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BFH: (E-)Mails als vorzulegende Handels- und Geschäftsbriefe

Der BFH hat entschieden, dass empfangene und abgesandte Handels- und Geschäftsbriefe im Sinne der Aufbewahrungspflicht von Unterlagen auch E-Mails sein können und diese von der Finanzverwaltung im Rahmen der Außenprüfung angefordert werden können.

Die Steuerpflichtige, eine GmbH (Klägerin), und das Finanzamt stritten sich anlässlich einer Außenprüfung über die Pflicht zur Vorlage von Handels- und Geschäftspapieren sowie sonstiger Unterlagen einschließlich eines sogenannten Gesamtjournals.

Die Klägerin hatte ein „Sales and Marketing Services Agreement“ (SMS Agreement) abgeschlossen, nach dem sie sich zur Erbringung von Servicedienstleistungen gegenüber einer anderen Konzerngesellschaft mit Sitz außerhalb Deutschlands verpflichtete. Das Finanzamt forderte im Verlauf der Außenprüfung die Klägerin zur Vorlage von empfangenen und Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe sowie sonstiger Unterlagen mit Bedeutung für die Besteuerung auf. Für elektronisch abgesandte oder empfangene Unterlagen wie z.B. E-Mails sollte ein elektronisch verwertbarer Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Nicht davon erfasst waren insbesondere der private Schriftverkehr der Mitarbeitenden und die rein firmeninterne Kommunikation. Die Korrespondenz zwischen den Konzerngesellschaften sollte hingegen dem Grunde nach vorgelegt werden. Sofern die angeforderten Unterlagen in elektronischer Form vorliegen, sollte die Klägerin ein Gesamtjournal in elektronischer Form auf einem maschinell auswertbaren Datenträger innerhalb von vier Wochen vorlegen. Das Gesamtjournal sollte Angaben enthalten u.a. zum Absender und Empfänger (inkl. cc- und bcc-Empfängern), Betreff und Anlagen der Nachricht.

Dagegen wehrte sich die Klägerin im Rechtsbehelfsverfahren u.a. mit der Begründung, dass eine Rechtsgrundlage für die Vorlage eines Gesamtjournals fehle.

Nach Auffassung des BFH durfte die Außenprüfung von der Klägerin insbesondere die Vorlage sämtlicher E-Mails verlangen, welche die Vorbereitung, den Abschluss und die Durchführung des SMS Agreements mit der anderen Konzerngesellschaft einschließlich der Verrechnungspreisdokumentation betreffen. Davon ausgenommen seien zutreffend solche E-Mails, die lediglich privater Natur sind oder die firmeninterne Kommunikation betreffen.

Auch eine Anforderung der Unterlagen "en bloc" - nämlich aller den Prüfungszeitraum betreffenden Handelsbriefe - sei zulässig, insbesondere wegen der oftmals vorhandenen Unkenntnis der Verwaltung über das Vorhandensein konkreter Unterlagen. Zudem habe die Außenprüfung die Anforderung durch die Bezugnahme auf das Agreement bereits präzisiert. Im weiteren Verlauf habe das Finanzamt zudem auf die Korrespondenz, der Aussagen über aufzeichnungspflichtige Vorgänge zu entnehmen sind, sowie auf Unterlagen, die für die Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchungen und Aufzeichnungen unumgänglich sind, verwiesen und somit die Anforderung weiter konkretisierend. Eine weitere, das Vorlageverlangen hinreichend bestimmende Konkretisierung erfolgte abschließend noch einmal durch die Begründung im Rahmen der Einspruchsentscheidung, die nur auf die "steuerlich relevante" E-Mail-Kommunikation verweist. Damit habe die Auffordung dem wesentlichen Zweck des Bestimmtheitserfordernisses genügt, nämlich dem Betroffenen eines Verwaltungsakts klar zu machen, was von ihm gewollt werde. Hierfür habe es nicht weiterer Beschränkungen, etwa in Form bestimmter Suchbegriffe, Mitarbeiter oder kürzerer Zeiträume bedurft. 

Das Finanzamt habe zurecht auch die Vorlage derjenigen E-Mails, die sich auf die Verrechnungspreisdokumentation der Klägerin beziehen, verlangt. Dokumentationen über Konzernverrechnungspreise unterfallen nach Auffassung des BFH dem Anwendungsbereich des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO (Aufbewahrung sonstiger Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind). Besondere gesetzliche Dokumentations- und Vorlagepflichten für Verrechnungspreissachverhalte entbindeten nicht von der Verpflichtung, allgemeine Unterlagen, namentlich auch E-Mails, vorzuhalten, soweit darin Vorgänge enthalten sind, die für die Verrechnungspreisdokumentation und somit "für die Besteuerung von Bedeutung" sind. Dies umfasse auch diejenigen E-Mails, welche sich auf die Vorbereitung, den Abschluss und auch auf die Durchführung des Agreements beziehen. Denn aufbewahrungspflichtig sei die gesamte, den betrieblichen Bereich betreffende Korrespondenz, soweit sie sich auf die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäfts bezieht. Dem stehe nicht entgegen, dass die E-Mails, soweit sie die Durchführung des Agreements betreffen, im Wesentlichen sogenannte Erfüllungshandlungen enthielten. 

Das Verlangen des Finanzamts auf Erfüllung der Vorlagepflicht erweise sich auch als verhältnismäßig. Das Vorlageverlangen (Vorlagepflicht nur dem Grunde nach) überlasse es der Klägerin, welche E-Mails oder Daten sie im Einzelfall vorlegt. Nach Auffassung des BFH ist es der Klägerin damit unbenommen, solche Daten, die gerade nicht steuerlich relevant sind, zu selektieren (sogenanntes Erstqualifikationsrecht).  Aufgrund der Vorlagepflicht nur dem Grunde nach seien keine weiteren Beschränkungen, etwa auf Stichproben, bestimmte Datenparameter oder Zeiträume innerhalb des Prüfungszeitraums erforderlich.

Allerdings dürfe das Finanzamt im Rahmen der Außenprüfung ein sogenanntes Gesamtjournal in digitaler Form, welches Informationen zu jedweder E-Mail-Korrespondenz der Klägerin und ihrer Mitarbeiter zu enthalten habe, nicht anfordern. Dafür fehle es an einer Rechtsgrundlage. Nach Auffassung des BFH musste die Aufforderung des Finanzamts zur Überlassung eines Gesamtjournals von der Klägerin dahin verstanden werden, dass Informationen hinsichtlich ihrer gesamten E-Mail-Korrespondenz unabhängig davon vorzulegen sind, ob für eine einzelne E-Mail eine Aufbewahrungspflicht (§ 147 Abs. 1 AO) besteht. Ein so verstandenes Vorlageverlangen, das sich auch auf die Vorlage von (Daten zu) E-Mails ohne steuerliche Relevanz erstreckt, überschreite den Umfang der Befugnis des Finanzamts zur Anforderung elektronischer Unterlagen. 

Fundstelle: BFH-Urteil XI R 15/23 

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