BFG zur Haftung gemäß § 11 BAO: Beschwerde gegen Abgabenbescheide nicht zulässig
Tax News 07-09/2022
Verfahrensrecht
Die Haftung nach § 11 BAO basiert auf der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens oder einer vorsätzlichen Verletzung von Abgabenvorschriften. Das Strafurteil/die verwaltungsbehördliche Entscheidung entfaltet Bindungswirkung für die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO. Dies gilt unabhängig vom Inhalt eines diesem Verfahren zugrundeliegenden Abgabenbescheides (zB Umsatzsteuerbescheid, Einkommensteuerbescheid). Daher ist im Rahmen der Bekämpfung des Haftungsbescheides nach § 11 BAO eine Bekämpfung des Abgabenbescheides nicht mehr zulässig.
1. Verurteilung wegen Abgabenhinterziehung, Haftung
Der Geschäftsführer bzw faktische Machthaber einer GmbH wurde rechtskräftig verurteilt, weil er Umsatzsteuer hinterzogen hatte (§ 33 FinStrG). In weiterer Folge erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid nach § 11 BAO und forderte den Abgabenpflichtigen auf, den genannten Umsatzsteuerbetrag zu entrichten. Der Abgabenpflichtige erhob sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen die Umsatzsteuerbescheide Beschwerde. Denn nach Ansicht des Abgabepflichtigen wären die grob geschätzten Umsätze tatsächlich nicht erzielt und die Vorsteuern nicht entsprechend den tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt worden.
2. BFG 16.03.2022, RV/6100269/2021
Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden. Somit ist die rechtskräftige Verurteilung in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren als Tatbestandselement Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO (vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 11, E 2e).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH entfaltet ein Urteil des Strafgerichts oder eine verwaltungsbehördliche Entscheidung Bindungswirkung für den Haftungsbescheid gemäß § 11 BAO (vgl etwa VwGH 18.08.1994, 94/16/0013; VwGH 24.01.2013, 2010/16/016; VwGH 30.03.2000, 99/16/0141). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die festgestellten Tatsachen sowie die im Urteil/in der verwaltungsbehördlichen Entscheidung angeführten Beträge, Abgabenarten und Jahre (vgl Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 11 Rz 7).
Da die Bindungswirkung nur gegenüber der strafrechtlichen oder verwaltungsbehördlichen Entscheidung besteht, kommt dem Abgabenpflichtigen im Rahmen seiner Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nach § 11 BAO kein (nachträgliches) Beschwerderecht gegen die Abgabenbescheide gemäß § 248 BAO zu. Im konkreten Fall wurde die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide daher als unzulässig zurückgewiesen.
3. Conclusio: Bindungswirkung des Strafverfahrens losgelöst von Abgabenbescheiden
Grundsätzlich kann ein abgabenrechtlich Haftender nicht nur gegen den Haftungsbescheid eine Bescheidbeschwerde erheben, sondern innerhalb der für den Haftungsbescheid geltenden Beschwerdefrist auch gegen den (ursprünglichen) Abgabenbescheid (§ 248 BAO). Damit ist der Rechtsschutz des Haftenden vollumfänglich gewahrt, weil ihm ein eigenständiger Rechtszug gegen den der Haftungsinanspruchnahme zugrundeliegenden Abgabenbescheid eröffnet wird (VwGH 28.05.2019, Ra 2019/15/0032).
Allerdings gilt dies nicht für die abgabenrechtliche Haftung nach § 11 BAO. Die Haftungsinanspruchnahme gem § 11 BAO basiert allein auf einer strafgerichtlichen bzw verwaltungsbehördlichen Entscheidung und nicht auf einem Abgabenbescheid. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen den Haftungsbescheid ist eine Bekämpfung des Abgabenbescheides auch nach § 248 BAO mangels Beschwerdelegitimation nicht mehr möglich. Aufgrund der ausschließlichen Bindung des Haftungsbescheides nach § 11 BAO an die vorgängige gerichtliche/verwaltungsbehördliche Entscheidung müsste diese selbst im Falle von inhaltlichen Unrichtigkeiten bekämpft werden, um eine nachgängige abgabenrechtliche Haftung für die unrichtige Entscheidung des Gerichts/der Verwaltungsbehörde zu vermeiden.
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