(Finanz-)strafrechtliche Verurteilung: Ausschluss aus Vergabeverfahren?

Tax News 10/2023

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Eine rechtskräftige Verurteilung bei Verwirklichung bestimmter strafrechtlicher Tatbestände, eine Bestrafung aufgrund eines Finanzvergehens oder das Nicht-Nachkommen von Verpflichtungen zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern und Abgaben kann zu weitreichenden Konsequenzen im Vergaberecht führen. Mit dem BVergG 2018 wurden die Tatbestände, die zum Ausschluss eines Unternehmers aus dem Vergabeverfahren führen, konkretisiert und erweitert. Eine gerichtliche Verurteilung wegen Abgabenhinterziehung erfüllt bspw. diesen Tatbestand. 

1. Ausschluss bei strafrechtlicher Verurteilung

Der öffentliche Auftraggeber hat einen Unternehmer jederzeit von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen, wenn dieser Kenntnis von einer rechtskräftigen Verurteilung des Unternehmers hat, die bspw. einen der folgenden Tatbestände betrifft oder ein vergleichbarer Straftatbestand in dem Land erfüllt wird, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat:

  • Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, Bestechung, Vorteilszuwendung oder verbotene Intervention (§§ 304 bis 309 StGB und § 10 UWG)
  • Betrug (§§ 146 bis 148 StGB)
  • Untreue (§ 153 StGB), Geschenkannahme (§ 153a StGB)
  • Förderungsmissbrauch (§ 153b StGB)

2. Ausschluss bei unterlassener Entrichtung von SV-Beiträgen, Steuern und Abgaben

Der öffentliche Auftraggeber hat einen Unternehmer jederzeit von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn der Unternehmer seine Verpflichtungen zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge oder von Steuern und Abgaben in Österreich oder nach den Vorschriften des Landes, in dem er seinen Sitz hat, nicht erfüllt hat und dies
  • durch eine rechtskräftige Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung in Österreich oder gemäß den Vorschriften des Landes, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, festgestellt wurde, oder
  • durch den öffentlichen Auftraggeber auf andere geeignete Weise nachgewiesen wurde.

3. Nachweisführung

Zur Nachweisführung der in Pkt. 1. genannten Strafausschlussgründe sind im Vergabeverfahren Strafregisterbescheinigungen und Registerauskünfte für Verbände vorzulegen. Zusätzlich werden von öffentlichen Auftraggebern regelmäßig Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Kontobestätigungen des zuständigen Sozialversicherungsträgers und Rückstandsbescheinigungen des zuständigen Finanzamtes verlangt. Somit werden gerichtliche Verurteilungen i. Z. m. Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern und Abgaben dem Auftraggeber jedenfalls bekannt.

Darüber hinaus muss der Bieter in der Vergabeverfahrenspraxis regelmäßig bestätigen, dass keine rechtskräftigen Gerichts- oder Verwaltungsentscheidungen vorliegen, die ihn von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausschließen könnten. Die Bestrafung wegen eines von der Finanzstrafbehörde im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens zu ahndenden Finanzvergehens erfüllt grundsätzlich ebenfalls den Ausschlusstatbestand.

4. Ausnahmen vom Ausschluss

Der öffentliche Auftraggeber hat von einem Ausschluss Abstand zu nehmen, wenn

  1. er festgestellt hat, dass der Unternehmer seinen Verpflichtungen zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge oder der Steuern und Abgaben dadurch nachgekommen ist, dass er die Zahlung vorgenommen oder eine verbindliche Vereinbarung im Hinblick auf die Entrichtung der fälligen Sozialversicherungsbeiträge, Steuern oder Abgaben – gegebenenfalls einschließlich etwaiger Zinsen oder Strafzahlungen – eingegangen ist, oder
  2. nur ein geringfügiger Rückstand hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge oder der Steuern und Abgaben besteht oder
  3. der Ausschluss aus anderen Gründen offensichtlich unverhältnismäßig wäre.

Der öffentliche Auftraggeber kann ebenfalls von einem Ausschluss Abstand nehmen, wenn auf die Beteiligung des Unternehmers in begründeten Ausnahmefällen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nicht verzichtet werden kann. Außerdem besteht für den auszuschließenden Unterneh-mer die Möglichkeit nachzuweisen, dass er trotz Vorliegens eines Ausschlussgrundes zuverlässig ist.

Insbesondere wird daher bei Finanzordnungswidrigkeiten mit geringerem Unrechtsgehalt je nach Lage des konkreten Einzelfalles und einer entsprechenden Reaktion bzw. „selbstreinigender“ Maßnahmen des Bieters von einem Ausschluss des Unternehmens abgesehen werden können.

5. Ausblick

Jene Unternehmen, die regelmäßig an öffentlichen Auftragsausschreibungen teilzunehmen planen, sollten stets im Hinterkopf behalten, dass auch kleine Verfehlungen zu einem Ausschluss aus einem Vergabeverfahren führen können. Um jeglichen finanzstrafrechtlichen Risiken bestmöglich entgegenzutreten, sollten auch kleinere Versehen ehestmöglich saniert werden, um damit die Zuverlässigkeit des Unternehmens in Vergabeverfahren proaktiv sicherzustellen.

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