VwGH: Nach übersehener, aber gültiger Zustellung per FinanzOnline keine Wiedereinsetzung möglich
Tax News 05-06/2023
Verfahrensrecht
Die Revisionswerberin erhält eine Mängelbehebung in ihre DataBox von FinanzOnline zugestellt. Laut diesem Schreiben hat sie bestimmte Mängel in ihrer Beschwerde innerhalb eines Monats zu beheben, andernfalls gilt die Beschwerde als zurückgenommen. Da die bisherige Korrespondenz postalisch erfolgte und die Rw über den Eingang nicht per E-Mail informiert wird, versäumt sie die Monatsfrist. Dies ist durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand laut BFG und VwGH nicht sanierbar, da ihr Fehlverhalten (die Unkenntnis über die Zustellung) einen minderen Grad des Versehens überschreitet.
VwGH 26.01.2023, Ra 2022/16/0112
Die Revisionswerberin erhält am 17.04.2020 eine Mängelbehebung in ihre DataBox von FinanzOnline zugestellt. Mit diesem Schreiben wird sie aufgefordert, bestimmte Mängel in ihrer Beschwerde bis zum 18.05.2020 zu beheben. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 05.06.2020 informiert sie das Finanzamt, dass aufgrund der fehlenden Beantwortung ihre Beschwerde gem. § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gilt. Daraufhin beantragt die Rw eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO, da die amtliche Korrespondenz bisher postalisch erfolgte und ihr unbekannt sei, dass eine E-Mail-Adresse in ihrem FinanzOnline-Konto hinterlegt ist. Daher habe sie keine Kenntnis vom Mängelbehebungsauftrag gehabt. Mit Bescheid vom 19.08.2020 weist das Finanzamt diesen Antrag ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde weist das BFG als unbegründet ab.
Im Falle eines Fristversäumnisses setzt eine erfolgreiche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand laut § 308 Abs. 1 BAO voraus, dass ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eintrat, das die Partei hinderte, die Frist einzuhalten. Ein nur minderer Grad des Versehens ist unbeachtlich, bei einem höheren Grad des Versehens ist eine Wiedereinsetzung nicht zulässig.
Laut VwGH war der Rw bekannt, dass sie eine FinanzOnline DataBox hat. Der Mängelbehebungsauftrag wurde in diese Box zugestellt, nur ohne gesonderte Verständigung per E-Mail, da die Rw zwar eine E-Mail-Adresse bekannt gegeben hatte, eine derartige Verständigung in FinanzOnline jedoch nicht aktiviert worden war. Davon unabhängig ist das Schreiben mit der Mängelbehebung gem § 98 Abs. 2 BAO in den elektronischen Verfügungsbereich der Empfängerin gelangt und gilt mit diesem Tag als zugestellt. Dies löst den Fristenlauf aus.
Entscheidend ist, dass die Rw über eine FinanzOnline DataBox für elektronische Zustellungen verfügt und keine Vorkehrungen dazu getroffen hat, dass sie über diese Zustellungen Kenntnis erlangt. Ein derartiges Verhalten geht über den minderen Grad des Versehens hinaus, weshalb die beantragte Wiedereinsetzung zu verwehren ist. Die Revision ist somit zurückzuweisen.
Anmerkungen
Relevant ist die Antwort auf die Frage, was noch ein minderer Grad bzw. schon ein schwerer Grad des Versehens i.S.d. § 308 Abs. 1 BAO ist. Ein minderer Grad des Versehens entspricht nach der Judikatur der leichten Fahrlässigkeit, dh wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. An rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles.
Die Gerichtshöfe verneinen bei der Steuerpflichtigen einen minderen Grad des Versehens, da sie im FinanzOnline einen Fehler machte und daher über neue Inhalte nicht benachrichtigt wurde. Ob dies – auch beim ersten Mal der übersehenen Zustellung – tatsächlich schon auffallend sorglos ist, lässt sich wohl auch anders beurteilen. Wer Computer ungern benützt, sollte FinanzOnline besser nicht verwenden, auch wenn dies administrativ ineffizient erscheint. Eine großzügigere Rechtslage für Betroffene wäre wohl im Interesse aller Beteiligten. Diesfalls wäre der Revisionswerberin nämlich die Möglichkeit auf eine Sachentscheidung erhalten geblieben.
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