Keine Akteneinsicht für Masseverwalter einer GmbH im Finanzstrafverfahren ihrer Entscheidungsträger
Tax News 03-04/2023
Finanzstrafrecht
Wird ein Finanzstrafverfahren nur gegen die Entscheidungsträger einer insolventen GmbH (= Verband) geführt, steht dem Masseverwalter in diesem Verfahren kein Recht auf Akteneinsicht zu. Da Verbandsgeldbußen als Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen als ausgeschlossene Ansprüche iSd § 58
Z 2 Insolvenzordnung (IO) anzusehen sind und daher nicht als Insolvenzforderungen gelten, ist die Masse von der Verhängung einer Verbandsgeldbuße nicht berührt. Mangels Masseberührung ist der Masseverwalter betreffend die Verhängung von Verbandsgeldbußen nicht zur Vertretung der Masse befugt. (VwGH 22.03.2022, Ra 2020/16/0136-6).
1. Sachverhalt
Der Geschäftsführer und die Prokuristin einer GmbH erstatteten für sich und den Verband eine Selbstanzeige wegen nicht abgeführter Lohnabgaben. Da in weiterer Folge über das Vermögen der GmbH ein Konkursverfahren eröffnet wurde, leitete das Finanzamt nur gegenüber dem Geschäftsführer und der Prokuristin ein Finanzstrafverfahren ein. In diesem Verfahren beantragte der Masseverwalter der GmbH in seiner Funktion als Masseverwalter Akteneinsicht. Er begründete sein Recht auf Akteneinsicht mit der Stellung der GmbH als Nebenbeteiligte. Die GmbH könne nämlich gemäß § 28 FinStrG für die von ihren gesetzlichen Vertretern verkürzten Abgaben zur Haftung herangezogen werden.
Die Finanzstrafbehörde wies den Antrag auf Akteneinsicht mit Bescheid ab. Dagegen erhob der Masseverwalter Beschwerde.
2. BFG: Keine Akteneinsicht im Finanzstrafverfahren der Entscheidungsträger
Nach Ansicht des Bundesfinanzgericht (BFG) hat die GmbH im Finanzstrafverfahren gegen ihre Entscheidungsträger weder Beschuldigten- noch Nebenbeteiligtenstellung (§ 79 Abs 1 FinStrG). Die Stellung der GmbH als Haftungsbeteiligte scheidet aus, weil die GmbH unter das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) fällt und daher nicht nach § 28 FinStrG zur Haftung für gegen ihre Entscheidungsträger verhängte Geldstrafen herangezogen werden kann. Dem Masseverwalter als gesetzlichen Vertreter der GmbH steht mangels Haftungsbeteiligtenstellung der GmbH im Finanzstrafverfahren gegen ihre Entscheidungsträger kein Recht auf Akteneinsicht zu.
Gegen das Erkenntnis des BFG erhob der Masseverwalter außerordentliche Revision.
3. VwGH: Keine Vertretungsbefugnis des Masseverwalters im Verbandsverantwortlichkeitsverfahren
Der VwGH folgte den inhaltlichen Ausführungen des BFG zur Verbandsverantwortlichkeit und der folglich ausscheidenden Haftung nach § 28 FinStrG. Die Zurückweisung der Revision erfolgte jedoch aufgrund fehlender Vertretungsbefugnis des Masseverwalters.
Verbandsgeldbußen nach § 4 VbVG, die der GmbH aufgrund der Taten ihrer Entscheidungsträger auferlegt werden können, sind unter den Begriff der Geldstrafe wegen einer strafbaren Handlung nach § 58 Z 2 IO zu subsumieren: Diese können als sogenannte ausgeschlossene Ansprüche nicht als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. Daher ist die Masse von der Verhängung einer Verbandsgeldbuße nicht berührt.
Die Revision erhob der Masseverwalter in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter der GmbH im Konkursverfahren. Da eine potenziell verhängbare Verbandsgeldbuße die Konkursmasse jedoch nicht berührt, ist der Masseverwalter betreffend die Verhängung einer Verbandsgeldbuße zur Vertretung der Masse nicht befugt.
Zur Frage, ob einem Verband selbst, und nicht dem Masseverwalter in Vertretung der Masse, im finanzstrafbehördlichen Verfahren gemäß § 56 Abs 5 Z 1 FinStrG gegen seinen Entscheidungsträger die Rechte eines Beschuldigten zukommen, auch wenn gegen den Verband selbst kein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden ist, hat sich der VwGH bisher leider nicht geäußert.
4. Ergebnis
Eine Haftung der GmbH als Haftungsbeteiligte nach § 28 FinStrG kommt für Finanzvergehen ihrer Entscheidungsträger nicht in Betracht, wenn die Verhängung einer Verbandsgeldbuße über die GmbH nach dem VbVG möglich wäre.
Der Masseverwalter ist zum Einschreiten für den Gemeinschuldner (hier: GmbH) nur insoweit legitimiert, als es sich um Ansprüche gegenüber der Konkursmasse handelt. Ausschließlich der Gemeinschuldner selbst ist zum Einschreiten in jenen Bereichen legitimiert, die das zur Konkursmasse gehörende Vermögen nicht betreffen. Da der Masseverwalter betreffend die Verhängung einer Verbandsgeldbuße zur Vertretung der Masse nicht befugt ist, besteht keine Legitimation des Masseverwalters zur Geltendmachung der korrespondierenden Verfahrensrechte des Verbandes, wie dem Recht auf Akteneinsicht.
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