VwGH zur Anerkennung einer „Schwestergruppe“
Tax News 3/2024
Tax News 3/2024 – Bilanz- und Konzernsteuerrecht
Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 27.3.2024 (Ro 2023/13/0018) entschieden, dass § 9 Abs. 3 Ts. 4 KStG als unionsrechtswidrig zu qualifizieren ist, da die Bestimmung grenzüberschreitende Sachverhalte gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten benachteiligt. Das Höchstgericht bestätigte somit die Ansicht des BFG, dass die Bildung einer Schwestergruppe mit ausländischem Gruppenträger und somit ein horizontaler Verlustausgleich zulässig ist, wies jedoch Entgegen der Vorgehensweise des BFG die Gruppenträgerfunktion der ausländischen Muttergesellschaft zu.
1. Regelungen des nationalen Gruppenbesteuerungsregimes
Gemäß § 9 Abs. 3 KStG können neben unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften auch beschränkt steuerpflichtige Gesellschaften Gruppenträger sein, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie eine im Firmenbuch eingetragene österreichische Zweigniederlassung besitzen, der die Beteiligung an den Gruppenmitgliedern zuzurechnen ist. Die Ergebniszurechnung erfolgt entsprechend den nationalen Vorschriften grundsätzlich vertikal zum jeweiligen Gruppenträger. Über einen horizontalen Ergebnisausgleich enthält das Gesetz keine Bestimmungen.
Schwestergesellschaften mit einer ausländischen Muttergesellschaft (ohne inländische Zweigniederlassung der die Beteiligungen zugerechnet werden) können bzw. konnten nach unveränderter Sichtweise der Finanzverwaltung keine Gruppe bilden.
2. Sachverhalt und bisheriger Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin M-GmbH, mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland, stellte als Gruppenträgerin den Antrag auf Bildung einer Unternehmensgruppe mit ihren österreichischen Tochtergesellschaften T1-GmbH und T2-GmbH (Schwestergesellschaften) als Gruppenmitglieder, an denen sie zu jeweils etwa 100 % beteiligt war (siehe auch Tax News 05-06/2022). Ziel war der Ausgleich der steuerlichen Ergebnisse der beiden inländischen Tochtergesellschaften, wobei nach Ansicht der Bf die Gruppenträgerfunktion von T2 übernommen werden sollte.
Da die deutsche M-GmbH keine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung hatte, wies das zuständige Finanzamt den Gruppenantrag mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen ab. Die M-GmbH wandte sich an das BFG mit der Begründung, dass die Abweisung des Antrags auf Gruppenbildung einer ausländischen Gruppenträgerin ohne inländische Zweigniederlassung eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit nach Unionsrecht darstelle.
Das BFG (31.03.2022, RV/7104573/2020) folgte der Ansicht der Bf und gab der Beschwerde statt, wogegen Amtsrevision eingelegt wurde. Der VwGH hob dass BFG-Erkenntnis jedoch wegen eines Verfahrensfehlers auf. In Folge erließ das BFG ein praktisch wortgleiches neues Erkenntnis (siehe auch Tax News 05-06/2023) gegen das wiederum Amtsbeschwerde erhoben wurde.
3. Entscheidung des VwGH vom 27.3.2024 (Ro 2023/13/0018)
Der VwGH hielt in seiner Entscheidung vom 27.3.2024 (Ro 2023/13/0018) fest, dass die Beschränkung des § 9 Abs. 3 KStG der Niederlassungsfreiheit widerspricht und somit unionsrechtswidrig ist. Hier liegt eine Benachteiligung grenzüberschreitende Sachverhalte gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten vor.
Entgegen der Vorgehensweise des BFG wies der VwGH im vorliegenden Fall die Gruppenträgerfunktion jedoch nicht ganz unerwartet nicht einer der österreichischen Tochtergesellschaften, sondern der ausländischen Muttergesellschaft zu. Eine Vermischung der Gruppenmitglieds- und Gruppenträgerfunktion hat zu unterbleiben. Die Besteuerung des Gruppenergebnisses hat folglich beim Gruppenträger zu erfolgen, wobei das Besteuerungsrecht des Gruppengesamtergebnisses Österreich zusteht. Verlustüberhänge aus dem Gesamtergebnis der Gruppenmitglieder stellen dabei einen vortragsfähigen Verlust des ausländischen Gruppenträgers dar.
4. Conclusio
Sowohl BFG als auch VwGH kamen zu der Entscheidung, dass die Bildung einer „Schwesterngruppe“ und somit ein horizontaler Verlustausgleich zulässig sein müsse, da die derzeitige gesetzliche Einschränkung des § 9 Abs. 3 KStG unionsrechtswidrig sei. Es bleibt somit abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf diese Entscheidungen reagieren und die Unionsrechtskonformität herstellen wird. Ebenso bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung bis dahin aus praktischer Sicht für die Umsetzung des Urteils sorgen wird. Denkbar wäre hier z. B. die Fingierung einer österreichischen Betriebsstätte der ausländischen Muttergesellschaft, die eine Steuernummer erhält und welcher die Ergebnisse zugerechnet werden.
In Zukunft ist es somit nicht mehr zwingend notwendig, Beteiligungen an österreichischen Tochtergesellschaften zwecks Gruppenbildung in inländische Betriebsstätten bzw. inländische Holdinggesellschaften zu übertragen. Die Möglichkeiten eines horizontalen Verlustausgleichs können somit neu geprüft bzw. analysiert werden.
Interessant wird auch die Frage werden, in wie weit ausländische Regelungen bei der Ermittlung des ö. Gruppenergebnis zwecks Vermeidung doppelter Verlustberücksichtigung zu berücksichtigen sind bzw. ob Gruppenverluste einer fingierten Betriebsstätte auch anderweitig genutzt werden können (z. B. durch „Überführung“ in eine tatsächlich neu begründete Betriebstätte der ausländischen Muttergesellschaft in Österreich). Die weitere Rechtsentwicklung bleibt hier abzuwarten.