VwGH: Akteneinsicht nach finanzpolizeilichen Kontrollhandlungen

Tax News 06-07/2021

Tax News 06-07/2021

Kletterer

Auch im Falle einer abgabenrechtlich ergebnislos verlaufenen Kontrollhandlung der Finanzpolizei steht dem Steuerpflichtigen grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht zu. Über die Verweigerung der Akteneinsicht in einem solchen Fall muss das Finanzamt zwingend mit Bescheid absprechen (VwGH 24.03.2021, Ra 2018/13/0062-5). 

1. Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Finanzpolizei (FinPol) führte bei einer Pizzeria eine abendliche Kontrollhandlung ua nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) und nach § 143 Bundesabgabenordnung (BAO) durch. Die Kontrollhandlung zog keine abgabenrechtlichen Konsequenzen für den Steuerpflichtigen nach sich. Die FinPol erstattete lediglich Strafanzeige an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (BVB) wegen einer Verwaltungsübertretung des AuslBG.

Ein Jahr später stellte der Steuerpflichtige beim Finanzamt (FA) einen eingeschränkten Antrag auf Einsicht in jene Unterlagen, die sich auf die Kontrollhandlung der FinPol bezogen. Das FA wies den Antrag auf Akteneinsicht (§ 90 BAO) wegen Unzuständigkeit zurück. Die Zurückweisung begründete das FA im Wesentlichen mit dem Fehlen von aus der Kontrollhandlung resultierenden abgabenrechtlichen Konsequenzen und verwies den Steuerpflichtigen daher auf die Zuständigkeit der aktenführenden BVB.

Das Bundesfinanzgericht (BFG) wies die Beschwerde des Steuerpflichtigen als unbegründet ab. Nach der Ansicht des BFG liege kein Abgabenverfahren im Zusammenhang mit der Kontrollhandlung vor, das zur Akteneinsicht berechtigen würde.

2. VwGH: Zulässigkeit der Akteneinsicht und Notwendigkeit der bescheidmäßigen Absprache

Nach der Rsp des VwGH steht der Partei das Recht auf Akteneinsicht nur gegenüber der verfahrensführenden Behörde und nur während eines bereits anhängigen behördlichen Verfahrens (zB Abgabenverfahren) zu. Die FinPol wird als Organ des FA tätig, wenn es wie im konkreten Fall allgemeine Aufsichtsmaßnahmen nach § 143 BAO durchführt (zB Auskunftsverlangen beim Steuerpflichtigen). Vor diesem Hintergrund stellte sich der VwGH daher die Grundsatzfrage, welche Kriterien ein Verfahren erfüllen muss, damit es in rechtlicher Hinsicht als behördliches Verfahren qualifiziert werden kann.

Nach Ansicht des VwGH liegt ein solches Verfahren vor, wenn die Behörde hoheitliche Maßnahmen zur Ermittlung von Sachverhaltsgrundlagen setzt, um prüfen zu können, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen sind oder nicht. Auf § 143 BAO gestützte finanzpolizeiliche Kontrollhandlungen dienen der Informationsbeschaffung, ob vom FA ein Abgabenverfahren einzuleiten, weiterzuführen oder abzuschließen ist und stellt daher eine solche Maßnahme dar.

Im Ergebnis bejahte der VwGH das Vorliegen eines behördlichen Verfahrens und somit die Zulässigkeit des Antrages auf Akteneinsicht. Wenn das FA die Akteneinsicht dennoch verweigert, hat es darüber zwingend mittels eines anfechtbaren Bescheides abzusprechen, wenn mangels abgabenrechtlicher Konsequenzen aus der Kontrollhandlung das Ergehen eines materiellrechtlichen Bescheides nicht zu erwarten ist. Denn nur auf diese Weise ist ein effektiver Rechtsschutz des von der Kontrollhandlung betroffenen Abgabepflichtigen gewährleistet.

3. Conclusio

Auch nach abgabenrechtlich ergebnislosen Kontrollhandlungen der Finanzpolizei besteht im Allgemeinen das Recht auf Akteneinsicht in die korrespondierenden Unterlagen. Über die Verweigerung der Akteneinsicht hat in diesem Fall zwingend ein im Instanzenzug gesondert anfechtbarer Bescheid zu ergehen. Die bescheidmäßige Absprache über die Verweigerung dient der Wahrung des Rechtsschutzbedürfnisses des Steuerpflichtigen.