eines Arbeitnehmers zu einer (Konzern-)Gesellschaft mitgeteilt. Es galt zu klären, ob für die Anwendbarkeit der Grenzgängerregelung das bisherige Arbeitsverhältnis isoliert vom Entsendungsfall zu betrachten ist, oder ob trotz Entsendung eine gesamthafte Betrachtung des Arbeitsverhältnisses zu erfolgen hat.
Im EAS 3455 vom 1.10.2025 beleuchtete das BMF die Anwendung der Grenzgängerregelung gemäß Art. 15 Abs. 6 DBA-Deutschland (i. d. F. Abänderungsprotokoll 2023; anwendbar ab 1.1.2024) im Falle einer Entsendung.
Die „alte“ Grenzgängerregelung des Art. 15 Abs. 6 DBA-Deutschland wurde im Zuge des Abänderungsprotkolls 2023 entsprechend neugefasst, um den jüngsten Entwicklungen der Arbeitswelt (insbesondere den geänderten Arbeitsformen wie Arbeiten im Homeoffice) Rechnung zu tragen und Beschäftigten in der Grenzzone mehr Flexibilität einzuräumen. Dies wird dadurch erreicht, dass das Arbeiten in der Grenzzone, nicht jedoch ein tägliches Pendeln über die Grenze erforderlich ist, um die Voraussetzungen der Grenzgängereigenschaft zu erfüllen (siehe auch Neue Grenzgängerregelung im Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Deutschland). Konkret wird das ausschließliche Besteuerungsrecht an Gehältern, Löhnen und ähnlichen Vergütungen gemäß Art. 15 Abs. 6 DBA-Deutschland dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen, wenn der Beschäftigte seinen Hauptwohnsitz im Ansässigkeitsstaat in der Nähe der Grenze hat und seine unselbständige Tätigkeit üblicherweise in der Nähe der Grenze ausübt. Dabei ist unbeachtlich, ob der Beschäftigte in der Grenzzone des Ansässigkeitsstaates (z. B. im Homeoffice) oder jener des anderen Vertragsstaates (z. B. in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers) tätig wird.
Die Tätigkeit wird dabei üblicherweise in der Grenzzone ausgeübt, wenn die Person während eines Kalenderjahres höchstens an 45 Arbeitstagen bzw. an höchstens 20 % der tatsächlichen Arbeitstage ganz oder teilweise außerhalb der Grenzzone tätig wird (Ziffer 8 des Protokolls zum DBA-Deutschland). Für die Ermittlung dieser Höchstgrenze ist jedes Arbeitsverhältnis isoliert zu betrachten (vgl. Rz. 20 der Konsultationsvereinbarung zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Auslegung der Grenzgängerregelung nach Art. 15 Abs. 6 des DBA-Deutschland). Nach bereits vom BMF in EAS 3450 geäußerter Rechtsmeinung gilt diese getrennte Betrachtungsweise nicht etwa bloß bei zeitlich nacheinander aufgenommenen Arbeitsverhältnissen, sondern etwa auch bei gleichzeitiger Tätigkeit für mehrere Arbeitgeber (z. B. bei mehreren Teilzeitbeschäftigungen; siehe auch DBA-Deutschland: Anwendung der Grenzgängerregelung bei mehreren Arbeitsverhältnissen).
Im Rahmen der gegenständlichen EAS-Auskunft 3455 beschäftigte sich das österreichische BMF nunmehr mit der Frage, wie die Grenzgängerregelung im Rahmen von Entsendungsfällen, in welchen das Arbeitsverhältnis zur entsendenden Konzerngesellschaft aufrecht bleibt und das Tätigwerden für das aufnehmende Unternehmen somit im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses erfolgt, auszulegen ist. Im zu beurteilenden Fall erfolgte eine Entsendung eines in Deutschland ansässigen Arbeitnehmers, der in der Grenzzone zu Österreich wohnhaft und vorwiegend tätig ist, von dem österreichischen Arbeitgeber zu einer Konzerngesellschaft in einem Drittland. Das österreichische Arbeitsverhältnis zu der entsendenden Konzerngesellschaft blieb dabei – wie in Entsendungsfällen zumeist üblich – aufrecht und es wurde kein neues Arbeitsverhältnis zu der Konzerngesellschaft im Drittland begründet (Anm.: kein „Contract Split“). Da es im Rahmen der gegenständlichen Entsendung somit nicht zu einem Wechsel des zivilrechtlichen Arbeitgebers kommt, liegen nach Ansicht des BMF keine separat zu betrachtenden Zeiträume vor, denn eine lediglich (zeitweise) geänderte Verwendung für ein anderes Unternehmen führe nicht automatisch zu einem eigenständigen Arbeitsverhältnis. Das österreichische BMF folgt somit bei der Frage, ob isoliert bzw getrennt zu betrachtende Arbeitsverhältnisse vorliegen, im Ergebnis einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise – eine mit der Entsendung im Falle einer passiven Arbeitskräfteüberlassung einhergehende Änderung des wirtschaftlichen Arbeitgebers (auf DBA-Ebene) wird somit von Seiten des BMF nicht als ausreichend erachtet, um eine separates Arbeitsverhältnis für Zwecke der Anwendung der Grenzgängerregelung des Art. 15 Abs. 6 DBA-Deutschland zu begründen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass für Zwecke der Anwendung der Grenzgängerregelung auch in Entsendungsfällen (welche im Rahmen eins Arbeitsverhältnisses abgebildet werden) eine gesamthafte Betrachtung des Arbeitsverhältnisses zu erfolgen hat und die im Rahmen der Entsendung im Drittland verbrachten Arbeitstage bei der Ermittlung der 45-Tage bzw 20%-Grenze als „schädliche“ Arbeitstage zu berücksichtigen sind.
Ergebnis
Für Zwecke der Anwendbarkeit der Grenzgängerregelung im Falle einer Entsendung hat, sofern es zu keinem Wechsel des zivilrechtlichen Arbeitgebers kommt, eine gesamthafte Betrachtung des Arbeitsverhältnisses zu erfolgen. Dies hat zur Folge, dass die im Zuge der Entsendung außerhalb der Grenzzone verbrachten Arbeitstage in die Ermittlung der 45 Tage- bzw. 20 %-Grenze miteinzubeziehen sind („schädliche Arbeitstage“), was vielfach dazu führen wird, dass bei Vorliegen einer nicht bloß kurzfristigen Entsendung die Bestimmungen der Grenzgängerregelung (in Bezug auf das gesamthaft zu betrachtende Arbeitsverhältnis) nicht weiter erfüllt sind , was eine anteilige Besteuerung der Mitarbeiterbezüge im Tätigkeitsstaat (bzw. den Tätigkeitsstaaten) nach sich zieht.