Gruppenbesteuerung: Horizontaler Ergebnisausgleich zwischen österreichischen Tochtergesellschaften einer deutschen Muttergesellschaft
Tax News 05-06/2022
Bilanz- und Konzernsteuerrecht
Das Bundesfinanzgericht (BFG) gestattete mit Erkenntnis vom 31.03.2022, RV/7104573/2020, einer ausländischen Muttergesellschaft ohne Zweigniederlassung in Österreich als Gruppenträgerin mit ihren inländischen Tochtergesellschaften als Gruppenmitglieder eine Unternehmensgruppe nach § 9 KStG zu bilden und ermöglichte somit einen horizontalen Ergebnisausgleich zwischen den österreichischen Schwestergesellschaften. Das Erfordernis einer eingetragenen inländischen Betriebsstätte stellt nach Ansicht des BFG eine unionsrechtlich verbotene Beschränkung dar.
Regelungen des nationalen Gruppenbesteuerungsregimes
Nach § 9 Abs 3 KStG können neben unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften auch beschränkt steuerpflichtige Gesellschaften Gruppenträger sein, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie eine im Firmenbuch eingetragene österreichische Zweigniederlassung besitzen, der die Beteiligung an den Gruppenmitgliedern zuzurechnen ist. Die Ergebniszurechnung erfolgt entsprechend den nationalen Vorschriften grundsätzlich vertikal zum jeweiligen Gruppenträger. Über einen horizontalen Ergebnisausgleich enthält das Gesetz keine Bestimmungen.
In den KStR 2013 Rz 1024 wurde bisher nur auf die Rechtsprechung des EuGH 27.11.2008, C-418/07, Rs Papillon reagiert. Schwestergesellschaften mit einer ausländischen Muttergesellschaft (ohne inländische Zweigniederlassung der die Beteiligungen zugerechnet werden) können nach unveränderter Sichtweise der Finanzverwaltung keine Gruppe bilden.
Der Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin M-GmbH, mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland, stellte als Gruppenträgerin den Antrag auf Bildung einer Unternehmensgruppe mit ihren österreichischen Tochtergesellschaften T1-GmbH und T2-GmbH (Schwestergesellschaften) als Gruppenmitglieder, an denen sie zu jeweils etwa 100 % beteiligt war.
Das Ziel der Gruppenbildung war nicht die Ergebniszurechnung an die deutsche Gruppenträgerin, sondern der Ausgleich der steuerlichen Ergebnisse der beiden inländischen Tochtergesellschaften. Im Antrag führte die Bf daher aus, dass die Gruppenträgerfunktion von der T2-GmbH übernommen wird und ihr das gesamte inländische Gruppeneinkommen zuzurechnen ist. Da die deutsche M-GmbH keine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung hatte, wies das zuständige Finanzamt den Gruppenantrag mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen ab.
Die M-GmbH wandte sich an das BFG mit der Begründung, dass die Abweisung des Antrags auf Gruppenbildung einer ausländischen Gruppenträgerin ohne inländische Zweigniederlassung eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit nach Unionsrecht darstelle.
Erkenntnis des BFG
Das BFG gab der Beschwerde mit der Begründung statt, dass die in § 9 Abs 3 KStG normierte Voraussetzung einer inländischen Zweigniederlassung für ausländische Gruppenträger gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit nach Art 49 iVm Art 54 AEUV verstößt und insoweit unionsrechtswidrig ist. Das Gericht befasste sich insbesondere mit zwei dem Sachverhalt vergleichbaren Judikaten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Zusammenhang mit der niederländischen und der luxemburgischen Gruppenbesteuerung (EuGH 12.06.2014, SCA Group Holding BV ua, C-39/13, C-40/13, C-41/13 und EuGH 14.05.2020, B ua, C-749/18). In beiden Fällen erkannte der Gerichtshof eine Ungleichbehandlung von ausländischen Muttergesellschaften, denen die Bildung einer steuerlichen Gruppe mit gebietsansässigen Tochtergesellschaften einerseits ohne Zweigniederlassung und andererseits aufgrund der Beschränkung des vertikalen Ausgleichs nach den jeweiligen nationalen Vorschriften verwehrt wurde.
Da diese EuGH-Rechtsprechung noch nicht in das nationale Recht umgesetzt wurde, kommt das BFG aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Einfachheit zum Ergebnis, dass der M-GmbH lediglich die Funktion als Referenzobjekt zukommen soll, um die Ergebniszurechnung bei einem inländischen Gruppenmitglied zu ermöglichen. Dabei haben die Gruppengesellschaften nach Ansicht des BFG ein Wahlrecht, ein inländisches Gruppenmitglied auszuwählen, das die Gruppenträgerfunktion übernehmen soll. Im gegenständlichen Fall wurde dieses Wahlrecht zugunsten der T2-GmbH ausgeübt.
Gegen die Entscheidung des BFG wurde wenig überraschend Amtsrevision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eingelegt.
Conclusio und Auswirkungen
Auf Basis der BFG-Entscheidung kann eine ausländische Muttergesellschaft unabhängig vom Vorliegen einer eingetragenen Zweigniederlassung in Österreich eine steuerliche Unternehmensgruppe mit ihren inländischen Tochtergesellschaften bilden, bei welcher die steuerlichen Ergebnisse horizontal ausgeglichen werden. Die Gruppenantragspflicht trifft die ausländische Muttergesellschaft, die als Referenzobjekt innerhalb der Steuergruppe fungiert. Beim Gruppenantrag muss angegeben werden, welchem der inländischen Tochtergesellschaften die Gruppenträgerfunktion zukommen soll.
Das BFG hat sich nicht mit der Frage befasst, in welchem Umfang die Gruppenträgerfunktion auf die ausgewählte Gesellschaft übergeht, zB welche Regeln betreffend Vor- und Außergruppenverlustverwertung gelten. Das eingeräumte Wahlrecht die Gruppenträgerfähigkeit einem frei wählbarem inländischen Gruppenmitglied zuzuordnen, könnte daher die Möglichkeit eröffnen, dabei die potenziellen Vor- und Nachteile, insbesondere hinsichtlich der Vor- und Außergruppenverluste, zu berücksichtigen. Gegen die Entscheidung des BFG wurde Amtsrevision eingelegt. Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, wie der VwGH diesen Fall beurteilen wird.
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