VfGH zu steuerlichem Wohlverhalten als Fördervoraussetzung: Anknüpfung an Verurteilung verfassungswidrig

Tax News 10/2023

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Nach der aktuellen Rechtsprechung des VfGH darf der Gesetzgeber die Gewährung von Förderungen an ein steuerliches Wohlverhalten knüpfen. Jedoch darf die Gewährung von Förderungen nicht vom Zeitpunkt der rechtskräftigen Verhängung einer finanzstrafrechtlichen Sanktion abhängig gemacht werden. Hingegen wäre eine Anknüpfung der Förderwürdigkeit an den Tatzeitpunkt des Finanzvergehens verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. (VfGH 05.10.2023, G 172/2022-14, V 172/2022-14)

1. Wohlverhaltensgesetz: Finanzvergehen können Ausschluss von Förderungen bewirken

Das sogenannte Wohlverhaltensgesetz knüpft die Gewährung von Förderungen aufgrund der COVID-19-Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten des Antragstellers oder dessen geschäftsführende Organe: Steuerliches Wohlverhalten verlangt unter anderem, dass "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion […] in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein [darf]“.

2. VfGH: Anknüpfung an finanzstrafrechtliche Verurteilung verfassungswidrig

Nach Ansicht des VfGH verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz, Unternehmen allein deshalb von COVID-19-Hilfsmaßnahmen auszuschließen, weil über das Unternehmen oder seine geschäftsführenden Organe in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung wegen eines vorsätzlich begangenen Finanzdeliktes rechtskräftig eine Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße verhängt worden ist.
 
Nach den Ausführungen des VfGH liegt es im Regelungsspielraum des Gesetzgebers, Förderungen an steuerliches Wohlverhalten zu knüpfen, sodass das Wohlverhaltensgesetz per nicht als verfassungswidrig zu beurteilen ist. Allerdings widerspricht die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Verhängung einer finanzstrafrechtlichen Sanktion und nicht an den Tatzeitpunkt des Finanzvergehens aus folgenden Überlegungen dem verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebot:
  • Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber hat nicht normiert, in welchem Zeitraum die Abgabenhinterziehung stattgefunden haben muss. Damit sind Unternehmen auch dann vom Anspruch ausgeschlossen, wenn die Begehung des Finanzdeliktes viele Jahre zurückliegt.
  • Die Verjährung von Finanzdelikten ist für die Dauer des Strafverfahrens gehemmt; damit können auch weit in der Vergangenheit liegende Finanzdelikte dazu führen, dass kein Anspruch auf Finanzhilfen besteht.
  • Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass es im Finanzstrafgesetz nur für Finanzvergehen, für deren Verfolgung die Finanzstrafbehörde zuständig ist, eine absolute Verjährungsfrist für die Strafbarkeit gibt. Für den Bereich des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens existiert nach der aktuellen Rechtslage keine absolute Verjährung.

Im Ergebnis haben die aktuellen Regelungen des Finanzstrafgesetzes zur Folge, dass es mit der Anknüpfung an den Zeitpunkt an eine rechtskräftige Verurteilung keine zeitliche Grenze für den Ausschluss von der Gewährung von Förderungen wegen weit in der Vergangenheit liegender vorsätzlicher Abgabenhinterziehungen gibt.

3. Ausblick

Die Anknüpfungstechnik an eine rechtskräftige finanzstrafrechtliche Verurteilung findet sich nicht nur im Wohlverhaltensgesetz, sondern auch in den Richtlinien zum Fixkostenzuschuss, zum Ausfallsbonus sowie zum Lockdown-Umsatzersatz. Diese Richtlinien sind daher vom VwGH insofern ebenso als gesetz- bzw. verfassungswidrig aufgehoben worden.

Solange sich ein verfassungswidriges Gesetz im Rechtsbestand befindet, ist es trotz seiner Verfassungswidrigkeit weiterhin anwendbar. Die Aufhebung der verfassungswidrigen Passage des Wohlverhaltensgesetzes tritt ebenso wie die gleichlautenden Richtlinienstellen nach expliziter Anordnung des VfGH erst mit Ablauf des 15.04.2024 in Kraft. Somit sind rechtskräftige Verurteilungen wegen Finanzvergehen im Rahmen von Förderprüfungen bis dahin noch beachtlich.