Adressat der Vorschreibung von KESt und Geschäftsführerhaftung

Tax News 02-03/2022

Verfahrensrecht

Kletterer

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Reichen die Mittel der GmbH nicht aus, um eine fällige KESt zu entrichten, obwohl der Liquidator seine Pflichten erfüllte, kann eine Abgabenforderung nicht auf § 9 BAO gestützt werden. Vielmehr hat laut BFG das Finanzamt dem Gesellschafter als Empfänger der Einkünfte die KESt gem § 95 Abs 4 EStG vorzuschreiben. Die KESt zahlt damit der Abgabenschuldner und nicht ein Haftender.

Das BFG erkannte am 15.12.2021, RV/2100734/2021, dass die KESt zuerst dem Steuerschuldner gem § 95 Abs 4 EStG vorzuschreiben ist, bevor ein Haftender gem § 9 BAO in Anspruch genommen werden kann. § 9 BAO normiert „nur“ eine Ausfallshaftung, vgl VwGH 10.09.2020, Ra 2020/13/0048.

1. Verfahrensablauf

Der Beschwerdeführer war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH und anschließend deren Liquidator. Nach Abschluss der Liquidation meldete er dem Finanzamt eine KESt iHv EUR 190.760,99. Einbezahlt wurde am Fälligkeitstag jedoch nur mehr das noch vorhandene Geldvermögen iHv EUR 58.562,39. Die Differenz iHv EUR 132.267,27 sei uneinbringlich, da den Gesellschafter keine Pflicht zur Leistung einer weiteren Einlage trifft und der Liquidator seine abgabenrechtlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllte. Er habe alle vorhandenen liquiden Mittel der Gesellschaft an die Abgabenbehörde bezahlt.

Das Finanzamt machte beim Bf und Liquidator daraufhin eine Haftung für KESt gem § 9 BAO geltend. Dies ist laut BFG jedoch unzulässig. Die in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben nämlich nur insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können (vgl § 9 Abs 1 BAO). Diese Haftung ist eine Ausfallshaftung. Sie darf nur geltend gemacht werden, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, dem Gesellschafter, sondern auch bei mit ihm verbundenen Gesamtschuldnern sowie bei außerhalb des § 9 BAO Haftenden eindeutig feststeht.

Die Abgabenbehörde hat die KESt beim Beschwerdeführer gem § 95 Abs 4 EStG als Steuerschuldner einzufordern. Denn nach Z 1 ist dem Empfänger der Kapitalerträge die KESt (ausnahmsweise) vorzuschreiben, wenn der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat und die Haftung des Abzugsverpflichteten nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre. Der angefochtene Bescheid ist aufzuheben, die Revision nicht zulässig.

2. Anmerkungen 

Dem Beschwerdeführer könnte die KESt sowohl als Schuldner (kraft Stellung als Gesellschafter und Empfänger der Einkünfte) als auch als Haftender (kraft Funktion als Liquidator) vorgeschrieben werden. Formal macht dies einen Unterschied. Die Haftung nach § 9 BAO darf nur subsidiär geltend gemacht werden, ein Haftungsbescheid ist im vorliegenden Sachverhalt mangels Verschuldens des Liquidators unzulässig. Von der Haftung nach § 9 BAO (Vertreterhaftung) ist die Haftung nach § 95 Abs 1 EStG (Haftung der GmbH als Abzugsverpflichteter) zu unterscheiden. Diese Haftung der GmbH scheidet aus, wenn die GmbH die fällige KESt nur teilweise entrichten konnte und die Steuer dem Abgabenschuldner vorgeschrieben werden kann.

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