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BFH: Grunderwerbsteuer bei erneuter Überschreitung der 95%-Grenze und Anwendung der Korrekturnorm nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG

Der BFH hat am 7. Mai 2025 (II R 26/23) entschieden, dass ein Anteilserwerb, der zu einer erneuten Anteilsvereinigung führt, (wieder) nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn der Erwerber zwar bereits in der Vergangenheit die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt hatte, dessen Beteiligung jedoch zwischenzeitlich unter die erforderliche Beteiligungsquote abgesunken war. Darüber hinaus steht einer Anwendung der Korrekturnorm des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in Fällen der Rückabwicklung eines Anteilserwerbs nicht entgegen, dass der vorausgegangene Anteilserwerb nicht steuerbar war.

Im Streitfall hielt die Klägerin (GmbH) anfänglich 94,9% der Anteile an der grundbesitzenden R-AG. Im Jahr 2011 erwarb die Klägerin die verbleibende 5,1%-Beteiligung und vereinigte dadurch erstmals sämtliche Anteile an der R-AG in einer Hand (Erwerbsvorgang 1). Für die Anteilsvereinigung setzte das Finanzamt Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest. Im Jahr 2012 schlossen die Parteien einen Rückkaufvertrag bezüglich der 5,1%-Beteiligung ab, mit der Folge, dass die Beteiligung der Klägerin wieder auf die ursprünglichen 94,9% abgesunken war (Erwerbsvorgang 2). Den Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Steuerfestsetzung infolge der Rückabwicklung der Anteilsvereinigung lehnte das Finanzamt ab. Im Jahr 2014 wurde schließlich die Anteilsrückübertragung aus 2012 rückgängig gemacht, was dazu führte, dass die Klägerin erneut die 5,1%-Beteiligung erwarb und dadurch zum zweiten Mal sämtliche Anteile an der grundbesitzenden R-AG in einer Hand vereinigte (Erwerbsvorgang 3). Das Finanzamt setzte erneut Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest. Einspruch und Klage vor dem FG München blieben erfolglos.

Die Revision vor dem BFH hatte Erfolg. Der BFH hat entschieden, dass der Grunderwerbsteuerbescheid rechtwidrig und daher aufzuheben ist. Im ersten Schritt bestätigte der BFH die Auffassung des Finanzamts und der Vorinstanz, wonach ein Anteilserwerb, der zur erneuten Überschreitung der 95%-Schwelle (heute 90%) führt, wieder den Tatbestand der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt und somit (erneut) der Grunderwerbsteuer unterliegt. Zwar unterliege eine bloße Verstärkung einer bereits bestehenden Anteilsvereinigung (z.B. Aufstockung von 95% bzw. 90% auf 100%) nicht zusätzlich der Besteuerung. Etwas anderes gelte jedoch, wenn die bereits vereinigten Anteile zu einem späteren Zeitpunkt – wie im Streitfall infolge der Anteilsrückübertragung in 2012 ‒ wieder unter die maßgebliche Beteiligungsschwelle absinken (z.B. Abstockung von 100% auf 94,9% bzw. 89,9%). Eine frühere Anteilsvereinigung „immunisiere“ den Erwerber nach einem Absinken der Beteiligung unter die maßgebliche Beteiligungsschwelle nicht gegen die Steuerbarkeit bei erneuter Überschreitung der Beteiligungsschwelle. Im zweiten Schritt entschied der BFH, dass der streitgegenständliche Erwerbsvorgang 3 ‒ entgegen der Ansicht der Vorinstanz ‒ in den Anwendungsbereich der Korrekturnorm nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG fällt. Nach Auffassung des BFH sind im Falle einer Aufeinanderfolge mehrerer Erwerbsvorgänge die Voraussetzungen der Rückabwicklung für jeden „Vorgang“ getrennt, d.h. auf jeder Vertragsstufe selbstständig zu prüfen. Dies bedeute im Streitfall, dass der Erwerbsvorgang 3 als „Rückerwerb“ ins Verhältnis zum Erwerbsvorgang 2 als „Ersterwerb“ zu setzen sei, auch wenn sich der Erwerbsvorgang 2 seinerseits aus der Perspektive des Erwerbsvorgangs 1 als Rückerwerb darstelle. Dabei sei unerheblich, ob der Ersterwerb überhaupt der Grunderwerbsteuer unterlegen hat. Der Regelungszweck des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ziele darauf ab, dass sowohl die Steuerfestsetzung für den Ersterwerb als auch für den Rückerwerb unterbleiben sollen, weil im Ergebnis der ursprüngliche Zustand (vor dem Ersterwerb) wieder hergestellt werde. Dies müsse erst recht in Fällen gelten, in denen nur der Rückerwerb und nicht auch der Ersterwerb steuerbar sei. Fehlt es ‒ wie im Streitfall ‒ an einer Steuerbarkeit des Ersterwerbs, sei es laut BFH für die Anwendung von § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG außerdem unerheblich, ob der Ersterwerb rechtzeitig nach § 16 Abs. 5 GrEStG angezeigt wurde. Da dieser Erwerbsvorgang nicht der Grunderwerbsteuer unterlag, sei auch eine Anzeige nicht erforderlich gewesen.

Fundstelle: BFH-Urteil II R 26/23 

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