VwGH: wesentlicher Verfahrensmangel bei Unterlassung entscheidungswesentlicher Zeugenbefragung
Tax News 09/2021
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Der Verwaltungsgerichtshof erkannte einen wesentlichen Verfahrensmangel durch das Bundesfinanzgericht darin, dass ein Antrag auf Zeugeneinvernahme durch das BFG abgewiesen wurde: Denn das BFG hatte sich in der Begründung seines Erkenntnisses maßgeblich auf eine schriftliche Aussage des namhaft gemachten Zeugen und deren Lückenhaftigkeit gestützt, obwohl es den beantragen Zeugen nicht einvernommen hatte.
1. BFG: Keine Einvernahme eines beantragten Zeugen
Im Ausgangsverfahren war die Zulässigkeit eines Vorsteuerabzuges aus dem Erwerb einer Liegenschaft von einer dem Beschwerdeführer nahestehenden GmbH strittig. Im fortgesetzten Verfahren gab das BFG der Beschwerde teilweise Folge: Der Vorsteuerabzug wurde nicht vom vereinbarten Kaufpreis iHv EUR 1,7 Mio, sondern nur vom nachträglich gutachterlich ermittelten Verkehrswert iHv rund EUR 1,0 Mio gewährt.
Begründung: Nach Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens habe der Verkehrswert der Liegenschaft zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Revisionswerber nur rund EUR 1,0 Mio betragen. Dagegen habe der Revisionswerber mit der GmbH einen Kaufpreis iHv EUR 1,7 Mio. vereinbart. Dazu habe der Revisionswerber vorgebracht, dass auf Anraten des seinerzeitigen Steuerberaters ein nicht zu weit unter dem damaligen Buchwert von rund EUR 2,2 Mio liegender Kaufpreis angesetzt worden sei, um sich nicht der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung wegen des Vorwurfs der Untreue gemäß § 153 StGB oder der betrügerischen Krida iSd § 156 StGB auszusetzen.
Der ehemalige Steuerberater habe in seiner schriftlichen Zeugenaussage zwar bestätigt, dass der Kaufpreis vor dem Hintergrund seiner Beratung mit EUR 1,7 Mio. festgelegt worden sei, jedoch nicht angegeben, dass der Kaufpreis vereinbart worden sei, weil der Revisionswerber einer strafrechtlichen Verfolgung habe entgehen wollen. Daher wurde der Antrag auf Ladung des Steuerberaters zur mündlichen Verhandlung beim BFG abgewiesen; ein persönliches Befragungsrecht von Zeugen durch den Abgabepflichtigen oder seinen Vertreter bestünde nicht.
Eine ordentliche Revision ließ das BFG nicht zu, da es ausschließlich um die Würdigung vorliegender Beweismittel ginge und die Rechtsfrage bereits im Vorerkenntnis geklärt war.
2. VwGH 10.12.2019, Ra 2018/15/0123: Wesentlicher Verfahrensmangel
Das BFG hatte dem ehemaligen Steuerberater als Zeugen das Vorbringen des Revisionswerbers zur Kaufpreisfindung schriftlich vorgehalten und ihn zur schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. In seiner schriftlichen Antwort bestätigte der Zeuge, dass er den Rat erteilt hatte, den Kaufpreis am Buchwert zu orientieren und mit EUR 1,7 Mio. EUR zu bemessen. Jedoch lieferte der Zeuge keine Begründung, warum er zu diesem Kaufpreis geraten hatte.
Da das BFG die Nachreichung einer Begründung nicht verlangte, stellte der Beschwerdeführer zu Aufklärung ebendieses Punktes einen Antrag auf Zeugeneinvernahme des Steuerberaters im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Das Bundesfinanzgericht lehnte die Durchführung der Zeugeneinvernahme ab.
Nach Ansicht des VwGH wollte der Beschwerdeführer mithilfe der Zeugeneinvernahme des ehemaligen Steuerberaters den Vorwurf einer subjektiven, auf Vorteilsgewährung gerichteten Willensentscheidung zugunsten der GmbH widerlegen. Für die Entscheidung im konkreten Fall ist die subjektive Einschätzung des Revisionswerbers maßgeblich, welcher wiederrum die Beratung durch den Steuerberater zu Grunde gelegen ist. Daher verstößt das BFG durch die Nichteinvernahme des Zeugen zu genau diesem Punkt gegen das Recht auf ein faires Verfahren und liegt ein unerledigter Beweisantrag vor. Aufgrund dieses wesentlichen Verfahrensmangels wurde das BFG Erkenntnis aufgehoben.
3. Ergebnis
Der Beschwerdeführer hat grundsätzlich kein Recht auf Ladung eines Zeugen zur mündlichen Verhandlung. Wenn sich das BFG allerdings im Rahmen seiner Beweiswürdigung explizit auf das Fehlen einer entsprechenden Bekundung eines beantragten Zeugen stützt, obwohl es den beantragten Zeugen nicht einvernommen hat, belastet es sein Erkenntnis mit einem wesentlichen Verfahrensmangel.