BVerfG: Verfahren zur Zulässigkeit des rückwirkenden Treaty Override (§ 50d Abs. 10 EStG) eingestellt
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 04.07.2025 das Verfahren zur Zulässigkeit der rückwirkenden Anwendung des sog. Treaty Override der Regelung des § 50d Abs. 10 EStG eingestellt.
Die im Jahr 2008 eingeführte und im Jahr 2013 nachgebesserte Regelung findet in allen offenen Fällen und damit auch auf bereits abgeschlossene Sachverhalte Anwendung.
Das Verfahren geht zurück auf eine Richtervorlage des I. Senat des BFH vom 11.12.2013 (I R 4/13). Fraglich war, ob
- § 50d Absatz 10 Satz 1 EStG 2002 in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 und Artikel 25 des Grundgesetzes verstößt, weil hierdurch Vergütungen im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG 1997 – hier Zinsen für ein Gesellschafterdarlehen – für Zwecke der Anwendung eines DBA ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten, obwohl das Besteuerungsrecht für die Vergütungen in einem solchen Abkommen völkerrechtlich dem anderen Vertragsstaat als dem Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers zugewiesen wird (hier nach Art. 11 Abs. 1 DBA-Italien 1989) und Deutschland lediglich ein Quellensteuerrecht zusteht (hier nach Art. 11 Abs. 2 DBA-Italien 1989),
- in gleicher Weise § 50d Absatz 10 Satz 1 des EStG 2009 in der Fassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 und Artikel 25 des Grundgesetzes verstößt, weil hierdurch eine Vergütung im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 Halbsatz 2 des EStG 1997 für Zwecke der Anwendung des DBA ebenfalls ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigten Gesellschafters gilt,
- § 52 Absatz 59a Satz 8 des EStG 2002 in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 nunmehr § 52 Absatz 59a Satz 11 des EStG 2002 in der Fassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes und § 52 Absatz 59a Satz 10 des EStG 2009 in der Fassung EStG des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) verfassungswidrig sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch nicht zur Zulässigkeit der Rückwirkung entschieden. Vielmehr habe die Berichterstatterin im Einvernehmen mit dem Senat darauf hingewiesen, dass die Ausführungen des vorlegenden Senats des Bundesfinanzhofs zur Entscheidungserheblichkeit nicht den Darlegungsanforderungen genügen dürften. Denn die im Ausgangsverfahren erhobene Klage würde sich gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlage für eine GmbH & Co. KG richten, in den auch Feststellungen betreffend eine atypisch stille Beteiligung weiterer Personen am Geschäftsbetrieb der Kommanditgesellschaft mit aufgenommen worden seien. Ein solches Vorgehen würde aber jedenfalls nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verfahrensrechtlich nicht zulässig sein und zur Aufhebung des angegriffenen Bescheids führen. Auf die Anwendung und damit verbunden auf die Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 10 EStG würde es folglich im Ausgangsverfahren nicht ankommen. Der Bundesfinanzhof habe auf diesen Hinweis seinen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss aufgehoben. Der Zweite Senat hat infolgedessen das Verfahren der konkreten Normenkontrolle eingestellt.
Fundstelle: BVerfG Beschluss v. 04.07.2025 sowie BVerfG Pressemitteilung v. 17.07.2025
News-Kategorie: Rechtsprechung
Veröffentlichungsdatum: 24.07.2025
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