BFG zu Nichtversteuerung der Todesfallbeihilfe: Erfolgreiche Vorsatzentkräftung
Tax News 01/2022
Finanzstrafrecht
„Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht“. Die Abgabenpflichtige muss somit eine wissentliche und willentliche Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht begründen. Im konkreten Fall liegt eine Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht vor, da die Todesfallbeihilfe nicht in die Einkommensteuererklärung der Beschwerdeführerin aufgenommen wurde. Fraglich ist jedoch, ob der Abgabenpflichtigen auch Vorsatz nachgewiesen werden kann.
1. Sachverhalt: Erhaltene Todesfallbeihilfe nicht erklärt – vorsätzliche Abgabenhinterziehung
Im Jahr 2011 erhielt die Beschwerdeführerin von der Ärztekammer aufgrund des Ablebens ihres Vaters eine sogenannte Todesfallbeihilfe in Höhe von EUR 27.901,00. Diese steuerpflichtigen Einkünfte nahm die Beschwerdeführerin nicht in ihre Einkommensteuererklärung auf.
Neben der Todesfallbeihilfe erhielt die Beschwerdeführerin auch diverse private Ablebensversicherungen, welche nicht der Steuerpflicht unterlagen. Da die Todesfallbeihilfe nach Ansicht der Beschwerdeführerin den Charakter einer solchen Ablebensversicherung gehabt habe, sei sie davon ausgegangen, dass auch die Todesfallbeihilfe steuerfrei wäre.
Hingegen ging das Finanzamt von vorsätzlich hinterzogenen Abgaben aus, wodurch das Einkommensteuerverfahren 2011 im Sommer 2019 wieder aufgenommen werden konnte (verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren gem § 207 BAO).
Der Vorsatz war nach Ansicht des Finanzamtes erwiesen, weil im Schriftverkehr der Ärztekammer mit der Beschwerdeführerin mehrfach auf die Einkommensteuerpflicht der Todesfallbeihilfe hingewiesen worden wäre. Jedoch hatte die Beschwerdeführerin diesen Schriftverkehr nach ihren eigenen Angaben nie erhalten. Ein konkreter Zustellnachweis, dass der Beschwerdeführerin dieser Schriftverkehr der Ärztekammer tatsächlich zugekommen war, konnte von der Abgabenbehörde nicht beigebracht werden.
Nach Ansicht der Abgabenbehörde musste die Beschwerdeführerin auch bei Nichterhalt des Schriftverkehrs der Ärztekammer davon ausgehen, dass die gegenständlichen Einkünfte der Steuerpflicht unterliegen, da dies im steuerlichen Allgemeinwissen stehe.
2. BFG 28.09.2021 RV/5100089/2020: Irrtum über steuerrechtliche Einordnung
Entgegen der Behauptung der Abgabenbehörde ist nach Ansicht des BFG im konkreten Fall nicht von einem „steuerlichen Allgemeinwissen eines mit durchschnittlichen steuerlichen Kenntnissen ausgestatteten Abgabepflichtigen“ auszugehen. Die Falllösung erfordere vielmehr steuerliches Spezialwissen, welches die Beschwerdeführerin nicht vorweisen kann. Da die vorliegende Todesfallbeihilfe einer privaten Ablebensversicherung gleicht und diese nicht der Steuerpflicht unterliegt, kann man im Hinblick auf die Steuerpflicht der Todesfallbeihilfe nicht von steuerlichem Allgemeinwissen ausgehen. Vielmehr ist steuerliches Spezialwissen notwendig, um die Steuerpflicht der Todesfallbeihilfe zu erkennen.
Wenn ein Steuerpflichtiger nicht selbst über das notwendige Wissen zur Beurteilung des steuerrechtlich relevanten Sachverhaltes verfügt, besteht Erkundigungspflicht und der Steuerpflichtige hat fachliche Expertise einzuholen. Dies ist im gegebenen Fall nie passiert. Doch das bloße Verletzen dieser Erkundigungspflicht kann keinen Vorsatz des Steuerpflichtigen, sondern lediglich ein grob fahrlässiges Verhalten begründen.
Im Ergebnis kam es zu einem Irrtum über die steuerrechtliche Einordnung der Todesfallbeihilfe. Laut BFG ist dieser Irrtum als entschuldbar anzusehen, da die Beschwerdeführerin keine Anhaltspunkte dafür sah, eine fachliche Expertise einholen zu müssen. Demzufolge ist laut BFG Vorsatz ausgeschlossen, weil gem § 9 FinStrG „dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet werden kann, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ.“
Der Vorwurf einer vorsätzliche Abgabenhinterziehung wurde somit widerlegt. Bei einer allfälligen grob fahrlässigen Abgabenverkürzung ist die zehnjährige Verjährungsfrist gem § 207 Abs 2 BAO nicht anwendbar. Das Recht auf Abgabenfestsetzung war somit verjährt.
3. Conclusio
Um eine Abgabenhinterziehung zu verwirklichen, muss die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht mit Wissen und Wollen verletzt werden. Die Abgabenpflichtige ist im konkreten Sachverhalt davon ausgegangen, dass eine Todesfallbeihilfe das steuerliche Schicksal einer privaten Ablebensversicherung teilt und somit nicht der Steuerpflicht unterliegt. Die Steuerpflicht der Todesfallbeihilfe wurde von der Beschwerdeführerin nicht erkannt, wodurch auch keine wissentliche und willentliche Verwirklichung der Abgabenhinterziehung vorliegen kann. Im Ergebnis ging das BFG von einem Irrtum bezüglich der steuerlichen Einordnung der Todesfallbeihilfe aus.
Siehe in diesem Zusammenhang auch den Beitrag „BFG zur verlängerten Verjährung bei hinterzogenen Abgaben in der BAO: Beurteilung der Hinterziehung anhand finanzstrafrechtlicher Maßstäbe“. In dieser kürzlich ergangenen Entscheidung verneinte das BFG ebenfalls das Vorliegen einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung iZm von der Ärztekammer gewährten Unterstützungsleistungen im Ablebensfall. Der Fokus der Entscheidung liegt auf dem bei der verlängerten Verjährungsfrist anzuwendenden Beweismaß (BFG 09.09.2021, RV/6100030/2020).
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