Werk- oder Dienstvertrag? Keine Vermutung der Richtigkeit des vertraglich Vereinbarten

Tax News 07-09/2023

Personal

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Bei der Beurteilung eines Vertrages als Werk- oder Dienstvertrag müssen die Merkmale eines Dienstvertrages im Sinne des EStG – Weisungsbindung und Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers – im Gesamtkontext betrachtet werden. Die gewählte Vertragsbezeichnung als Dienstvertrag oder als Werkvertrag ist bei der Einstufung irrelevant. Es gibt keine Vermutung der Richtigkeit des vertraglich Vereinbarten, die allenfalls von der Abgabenbehörde zu widerlegen wäre (VwGH 17.01.2023, Ra 2021/13/0097).

1. GPLB-Prüfung – Umqualifizierung von Werk- in Dienstverträge

Eine im Kur- und Reha-Bereich tätige GmbH wurde zur Haftung von Lohnsteuer und Lohnnebenkosten herangezogen. Denn im Zuge einer GPLB-Prüfung wurden drei auf werkvertraglicher Basis tätige Ärzte (davon einer als medizinischer Leiter des Bereichs Gefäßerkrankungen) als Dienstnehmer umqualifiziert. Die Leistungsbeziehung zwischen der GmbH und den Ärzten war folgendermaßen ausgestaltet:

  • Die Tätigkeitsausübung der Ärzte fand stets vor Ort im Betrieb der GmbH und auf Basis der durch die Leiterin erstellten Dienstpläne statt.
  • Dienstplanänderungen waren grundsätzlich möglich, Verhinderungen mussten jedoch bekanntgegeben werden, um unter anderem Patienten zu informieren und den betrieblichen Ablauf sicherzustellen.
  • Waren die Ärzte verhindert, wurden die Termine meist verschoben oder in dringenden Fällen durch einen Vertreter wahrgenommen. Vertretungsärzte durften keine Erstuntersuchungen durchführen.
  • Die Ärzte hatten sich an die Kuranstaltsordnung sowie an die Vorschriften des Landes und der SV-Träger zu halten sowie monatliche Arbeitsaufzeichnungen über ihre geleisteten Stunden zu führen.
  • Die Patienteneinteilung und -zuteilung erfolgte durch die GmbH und die Ergebnisse der Untersuchungen waren von den Ärzten in das Computersystem einzutragen.
  • Sämtliche für die Tätigkeiten der Ärzte erforderlichen Arbeitsmittel, Geräte und Räumlichkeiten wurden von der GmbH zur Verfügung gestellt.

Nach Ansicht der GPLB überwiegten nach dem äußeren Gesamtbild der Tätigkeit bei allen drei Ärzten die Merkmale eines echten Dienstverhältnisses.

2. VwGH: Tatsächlich verwirklichte vertragliche Vereinbarungen entscheidend

Beim Begriff des Dienstverhältnisses iSd § 47 Abs. 2 EStG handelt es sich um einen eigenständigen Begriff des Steuerrechts. Für das Vorliegen eines Dienstverhältnissees sind primär zwei Kriterien maßgeblich:

  • Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber sowie
  • Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers.

Bei Zweifelsfällen ist nach der Rechtsprechung des VwGH auf weitere Abgrenzungskriterien wie z.B. auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos und eine Vertretungsbefugnis Bedacht zu nehmen.

Die Beurteilung, ob ein Dienst- oder ein Werkvertragsverhältnis vorliegt, ist eine Sachverhaltsfrage und anhand der tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Auf die gewählte Vertragsbezeichnung als Dienst- oder Werkvertrag kommt es nicht an. Eine allenfalls von der Abgabenbehörde zu widerlegenden Vermutung der Richtigkeit des vertraglich Vereinbarten verneint der VwGH. Im konkreten Fall waren bei Gesamtbetrachtung aller Umstände die Merkmale eines echten Dienstverhältnisses überwiegend gegeben.

3. Ausblick

Gelebte Verhältnisse als Maßstab für Vertragsbeurteilung: Für das Bestehen eines Dienstverhältnisses kommt es nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung eines Schriftstückes als Dienstvertrag oder als Werkvertrag an. Vielmehr sind die tatsächlich gelebten vertraglichen Vereinbarungen entscheidend.

Keine Vermutung der Richtigkeit des vertraglich Vereinbarten: Zum Begriff des Dienstverhältnisses i.S.d. § 47 Abs. 2 EStG besteht keine – von der Abgabenbehörde allenfalls zu widerlegende – Vermutung der Richtigkeit des schriftlich Vereinbarten. Im Umkehrschluss obliegt primär dem Steuerpflichtigen die Glaubhaftmachung des tatsächlich gelebten Vertragsverhältnisses (= Nachweisführung durch Steuerpflichtigen).

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