BFG zur Nutzungsüberlassung spezifischer Fondssoftware an Kapitalanlagegesellschaft: umsatzsteuerbefreite Verwaltung von Sondervermögen (Folgeerkenntnis zu EuGH 17.06.2021, C-59/20 DBKAG)
Tax News 02-03/2022
Umsatzsteuer
Der EuGH hat am 17. Juni 2021 in der österreichischen Rechtssache C-59/20 DBKAG ausgeführt, unter welchen generellen Voraussetzungen in Outsourcingfällen die Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Sondervermögen gemäß § 6 Abs 1 Z 8 lit i UStG zur Anwendung kommt.
Die inhaltliche Entscheidung im konkreten Einzelfall wurde an das vorlegende BFG Linz verwiesen. Das BFG hat am 10.02.2022 für den konkreten Einzelfall entschieden, dass die Einräumung des Nutzungsrechts an einer individualisierten Software für die Durchführung von Risikomanagement- und Performancemessungsberechnung, die ausschließlich für die Verwaltung von OGAW-Fonds und AIFs verwendet wird, die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung erfüllt.
Sachverhalt
Ein externer Dienstleister räumte einer KAG vertraglich und entgeltlich ein unbefristetes Nutzungsrecht an einer Software zur Erstellung wesentlicher Berechnungen für die Verwaltungsleistungen „Risikomanagement und Performancemessung“ ein. Es handelte sich um eine speziell auf das Investmentfondsgeschäft zugeschnittene Software. Die vom Softwaredienstleister zu erbringenden Leistungen bestanden in der Überlassung der Software, der Umsetzung der Vorgaben der Verwaltungsgesellschaft, der Parametrisierung und Implementierung. Der Dienstleister haftete nur für die technische Entwicklung bzw Umsetzung der Vorgaben der Verwaltungsgesellschaft sowie in weiterer Folge für das technische Funktionieren der Software. Auf die von der Software vorgenommenen Berechnungen hatte die Verwaltungsgesellschaft keinen Einfluss. Im Ergebnis stellten die vom Softwaredienstleister entwickelten Module sicher, dass die für die Verwaltung von Sondervermögen benötigten Risiko- und Performancekennzahlen fristgerecht berechnet wurden und die DBKAG dadurch ihren gesetzlichen Verpflichtungen und den Markterfordernissen iZm dem Risikomanagement und der Performancerechnung nachkommen konnte. Durch das technische Funktionieren der Software wurde im Ergebnis sichergestellt, dass die vom Softwaredienstleister entwickelten und von DBKAG eingesetzten Module die tatsächliche Berechnung der Risiko- und Performance-Kennzahlen vollautomatisiert vornahmen.
Es handelt sich um Aufgaben, die die Verwaltungsgesellschaft gemäß gesetzlicher Vorgaben erfüllen muss. Die betreffende KAG hat ausschließlich Sondervermögen iSd InvFG und des AIFG verwaltet. Unstrittig war, dass ausgelagerte Leistungen auch auf elektronischem Weg erbracht werden können.
Urteil
Das BFG Linz nahm es auf Basis des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-59/20 DBKAG als gegeben an, dass
- es sich bei Risiko- und Performancemanagement um spezifische und wesentliche Funktionen der Verwaltung von Sondervermögen handelt,
- die im Großen und Ganzen ein eigenständiges Ganzes bilden und
- aufgrund des Umstandes, dass die Software die Berechnungen selbständig vornimmt und der Kapitalanlagesellschaft an der Software lediglich ein Nutzungsrecht, jedoch kein Eigentum zukommt, als vom externen Softwareprovider erbracht gelten.
Fraglich war gemäß BFG, ob aus dem EuGH-Urteil Blackrock geschlossen werden muss, dass die abstrakte Nutzungsmöglichkeit der Software auch für andere Tätigkeiten als die Verwaltung von Sondervermögen bereits die Anwendbarkeit der Umsatzsteuerbefreiung ausschließt oder ob es vielmehr auf die konkrete Nutzung ankommt. Die Behörde war der Ansicht, dass bereits die nur hypothetische Einsetzbarkeit der Software auch für andere Tätigkeit als die Verwaltung von Sondervermögen das Kriterium der „spezifischen und wesentlichen Funktion“ jedenfalls ausschließt und die Umsatzsteuerbefreiung zu versagen ist.
Das BFG kommt zum Schluss, dass – bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen gemäß EuGH-Judikatur - die konkrete Verwendung entscheidend ist. Erbringt die Software eine für die Verwaltung von Sondervermögen spezifische und wesentliche Leistung und wird sie tatsächlich nur für die Verwaltung von Sondervermögen eingesetzt, dann ist die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs 1 Z 8 lit i UStG anwendbar. Würde man auf die abstrakte Nutzungsmöglichkeit abstellen, wäre laut BFG kaum ein Anwendungsbereich für die genannte Umsatzsteuerbefreiung gegeben.
Da es keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob es für die Beurteilung der Umsatzsteuerbefreiung auf die hypothetische oder die konkrete Nutzungsmöglichkeit ankommt gibt, wurde die Revision zugelassen. Abzuwarten bleibt, ob Amtsrevision durch die Finanzverwaltung eingelegt wird.
In der Praxis wird jeder Einzelfall im Detail zu analysieren sein. Das EuGH-Urteil 17.06.2021, C-59/20 DBKAG, das Urteil des BFG Linz sowie die im Zuge der letzten Wartung in die UStR 2000 Rz 772a aufgenommenen Aussagen zu Performance- und Risikomessungssoftwarelösungen zeigen, dass die Umsatzsteuerbefreiung von spezifischen Softwaredienstleistungen an Kapitalanalgesellschaften möglich ist. In Zeiten zunehmender Digitalisierung und Spezialisierung kommt dieser Frage große praktische Bedeutung zu.
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