BFG zum Zollstrafrecht: Organisationsverschulden von Entscheidungsträgern
Tax News 5/2024
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Diese Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG) betraf ein mögliches Organisationsverschulden von Entscheidungsträgern bei Zollvergehen. Strittig war die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Dienstleistungsunternehmens im Zollbereich wegen nicht ordnungsgemäßer Abwicklung von Zollverfahren, obwohl wesentliche Verstöße durch Mitarbeiter von Subunternehmern begangen wurden. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit klarer Verantwortlichkeiten und interner Kontrollen im Zollbereich, um insbesondere finanzstrafrechtliche Risiken bestmöglich vermeiden zu können (BFG 13.9.2023, RV/1300019/2020).
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf.) – ein Dienstleistungsunternehmen im Zollbereich – wurde als Verband unter anderem wegen grob fahrlässiger Verzollungsumgehung belangt, weil deren Entscheidungsträger keine wesentlichen technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen zur Verhinderung zollrechtlicher Verstöße durch ihre eigenen Mitarbeiter getroffen hätten. Der Spruchsenat verhängte eine Verbandsgeldbuße von EUR 8.000.
Konkret ging es um mehrere Transporte von Getränkedosen aus der Schweiz in die Europäische Union. Mit der Vornahme des Warentransports und der Gestellung der Waren hatte die Bf. ein externes Speditionsunternehmen beauftragt, das wiederum weitere Sub-Spediteure hierfür einsetzte. Die Waren sollten vereinbarungsgemäß am zugelassenen Warenort zur Zollkontrolle gestellt werden. Die Anweisungen zur Verzollung wurden von Mitarbeitern der Bf.erteilt.
Die Mitarbeiter der Bf. meldeten die Ankunft der Warensendungen rechtzeitig und ordnungsgemäß beim Zollamt. Die Fahrer der (Sub)-Spediteure fuhren jedoch vereinbarungswidrig entweder den Warenort nicht an oder hatten diesen vorzeitig verlassen, bevor die Zollkontrolle abgeschlossen war. Dadurch konnten die nach Beendigung des Versandverfahrens zur Verzollung angemeldeten Waren bei der zollamtlichen Kontrolle nicht vorgefunden werden.
Eine Prüfung durch die Bf., ob die Waren tatsächlich am Warenort ankamen, fand nicht statt. Die Bf. bestätigte das Eintreffen der Waren, ohne Kenntnis über die tatsächliche Warenankunft erlangt zu haben. Eine Kontrolle vor Ort am Warenort durch Mitarbeiter der Bf. war nicht vorgesehen. Die Entscheidungsträger des belangten Verbandes stellten daher nicht sicher, dass die Waren nach ihrer Einfuhr nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen werden.
2. BFG: Organisationsverschulden der Entscheidungsträger, aber Einstellung des konkreten Ver-fahrens mangels Zurechenbarkeit des Verschuldens von Mitarbeitern der Subunternehmer
Das BFG stellte fest, dass die Bf. als sogenannte zugelassene Empfängerin im gemeinschaftlichen Versandverfahren und damit als Inhaberin der zollrechtlichen Bewilligungen für die Gestellung und Abfertigung von Waren am zugelassenen Warenort verantwortlich ist. Die Mitarbeiter der Bf. gaben die erforderlichen Anweisungen zur Verzollung, jedoch wurden diese Anweisungen von den LKW-Fahrern der Sub-Spediteure nicht befolgt.
Auch wenn die Transporte von anderen Speditionsunternehmen durchgeführt wurden, verbleibt die Verantwortung für die Einhaltung der Zollvorschriften weiterhin bei der Bf. Die fehlende Überwachung durch die Bf. führte zu Verstößen gegen zollrechtliche Verpflichtungen. Die Entscheidungsträger der Bf. hatten keine ausreichenden internen Kontrollen eingerichtet, um die Einhaltung der zollrechtlichen Verpflichtungen sicherzustellen. Dies wertete das BFG dem Grunde nach als grob fahrlässiges Organisationsverschulden der Entscheidungsträger der Bf.
Dennoch konnte nach Ansicht des BFG im konkreten Verfahren keine Verbandsstrafe gegen die Bf. verhängt werden: Denn die Bf. hatte zwar die zollrechtliche Abwicklung der Einfuhr der Waren übernommen, die eigentlichen Verstöße begingen jedoch die Fahrer der Subunternehmer. Die Fahrer fuhren entweder den Warenort nicht an oder verließen ihn vorzeitig, ohne die zollamtliche Kontrolle abzuwarten.
- Da die Fahrer finanzstrafrechtlich nicht als Mitarbeiter der Bf. gelten, konnte die Bf. als Verband für deren Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden.
- Die Bf. konnte finanzstrafrechtlich auch nicht für die Handlungen der eigenen Mitarbeiter verantwortlich gemacht werden, weil diese den Spediteuren die erforderlichen Anweisungen zur Verzollung gaben und ihnen somit kein strafbarer Vorwurf gemacht werden konnte.
- Ein vom BFG festgestellter fehlender Überwachungsmechanismus wäre von den Entscheidungsträgern der Bf. zu verantworten. Eine mögliche Verantwortlichkeit der Entscheidungsträger war allerdings nach Ansicht des BFG nicht verfahrensgegenständlich.
Obwohl vom BFG ein Organisationsverschulden der Entscheidungsträger der Bf. festgestellt wurde, stellte das BFG das Finanzstrafverfahren hinsichtlich der strittigen Warenlieferungen ein. Denn ein Finanzstrafverfahren gegen die Bf. wegen einer Verantwortlichkeit für Finanzvergehen ihrer Entscheidungsträger war nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
3. Ausblick
Ein Verband kann finanzstrafrechtlich nicht automatisch für die Handlungen von Subunternehmern verantwortlich gemacht werden. Dafür müsste klar nachgewiesen werden, dass die Verstöße schuldhaft durch Entscheidungsträger und/oder Mitarbeiter des Verbandes begangen worden sind. Im gegenständlichen Fall konnte die Bf. erfolgreich darlegen, dass die Verstöße auf Mitarbeiterebene durch Subunternehmer begangen wurden, wodurch eine finanzstrafrechtliche Zurechnung der Handlungen der Mitarbeiter der Subunternehmer an den Verband nicht möglich war.
Gleichzeitig macht die Entscheidung auf die strafrechtlichen Gefahren bei arbeitsteiligem Zusammenwirken unterschiedlicher Unternehmen aufmerksam: Sie unterstreicht die Bedeutung einer klaren Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen Auftraggebern und Subunternehmern im Zollbereich. Verbände sollten ausreichende interne Kontrollmechanismen implementieren, um Zollverstöße bestmöglich zu verhindern.